Treffen von Putin, Erdogan und Rohani: Wie geht es weiter in Syrien?

Am Montag fand das lang erwartete Treffen der Prä­si­denten der Türkei, Russ­lands und des Iran zum Thema Syrien statt. Wer einen großen Durch­bruch erwartet hat, wurde ent­täuscht. Aber kleine Fort­schritte gab es trotzdem.
In den letzten Wochen hat die syrische Provinz Idlib immer wieder Schlag­zeilen gemacht. Dort halten ca. 50.000 bewaffnete Isla­misten von Al-Kaida-Ablegern, die in den west­lichen Medien kon­se­quent als „Rebellen“ bezeichnet werden, ca. drei Mil­lionen Zivi­listen als Geiseln. Die Situation dort ist ver­worren, denn die Türkei hat durchaus gute Kon­takte zu den Gruppen, weil sie sie früher gegen Assad unter­stützt hat. Ein vor knapp einem Jahr ver­ein­barter Waf­fen­still­stand hat nie wirklich gehalten und in letzter Zeit hat die syrische Armee auf Droh­nen­an­griffe und Artil­le­rie­be­schuss aus der Region mit regio­nalen Offen­siven reagiert.
Der Iran und Russland stehen auf der Seite Syriens, wenn auch viel­leicht aus unter­schied­lichen Gründen. Erdogan hin­gegen unter­stützt noch Kräfte, die gegen Syriens Regierung stehen, daher hat Erdogans Militär Beob­ach­tungs­posten in den von Ter­ro­risten kon­trol­lierten Gebieten rund um Idlib. Die Gefahr, dass es bei Angriffen der Syrer zu bewaff­neten Zusam­men­stößen zwi­schen syri­schen und tür­ki­schen Truppen kommen könnte, ist groß. Daher waren die Gespräche am Montag so wichtig.
Hier bestellen!

Was genau die drei Prä­si­denten hinter ver­schlos­sener Tür beschlossen haben, ist nicht bekannt. Bei der Pres­se­kon­ferenz gab es nur sehr wolkige Aus­sagen. Putin wies darauf hin, dass es auf Dauer nicht hin­nehmbar sei, dass die Region Idlib von Al-Kaida-Ablegern kon­trol­liert wird. Er und der Iran möchten, dass die syrische Regierung dort wieder die Kon­trolle übernimmt.
Erdogan hat vor allem die Sorge, dass bei einer Groß­of­fensive der Syrer die drei Mil­lionen Zivi­listen der Region seine Grenze über­rennen, denn Erdogan kann so viele Men­schen nicht ver­sorgen und außerdem weiß er auch, dass in einem solchen Flücht­lings­strom auch viele radikale und kampf­erfahrene Männer in sein Land kommen würden, die er dort nicht haben will. Daher sprach Erdogan auf der Pres­se­kon­ferenz davon, dass es keine Kor­ridore in die Türkei geben werde und dass er eine Art Sam­mel­stelle für Flücht­linge in der Region Idlib ein­richten wolle.
Wie es tat­sächlich mit Idlib wei­tergeht, ist also unklar. Dafür haben die drei Prä­si­denten sich auf ein Ver­fas­sungs­ko­mitee für Syrien geeinigt. Auch dazu sind bisher keine Details bekannt, außer dass es dort sowohl die syrische Regierung, als auch die Oppo­sition ver­treten sein soll. Das wird all­gemein als wich­tiger Schritt zur poli­ti­schen Lösung des Syri­en­krieges angesehen.
Das Poblem dabei: im Osten des Landes ist gut ein Viertel des Landes noch nicht wieder unter der Kon­trolle der Regierung. Dort herr­schen Ableger der kur­di­schen Ter­ror­or­ga­ni­sation PKK mit Unter­stützung der USA. Und die USA bilden dort bereits eine neue Armee aus, die allem Anschein nach wieder gegen Assad geschickt werden soll. Offi­ziell wird sie freilich gegen den IS auf­ge­stellt, nur gibt es den IS dort als mili­tä­rische Gruppe gar nicht mehr.
Aber Syrien ist eben nicht das Land der schnellen Fort­schritte und Durch­brüche, dazu ist die Lage dort zu komplex. Es geht in kleinen Schritten voran. Und wenn man bedenkt, dass der größte Teil des Landes wieder befriedet ist und dass es bei jedem Treffen des soge­nannten Astana-For­mates aus Türkei, Iran und Russland kleine Fort­schritte gibt, muss man sich wohl wei­terhin in Geduld üben.
Was die deut­schen Medien gar nicht berichten ist, dass Syrer zu Tau­senden in ihre Heimat zurück­kehren. Das aller­dings gestaltet sich schwierig, das geschundene Land kann sie kaum ver­sorgen und bräuchte dringend Unter­stützung zumindest von der UNO. Syrien braucht die Rück­kehrer ja auch für den Wie­der­aufbau des Landes. Aber der Westen, der offi­ziell die Flücht­linge als Problem betrachtet, tut nichts, um deren Rückkehr zu unter­stützen, im Gegenteil.
Karin Leu­kefeld, eine aus­ge­wiesene Expertin für die Region, die dort auch lebt, hat gerade über die aktuelle Situation in einem Video-Interview für RT-Deutsch berichtet, das ich für Inter­es­sierte hier anfüge. Ihre Berichte und Ein­schät­zungen finde ich sehr fun­diert und vor allem ist sie vor Ort und kann direkt berichten, was sie dort erlebt. Das hat sie den „Qua­li­täts­medien“ voraus, die keine Kor­re­spon­denten vor Ort.

Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“