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‘Deutschland in drei Tagen und Frank­reich in einer Stunde’ — Warum Aus­sen­mi­nister Maas zu Recht Angst vor den Türken hat

Zum Gaudium einer nicht geringen Zuschau­er­schar macht sich der You­tubende Ex-Polizist und Aktiv-Biker Tim Kellner immer wieder gern über die Mer­kel­re­gierung lustig. In 99% der Fälle ser­viert Kellner seine  “Watschn” mit Fug und Recht. Dieses eine Mal lag er ein wenig daneben…
(von Wolfgang Eggert)
Es ist ein unter­halt­sames Video, das den “Aus­sen­mi­nister-Dar­steller” Heiko Maas auf die Hörner nimmt. Basis: ein Interview, in dem der trotz intel­lek­tu­eller Dürf­tigkeit stets nach öffent­licher Auf­merk­samkeit stre­bende Sozi­al­de­mokrat scheinbar auf der Strecke bleibt. Die Betonung liegt auf “scheinbar”.​
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“Ein Großteil der deut­schen Männer” sei, so wird uns zu Beginn des Bei­trags herzhaft und leider wahr auf­ge­tischt, “zu Weich­eiern ver­kommen. Ohne Ehre, ohne Cha­rakter, ohne Mut”. Als “Para­de­bei­spiel für Feigheit, Mut­lo­sigkeit und Unter­wür­figkeit” macht Keller Heiko Maas aus. 
Schnitt auf einen Main­strea­migen Polit-Talk-Beitrag.
Mode­rator: “Sie nennt er (Erdogan) einen poli­ti­schen Dilet­tanten. Bei aller diplo­ma­ti­schen Zurück­haltung, was sagt man einem solchen NATO-Partner?”
Antwort Maas: “Ehrlich gesagt, eigentlich garnix. Es ist mir per­sönlich auch hoch wie breit.” 
Eine Steil­vorlage für Kellner, der nun mit gewin­nendem Lächeln mehrere ein­äschernde Breit­seiten abfeuert, um seinen leblosen​Kontrahenten schließlich noch einmal in die Manege zurück zu zerren; O‑Ton: “Der kleine mutlose Heiko liefert natürlich auch eine abschlie­ßende Erklärung für sein Verhalten”.
Wieder Umschnitt auf O‑Ton Maas: “Im Ergebnis ist es mir aller­dings lieber, Herr Erdogan schießt mit Worten als mit Raketen.”
Zurück auf Kellner: “Hahaha, das heisst doch, über­setzt, lieber der beleidigt mich, als dass er mir noch ne Ohr­feige gibt, oder?”
Soweit so gut. Eine durchaus tref­fende, dar­stel­le­risch gelungene Kritik. Fragt sich nur, ob diese nicht allzu simpel ausfiel. Oder, anders gesagt bzw. gefragt: Wie würde denn eine osma­nische Ohr­feige aus­fallen? Was wären die Folgen? Nur eine rote Backe? Darf der Atta­ckierte schon über eine Zahn­zu­satz­ver­si­cherung nach­denken? Oder mag es gar noch schlimmer kommen?
George Friedman, Gründer des US-Ame­ri­ka­ni­schen Geo­po­litik-Bera­tungs­in­stituts STRATFOR befindet, die Türkei sei “die bei weitem mäch­tigste und effek­tivste Mili­tär­macht in Europa” und befinde sich “auf dem Weg zu einer füh­renden Mit­tel­meer­macht”.​ https://www.smithsonianmag.com/history/george-friedman-on-world-war-iii-776748/
Erdogans Reich, so Friedman weiter, “könne die Deut­schen an einem ​Nach­mittag und die Fran­zosen innerhalb einer Stunde besiegen.”​ Kreise, die dem Sultan anhängen, haben bereits auf diese Erkenntnis rekur­riert und einen ent­spre­chenden Feldzug in Aus­sicht gestellt.
Schon das ist befremdlich und beängs­tigend. Mul­miger wird es noch, wenn man sich vor Augen führt — Maas dürfte das getan haben — , dass es eine Welt­macht gibt, die diesen Zusam­menstoß  des  “Wilden Manns” vom Bos­porus mit dem euro­päi­schen Herzland wünscht und fördert. Die Rede ist von der ame­ri­ka­ni­schen Geo­po­litik, die sich gegen ein mili­tä­ri­sches Erstarken des Euro­päi­schen Raums (Euro­Armee) und eine von dort aus­ge­hende Wirt­schafts­of­fensive Richtung Osten, die Neue Sei­den­straße, wendet. Diese Ent­wicklung will das Pen­tagon durch den Export von Kriegen und Krisen stoppen.
George Friedman gibt das völlig offen zu und sieht bereits Wir­kungen. 2015/2016 stellte der STRATFOR-Kopf auf dem Chicago Council on Global Affairs zum Thema “Die globale Krise” durchaus befriedigt fest: “Das gesamte Bild der Lage (in der Eura­si­schen Region) ver­kündet Unheil.… Eurasien befindet sich im Chaos bzw. ist nahe dran.”
Der Grund dafür:
“Die USA lernen heute von den Römern. Sie lernen von dem, was die Briten früher in ihrem Empire taten — die Balance zwi­schen den Mächten auf­recht­erhalten. Man schickt keine Truppen. Die Briten haben nie ihre Truppen in großer Zahl nach Indien geschickt, die Briten haben lokale Gruppen gegen­ein­ander aus­ge­spielt und lokale Kräfte benutzt. 
Und das ist es, was man heute sieht.
In diesem Punkt ist die Türkei ein Problem…, und das ist genau das, was die USA wollen. Die Aufgabe der USA dabei ist, sicher­zu­stellen, dass die Türkei aggres­siver wird.”
 
Friedman sah dieses ange­spitzte und zum Krieg trei­bende Sze­nario, mit der Türkei als Was­ser­träger, vor 3 Jahren ins­be­sondere für den Iran voraus.
Was sich nun nach dem scheinbar Grünes-Licht-gebenden-Trup­pen­abzug der Ame­ri­kaner ent­wi­ckelt, pas­siert in Syrien, dem engsten Ver­bün­deten Teherans in Nah/Mittelost. Und gefährdet die ver­meintlich “großen” NATO-Ver­bün­deten der Türkei auf dem euro­päi­schen Kon­tinent, die Steu­er­mächte der EU: Deutschland und Frankreich.
Warum das ganze “Spiel”?​
Noch einmal Friedman im Original: 
“Das Haupt­in­teresse der US-Aus­sen­po­litik während des letzten Jahr­hun­derts, im ersten und zweiten Welt­krieg und im Kalten Krieg waren die Bezie­hungen zwi­schen Deutschland und Russland. Weil, vereint, sind sie die einzige Macht, die uns bedrohen kann. Unser Haupt­in­teresse bestand darin, sicher­zu­stellen, dass dieser Fall nicht eintritt.
Es ist die Auf­recht­erhaltung der Kon­trolle über die Ozeane und im Weltall, die unsere Macht begründet. Der beste Weg, die feind­liche Flotte zu besiegen, ist zu ver­hindern, dass diese über­haupt gebaut wird. Der Weg, den die Briten gegangen sind, um sicher­zu­stellen, dass keine euro­päische Macht die Flotte bauen konnte, ist, dass die Europäer ein­ander bekämpften. Die Politik, die ich (den USA) emp­fehle, ist die, die Ronald Reagan in Iran und Irak ange­wendet hat. Er unter­stützte beide Seiten, sodass sie gegen­ein­ander kämpften — und nicht gegen uns. Das war zynisch, es war sicher nicht mora­lisch ver­tretbar, aber es funktionierte.
Das ist der sprin­gende Punkt: Die Ver­ei­nigten Staaten können Eurasien nicht besetzen… dafür sind wir zah­len­seitig unter­legen… Aber wir sind in der Lage, die gegen­ein­ander kämp­fenden Mächte zu unter­stützen, damit sie sich auf diesen Kampf konzentrieren.”
Die Türkei ist hier aus ame­ri­ka­ni­scher Sicht ein wich­tiger Player, neben Polen — das den deutsch-fran­zö­si­schen Block von Russland trennen soll — viel­leicht der zen­tralste. Europa bekommt das aktuell zu spüren.