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Warum hat die FDP der AfD das Thema Mei­nungs­freiheit überlassen?

Die FDP ist sowohl in Sachsen als auch in Bran­denburg an der Fünf­pro­zent­hürde gescheitert, die AfD erreichte mit 27,5 bzw. 23,5 Prozent his­to­risch hohe Wahl­er­geb­nisse. Wahl­for­scher sagen uns, dass das Gefühl, in Deutschland nicht mehr frei seine Meinung sagen zu können, ein wich­tiger Grund für den Erfolg der AfD ist.
(von Rainer Zitelmann)
„Bei bestimmten Themen wird man heute aus­ge­grenzt, wenn man seine Meinung sagt“ – diesem Satz haben in einer Vor­wahl­um­frage von Infratest dimap 69 Prozent der Sachsen zuge­stimmt. Bei keiner anderen Wäh­ler­gruppe war die Zustimmung dafür so hoch wie bei FDP-Wählern, von denen 62 Prozent zustimmten – nur bei AfD-Wählern fiel sie mit 98 Prozent noch deutlich höher aus.

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Laut der gleichen Umfrage erklären sich 58 Prozent der Sachsen den Erfolg der AfD damit, dass diese Partei „aus­spricht, was in den anderen Par­teien nicht gesagt werden darf“. Das sagen kei­neswegs nur Per­sonen, die mit der AfD sym­pa­thi­sieren, denn bei der gleichen Umfrage kri­ti­sierten 77 Prozent, die AfD distan­ziere sich nicht genug von rechts­extremen Positionen.
Geistige Freiheit – dies sollte an sich das ureigene Thema für eine liberale Partei sein. Warum hat die FDP es der AfD über­lassen? Diese Frage stellt sich besonders dringlich nach dem Wahl­erfolg der AfD und der Nie­derlage der FDP. Sie stellt sich aber nicht nur Ostdeutschland.
Das Emp­finden, dass die Mei­nungs­freiheit durch die Tabus der poli­ti­schen Kor­rektheit ein­ge­schränkt ist, ist in Ost­deutschland zwar besonders aus­ge­prägt, weil ehe­malige DDR-Bürger bei diesem Thema zu Recht besonders sen­sibel sind. Aber auch in Gesamt­deutschland äußerten bei einer Umfrage des Allensbach-Insti­tutes 58 Prozent der Befragten, in der Öffent­lichkeit mit Kom­men­taren zu einigen Themen vor­sichtig zu sein. 63 Prozent sagten bei dieser deutsch­land­weiten Umfrage, es gebe „viele unge­schriebene Gesetze, welche Mei­nungen akzep­tabel und welche tabu sind“, 41 Prozent kri­ti­sierten explizit die poli­tische Korrektheit.
Freiheit muss der Mar­kenkern einer libe­ralen Partei sein. Dabei ist das Ein­treten für wirt­schaft­liche Freiheit, also für Markt­wirt­schaft, gegen die um sich grei­fenden Ten­denzen zu immer mehr staat­licher Plan­wirt­schaft und gegen sozia­lis­tische Ent­eig­nungs­fan­tasien, ein wich­tiges, aber eben nicht das einzige Feld, wo Liberale die Freiheit ver­tei­digen müssen.
Die FDP muss als Ver­tei­di­gerin der Freiheit mehr Profil gewinnen. Wenn eine Mehrheit der Bürger das Gefühl hat, sich zu bestimmten Themen – ins­be­sondere zur Zuwan­de­rungs­po­litik – nicht mehr frei äußern zu können, dann stimmt etwas nicht in diesem Land. Wenn etwa, wie jüngst geschehen, Innen­mi­nister der Länder kon­trovers darüber dis­ku­tieren, ob bei Ver­brechen die Natio­na­lität der Tat­ver­däch­tigen genannt oder ver­schwiegen werden sollte, dann zeugt dies von einem Men­schenbild, das nicht zu einer frei­heit­lichen Gesell­schaft passt: Der Staat muss für die Bürger ent­scheiden, ob er ihnen bestimmte Fakten „zumuten“ darf oder ob er sie lieber ver­schweigen soll, weil die Men­schen mög­li­cher­weise „falsche“, also poli­tisch nicht kor­rekte Fol­ge­rungen, daraus ziehen könnten. Gegen ein solches Staats- und Men­schenbild müssten vor allem Liberale laut und deutlich ihre Stimme erheben.
Die FDP hat dies bislang nicht getan, weil sie Angst hatte, damit selbst ins Faden­kreuz der links­grünen Empö­rungs­kultur zu geraten. Einer Partei, die auf Par­tei­tagen laut und deutlich gegen „German Angst“ und für „German Mut“ ein­ge­treten ist, steht eine solche Ängst­lichkeit schlecht zu Gesicht, besonders bei einem urli­be­ralen Thema wie der geis­tigen Freiheit.

Quelle: theeuropean.de