Bild: Wikimedia commons, Walter Rademacher/Wikipedia, Link: //commons.wikimedia.org/wiki/File:Protest_gegen_Elbvertiefung_in_Hamburg.JPG,Bildlizenz: CC-BY-SA-2.5

Umwelts-Ver­bands­klagen: Unver­zicht­bares Element der Bür­ger­rechte oder heim­tü­ckische Sabotage grüner Verbots-Ideologen?

Fast auf den Tag 31 Jahre ist es her, dass der Spiegel titelte: „Wie absurd — Ham­burger Richter müssen in Kürze ent­scheiden, ob Nordsee-Robben gegen den Bonner Ver­kehrs­mi­nister Jürgen Warnke klagen dürfen. Natur­schützer erwarten einen Prozess von rechts­his­to­ri­scher Bedeutung.“

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Damals stand die Ent­scheidung darüber an, ob eine 200 Seiten dicke Klage gegen die „Ein­bringung von Abfall­stoffen auf hoher See“ einer Koalition durch acht große Umwelt­ver­bände rechtlich über­haupt zulässig sei. Ver­klagt wurde Bun­des­ver­kehrs­mi­nister Jürgen Warnke, weil das ihm unter­ste­hende Deutsche Hydro­gra­phische Institut ver­schie­denen Chemie- und Ent­sor­gungs­firmen  seit Jahren erlaubt hatte, giftige Sub­stanzen aller Art, wie Titan­dioxid, Dünn­säure und PCB-haltige Abfälle in der Deut­schen Bucht zu ent­sorgen (dar­unter die „West­deutsche Abfall­be­sei­ti­gungs­ge­sell­schaft mbH“ in Duisburg, die „Bayer AG“ in Lever­kusen, die „Kronos Titan“ im nie­der­säch­si­schen Nor­denham und die „Deutsche Solvay-Werke GmbH“ im nord­rhein-west­fä­li­schen Rheinberg). Dadurch war der Bestand an Seehunden in den deut­schen und nie­der­län­di­schen Gewässern auf 20% kol­la­biert. Die Ver­bands­an­wälte betrach­teten es als einen Miss­stand, dass nach bis­he­riger Rechtslage weder sie noch die Natur­schutz­ver­bände noch die See­hunde kla­ge­befugt seien und es überdies im Ent­sor­gungs­gebiet auf hoher See keine kla­ge­be­fugten, mensch­lichen Anwohner gebe. Daher müsse das Gericht den die All­ge­meinheit stell­ver­tre­tenden Ver­bänden dennoch eine Kla­ge­be­fugnis erteilen, da sonst kei­nerlei gericht­liche Ent­scheidung in dieser Sache möglich sei. Ein immenser Schaden für Natur, Tierwelt und Men­schen aber sicher. Da es um das Über­leben einer ganzen Tierart gehe, sei im Übrigen auch die Lebens­grundlage des Men­schen im All­ge­meinen gefährdet.
Das Gesetz betrachtet die Natur jedoch nicht als eine zur Kla­ge­führung fähige Per­sön­lichkeit, sondern als eine Sache. Genauso, wie die See­hunde und andere Tiere, auch Pflanzen eine „her­renlose Sache“ sind. Und so kom­men­tiert der Spiegel sei­nerzeit süffisant:
„Als ‚wild lebende Tiere‘ seien die See­hunde ‚nicht der Rechts­ordnung der Bun­des­rep­bulik Deutschland unter­worfen‘, weil sie im ‚Küs­tenmeer oder außerhalb der Hoheits­grenze‘ leben.  Die Umwelt-Advo­katen bean­tragten, Ver­bände und Stif­tungen als ‚Pro­zess­pfleger‘ für die sprach- und staa­ten­losen Flos­sen­füßler weit draußen im ver­seuchten Meer zu bestellen. ‚Es dürfte Schwie­rig­keiten bereiten‘, erkannten die Rechts­ver­treter, ‚eine schrift­liche Voll­macht vor­zu­legen‘.
Die Klage wurde erwar­tungs­gemäß als unzu­lässig abgewiesen.
Damit war aber das Thema nicht vom Tisch. Mitt­ler­weile gibt es unter­schied­liche Mög­lich­keiten für Ver­bände, Klage zu erheben, ins­be­sondere im Umwelt­recht. Aber immer noch ist es nur möglich – auch für Ver­bände – zu klagen, wenn der „Indi­vi­du­al­rechts­schutz“ greift. D. h., nur jemand, der geltend machen kann, dass er durch eine Maß­nahme, wie einen staat­lichen Ver­wal­tungsakt, in seinen eigenen Rechten ver­letzt wird, kann Klage erheben. Das „sub­jektive Recht“ ist der Schutz, der dem Indi­viduum vom Rechts­system zur Ver­tei­digung seiner berech­tigten Inter­essen gegen die Macht des öffent­lichen Rechtes gegeben hat.
Ein Umwelt­schutz­verband kann daher von kla­ge­be­rech­tigten Indi­viduen ermächtigt werden, als Stell­ver­treter für alle zu agieren. Es müssen aber berech­tigte Kläger vor­handen sein. Deshalb suchen Umwelt­ver­bände, die zum Bei­spiel Zug- oder Strom­trassen ver­hindern wollen, Bürger, die in dem Areal ein Grund­stück besitzen. Finden sie nie­manden, erwerben sie manchmal selbst ein „Sperr­grund­stück“, (in Süd­deutschland auch gern „Schi­ka­nier­zwickel“). Das führt aller­dings nicht immer zum Erfolg:
„Wenn in Deutschland ein Sperr­grund­stück bspw. von einem Natur­schutz­verband nicht direkt zur Nutzung gekauft, sondern nur um die Ver­fah­rens­be­tei­ligung in einem Pla­nungs­ver­fahren zu erzwingen, kann dieser Kauf als rechts­miss­bräuchlich beur­teilt werden und damit die Kla­ge­be­fugnis für eine Klage gegen den Plan­fest­stel­lungs­be­schluss entfallen.“
Ver­bände, vor allem Natur­schutz und Umwelt­schutz­ver­bände, die eine behörd­liche, förm­liche Aner­kennung besitzen, können gegen behörd­liche Ent­schei­dungen Rechts­mittel (Wider­spruch, Klage) ein­legen. Dabei müssen sie sich auf das jeweilige Landes-Natur­schutz­gesetz berufen. Das Ver­bands­kla­ge­recht ist im Bun­des­na­tur­schutz­gesetz ver­bindlich geregelt, ent­spricht aber den­selben Regeln, wie für Einzelpersonen.
So sinnvoll dieses Ver­bands­kla­ge­recht auch ist, es kann miss­braucht werden — und wird es auch, wie Men­schen es immer machen, wenn sie die Mög­lichkeit haben.
Aktuelle Bei­spiele finden sich viele. Ständig werden Infra­struk­tur­pro­jekte behindert oder unmöglich gemacht. Oft zu Recht und im Sinne des Natur­schutzes und der Umwelt, wie in Thü­ringen der Protest gegen die Wind­parks, die zusätzlich noch zu Autobahn‑, Strom­trassen und ICE-Trassen die Land­schaft zer­stören und riesige Umwelt­schäden anrichten.
Ande­rer­seits gibt es aber auch die DUH (Deutsche Umwelt­hilfe), die mit selbst unter Fach­me­di­zinern umstrit­tenen, angeb­lichen höheren Todes­raten durch Diesel-Fein­staub die Innen­städte für Diesel, aber eigentlich für alle Ver­bren­nungs­motor-Fahr­zeuge, dicht machen wollen. Inter­es­san­ter­weise hat das die Politik nie besonders inter­es­siert, bis die DUH tat­sächlich ver­ant­wort­lichen Poli­tikern drohte, sie in Beu­gehaft nehmen zu wollen. Plötzlich gehen in der Poli­ti­ker­riege die Köpfe ruck­artig hoch und man beginnt, über eine Reform der Ver­bands­klagen nachzudenken.
Die DUH ist als kla­ge­be­rech­tigter Verband regis­triert und darf Ver­stöße gegen den Umwelt­schutz gerichtlich bekämpfen, sie kann sogar gegen Ver­brau­cher­schutz-Ver­stöße juris­tisch vor­gehen, was sie auch aus­giebig tut und sich so den Ruf eines Abmahn­vereins zuge­zogen hat. Im Falle eines solchen Ver­haltens hat der Verband schlechte Karten, denn Pro­zesse und Abmah­nungen dürfen nicht der Geschäfts­zweck des Ver­bandes sein. Außerdem sind nur Ver­bände kla­ge­be­rechtigt, die weniger als fünf Prozent ihrer Gelder von Unter­nehmen bekommen, die DUH bestreitet ihren Finanz­bedarf aber zu 23% aus Unternehmenszuwendungen.
Es ist auch bekannt, dass bei der Sabotage von Infra­struk­tur­pro­jekten so ziemlich alle Tricks ange­wendet werden. Man kann Bau­maß­nahmen wun­derbar ver­hindern, indem man (vorher plat­zierten) Kot irgend­welcher bedrohter Tier­arten fest­stellt und doku­men­tiert, die sich just auf diesem Grund­stück auf­halten. Es hat schon Fälle gegeben, wo wegen eines ein­zigen Tieres ein wich­tiges Bau­vor­haben gestoppt wurde. Dann hat der Fuchs das kostbare Tierchen gefressen.
Ande­rer­seits sind solche Ver­bands­klagen ein scharfes Schwert in der Hand der Bürger, um sich gegen Willkür und unsinnige, ja schäd­liche Pläne – meist auf Betreiben von Kon­zernen —  zu wehren, wie die Wind­parks mitten in intakten Wäldern und geschützten Natur­räumen Meck­lenburg-Vor­pom­merns und Thüringens.
Nun nimmt aber die Politik das dreiste Ver­halten der DUH zum Anlass, die Axt an diese Mög­lichkeit der Bürger zur Selbst­ver­tei­digung zu legen. Das Han­dels­blatt berichtet:
Der FDP-Frak­ti­onsvize Michael Theurer fordert indes eine „kri­tische Eva­luation“ des Ver­bands­kla­ge­rechts – auch wegen kla­ge­freu­diger Ver­bände wie der Deut­schen Umwelt­hilfe (DUH). „Die Abmahn- und Kla­ge­industrie muss auf ein ver­nünf­tiges Maß geschrumpft werden“, sagte Theurer.
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Die Unter­nehmen fordern daher vehement Sicherheit und pla­nungs­recht­liche Ände­rungen, um schneller durch die Plan­ver­fahren zu kommen um eine Über­al­terung der Infra­struktur zu ver­meiden und dadurch Wett­be­werbs­nach­teile zu erleiden. Ein­heit­liche und digitale Ver­fahren müssten her und klare und ver­tretbare Rege­lungen im Umwelt- und Naturschutz.
Nord­rhein-West­falen preschte schon vor. Im Dezember 2018 meldete top agrar online:
„Nach Aus­wertung der Pra­xis­er­fah­rungen der Behörden mit dem Ver­bands­kla­ge­recht in Nord­rhein-West­falen kommt das Agrar­mi­nis­terium zu dem Schluss, dass sich die Erwar­tungen an das Kla­ge­recht nicht erfüllt haben. Das Gesetz ver­ur­sache nur unnötige Büro­kratie. Der Landtag hat das Kla­ge­recht daher am Mittwoch abgeschafft.“
Doch grau ist alle Theorie und bunt des Lebens Vielfalt. Wenn ein Wust an detail­lierten Vor­schriften ent­worfen und aus­ge­handelt wird, werden sich Industrie, Politik, Natur­schutz­ver­bände und Juristen jah­relang streiten. Das ver­zögert alles noch mehr als es jetzt schon der Fall ist. Und wir sollten uns nichts vor­machen: Am aller­ersten werden die Rechte des Bürgers, sich gegen Wahn­sinns­pro­jekte zu wehren, dem Krieg zum Opfer fallen. Man kann sowieso nicht mit Richt­linien erfassen, was der Rea­lität so alles ein­fällt. Wenn Unter­nehmen, Poli­tiker, Öko­nomen, Natur­schützer und Bürger sich ver­nünftig zusam­men­setzen und eine Lösung finden würden, wäre das die beste Mög­lichkeit. Wenn auch, in Anbe­tracht der mensch­lichen Natur, eine unwahrscheinliche.
Eigentlich sollte es Sache von ver­nünf­tigen Richtern sein, in einem solchen Fall ein gerechtes Urteil zu fällen. Aber auch das ist kaum zu erwarten.