Der Nato und ihren Fürsprechern geht es nicht um Sicherheit. Die Formel wird nur für das dumme Volk genutzt, damit es klaglos immer mehr Geld für das Militär bereitstellt. Es geht der Nato ganz profan um das Geld selbst, das der Rüstungsindustrie immer neue Rekordgewinne beschert. Und darum werden für das dumme Volk künstlich Bedrohungen geschaffen, damit die Leute Angst vor dem bösen Russen, den islamischen Terroristen oder den Chinesen haben. Die propagandistische Begleitung treibt dabei manchmal absurde Blüten.
Das Problem dabei: Die Russen haben keinerlei aggressive Absichten, wie wir bei einflussreichen US-Think Tanks nachlesen können. Die freuen sich aber nicht darüber und empfehlen eine Entspannungspolitik, sondern erarbeiten stattdessen Maßnahmen, um Russland zu provozieren, damit man endlich die Aggressivität der Russen belegen kann.
Auch den islamistischen Terror gab es nicht, bevor die Nato-Staaten auf Druck der USA angefangen haben, ein islamisches Land nach dem anderen zu überfallen und zu zerstören. Dass die Menschen dort, nachdem sie alles – inklusive von Freunden und Verwandten – verloren haben, radikalisiert werden und sich am Westen rächen wollen, kann niemanden überraschen.
Und China hat in den letzten paar Hundert Jahren niemanden angegriffen und auch seine neue Militärdoktrin ist alles andere als aggressiv. Vielmehr wurde China vom britischen Imperium oder den Japanern selbst angegriffen.
Aber bei der Nato braucht man Feindbilder, auch wenn man sie sich erst selbst erschaffen muss.
Ein besonders eifriger Propagandist des russischen Feindbildes ist der scheidende EU-Ratspräsident Tusk. Letzte Woche hat er in Brügge bei einem Auftritt gesagt:
„Ich musste andere EU-Staats- und Regierungschefs fast jede Woche öffentlich daran erinnern, dass Russland nicht unser strategischer Partner ist, sondern unser strategisches Problem. Ich wurde sogar als Besessener bezeichnet, weil ich mich so sehr auf das Thema konzentriert habe (…) Ich war und bin davon überzeugt, dass nicht nur die Zukunft der unabhängigen Ukraine und die Sicherheit Mitteleuropas, einschließlich meines Landes, auf dem Spiel steht, sondern auch die Souveränität Europas als politische Einheit. Und ich habe keinen Zweifel daran, dass Putins strategisches Ziel nicht nur darin bestand, die Kontrolle über die Gebiete der ehemaligen Sowjetunion wiederzuerlangen, sondern auch die EU systematisch zu schwächen und damit interne Spaltungen zu provozieren.“
Jeder, der sich mit der Politik Putins beschäftigt hat, weiß, dass das Unsinn ist. In Wahrheit ist das Gegenteil der Fall. Russland ist an einer starken EU interessiert. Das strategische Ziel Russland ist es, mit der EU einen einheitlichen kulturellen und wirtschaftlichen Raum „von Lissabon bis Wladiwostok“ zu bauen. Um das Ziel zu erreichen, müsste die EU aber erst einmal stark genug sein, um ihre Souveränität von den USA zu erkämpfen, die der EU ihre Politik aufzwingen. Nur mit einer einigen und stärkeren EU kann Russland sein Ziel erreichen. Und Russland wird kaum in der Lage sein, einer stärkeren EU seine Politik aufzuzwingen. Es geht hierbei um eine Partnerschaft auf Augenhöhe. In meinem Buch über Putin kann man sehr anschaulich sehen, wie Putin seit fast 20 Jahren für dieses strategische Ziel kämpft.
Aber statt diese These zumindest zu nennen und – wenn nötig – mit Argumenten zu widerlegen, wird sie dem breiten Publikum verschwiegen und stattdessen wird die Legende verbreitet, Russland sei an einer Schwächung der EU interessiert.
EU-Vertreter wie Tusk reden den USA nach dem Mund und stemmen sich gegen eine Souveränität der EU, die die USA um jeden Preis verhindern wollen. Würde die EU sich auf Augenhöhe mit Russland einigen, wäre das das Ende der US-Dominanz in Europa und damit der Welt. So erklärt sich die Ablehnung der Transatlantiker gegenüber Putin: Es geht um nichts weniger, als den Weltmachtanspruch der USA.
Ein anderes interessantes Thema ist der Konflikt zwischen den USA und der Türkei. Erdogan besitzt als Nato-Mitglied doch tatsächlich die Frechheit, eine eigenständige Politik machen zu wollen. Man muss diese Politik Erdogans nicht gut finden und ich kritisiere sie immer wieder, aber es geht zunächst einmal nur darum, dass Erdogan dem Imperium USA gegenüber ungehorsam ist. Eine Analyse von Erdogans Politik und die Gründe, warum er sich Putin so angenähert hat, finden Sie hier.
Die aktuellen Streitpunkte zwischen der Türkei und den USA betreffen unter anderem Syrien und den Kauf des russischen Flugabwehrsystems S‑400. Erdogan war gerade in Washington und hat mit Trump gesprochen. Es war laut deutschen Medienberichten ein fast harmonisches Treffen der beiden Buhmänner der deutschen Presse. Aber ganz so war es nicht.
Trump hatte Erdogan vor kurzem einen Brief geschrieben, in dem er Erdogan aufforderte, mit den Kurden zu verhandeln und „kein Idiot“ zu sein. Erdogan hat Trump den Brief in Washington zurückgegeben und vor der Presse dazu gesagt:
„Ich habe diese Briefe heute dem Präsidenten zurückgegeben. Besonders betrübt hat mich der Brief, in dem es heißt, dass der Terrorist Abdi Shaheen (Kurden-Kommandeur Mazlum Kobani) Gesprächspartner eines Landes wie Amerika ist. Der sogenannte Abdi Shaheen ist ein Terrorist, der für den Tod von Hunderten unserer Bürger verantwortlich ist.“
Harmonie klingt für mich anders.
Der Streitpunkt S‑400 ist auch nicht gelöst worden, man hat das Thema Arbeitsgruppen übertragen. Die USA fordern von der Türkei, das russische System, das bereits ausgeliefert und bezahlt ist, nicht in Betrieb zu nehmen, sondern stattdessen die älteren und schlechteren, dafür aber teureren Patriot-Raketen der USA kaufen. Erdogan hat das ein weiteres Mal abgelehnt. Die S‑400 sollen Anfang 2020 in Betrieb gehen. Erdogan sagte dazu:
„Wir sagten den USA, dass wir die Patriots kaufen würden, wenn die Konditionen stimmen. Aber wir glauben, dass es kategorisch falsch ist, von uns zu fordern, die S‑400 aufzugeben. Es kann nicht die Rede davon sein, die S‑400 zugunsten der Patriots aufzugeben.“
Man sieht: Es geht nur um Geld. Das russische System ist nach Experten-Angaben besser als die Patriot-Raketen. Aber anstatt dieses System zu unterstützen, fordern die USA, dass die Türken gefälligst ihre Waffen in den USA kaufen.
Ein weiterer Beleg dafür, dass es bei all dem Gerede von Sicherheit nur um Geld geht, sind die Forderungen an Staaten wie Deutschland, Japan und Südkorea, noch mehr für die Stationierung der US-Truppen in ihren Ländern zu bezahlen. Das ist Kolonialstil, wenn die Kolonialmacht von den Vasallen Bezahlung für den Unterhalt der Besatzungstruppen fordert. Natürlich finden die USA dafür andere Formulierungen, es geht demnach darum, dass die USA sich unter größten Opfern bereit erklären, die Sicherheit dieser Länder zu gewährleisten. Zumindest im Falle von Deutschland und Japan, wo zusammengenommen ca. 90.000 US-Soldaten stationiert sind, fällt mir aber beim besten Willen kein Land ein, vor dem die beiden besetzten Länder geschützt werden müssten.
Während die Besatzungskosten in Deutschland so zwischen Bund, Ländern und Kommunen aufgeteilt sind, dass die Regierung auf Nachfrage nicht einmal die Höhe der Summe nennen kann, die Deutschland für den Unterhalt ausländischer Truppen bezahlt, sind die Diskussionen in Südkorea und Japan offener.
In Spdkorea stehen knapp 30.000 US-Soldaten und 2019 haben die USA die Beteiligung Südkoreas an den Kosten um über 8 Prozent auf 915 Millionen Dollar erhöht und sie fordern eine weitere Erhöhung für die nächsten Jahre. Am 18. und 19. November finden Gespräche statt, die Presseerklärungen aus Südkorea zeigen aber, dass man dort wenig Lust hat, noch mehr zu bezahlen.
Auch in Japan wird das Thema kontrovers diskutiert. Auch dort wird nämlich derzeit über die Kosten der Truppenstationierung verhandelt. Aktuell zahlt Japan 1,8 Milliarden jährlich für die Ehre, 54.000 US-Soldaten in seinem Land beherbergen zu dürfen. Die USA wollen im neuen Vertrag durchdrücken, dass diese Kosten auf das Vierfache, also 8 Milliarden, ansteigen.
Sagte ich schon, dass den USA bei all den Dingen nicht um Sicherheit oder reale Bedrohungen geht, sondern nur um´s Geld?
In der EU regt sich auch zarter Widerstand gegen die US-geführte Nato. Macron hat mit einem Interview für Schlagzeilen gesorgt, in dem er die Nato als „hirntot“ bezeichnet hat. Macron plädiert dafür, dass die EU sich von der Nato unabhängig machen und eine eigene Verteidigungsstrategie und Armee bilden sollte.
Und auch in der Tschechei regt sich Widerstand. Der dortige Ministerpräsident hat sich Macrons Sicht angeschlossen und möchte sogar die Nato-Verträge ändern:
„Es ist notwendig, dass die europäischen Nato-Mitgliedstaaten sagen, dass es vielleicht an der Zeit ist, über den Vertrag zu sprechen, der vor 70 Jahren unterzeichnet wurde.“
Die USA werden sich zu wehren wissen, an diesem Wochenende gab es in der Tschechei eine Massendemonstration gegen den Ministerpräsidenten. Wie jede andere Kolonialmacht werden die USA das Feld nicht kampflos räumen und ihre koloniale Beute nicht einfach freigeben.
Und so werden wir weiterhin in den Medien Loblieder über die Nato und den Hort der Freiheit, die USA, lesen und weiterhin lernen, dass das Land, das sich für die europäische Souveränität einsetzt, der Bösewicht ist.
Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Osteuropa in verschiedenen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet, bevor er sich entschloss, sich als unabhängiger Unternehmensberater in seiner Wahlheimat St. Petersburg niederzulassen. Er lebt insgesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite www.anti-spiegel.ru. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?“
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