(U.S. Air Force photo by Master Sgt. Al Gerloff)

Besat­zungs­kosten und finan­zielle For­de­rungen der USA: Neues aus der trans­at­lan­ti­schen Anstalt

In letzter Zeit gab es eine Menge Mel­dungen aus den Bereichen Nato, US-Politik und EU, die mir jede für sich genommen keinen Artikel wert waren. Aber als gesam­melte Werke eröffnen sie span­nende Ein­sichten in die Gedan­kenwelt der Trans­at­lan­tiker und aktuelle Entwicklungen. 
Der Nato und ihren Für­spre­chern geht es nicht um Sicherheit. Die Formel wird nur für das dumme Volk genutzt, damit es klaglos immer mehr Geld für das Militär bereit­stellt. Es geht der Nato ganz profan um das Geld selbst, das der Rüs­tungs­in­dustrie immer neue Rekord­ge­winne beschert. Und darum werden für das dumme Volk künstlich Bedro­hungen geschaffen, damit die Leute Angst vor dem bösen Russen, den isla­mi­schen Ter­ro­risten oder den Chi­nesen haben. Die pro­pa­gan­dis­tische Begleitung treibt dabei manchmal absurde Blüten.
Das Problem dabei: Die Russen haben kei­nerlei aggressive Absichten, wie wir bei ein­fluss­reichen US-Think Tanks nach­lesen können. Die freuen sich aber nicht darüber und emp­fehlen eine Ent­span­nungs­po­litik, sondern erar­beiten statt­dessen Maß­nahmen, um Russland zu pro­vo­zieren, damit man endlich die Aggres­si­vität der Russen belegen kann.
Auch den isla­mis­ti­schen Terror gab es nicht, bevor die Nato-Staaten auf Druck der USA ange­fangen haben, ein isla­mi­sches Land nach dem anderen zu über­fallen und zu zer­stören. Dass die Men­schen dort, nachdem sie alles – inklusive von Freunden und Ver­wandten – ver­loren haben, radi­ka­li­siert werden und sich am Westen rächen wollen, kann nie­manden überraschen.
Und China hat in den letzten paar Hundert Jahren nie­manden ange­griffen und auch seine neue Mili­tär­doktrin ist alles andere als aggressiv. Vielmehr wurde China vom bri­ti­schen Imperium oder den Japanern selbst angegriffen.
Aber bei der Nato braucht man Feind­bilder, auch wenn man sie sich erst selbst erschaffen muss.
Ein besonders eif­riger Pro­pa­gandist des rus­si­schen Feind­bildes ist der schei­dende EU-Rats­prä­sident Tusk. Letzte Woche hat er in Brügge bei einem Auf­tritt gesagt:
„Ich musste andere EU-Staats- und Regie­rungs­chefs fast jede Woche öffentlich daran erinnern, dass Russland nicht unser stra­te­gi­scher Partner ist, sondern unser stra­te­gi­sches Problem. Ich wurde sogar als Beses­sener bezeichnet, weil ich mich so sehr auf das Thema kon­zen­triert habe (…) Ich war und bin davon über­zeugt, dass nicht nur die Zukunft der unab­hän­gigen Ukraine und die Sicherheit Mit­tel­eu­ropas, ein­schließlich meines Landes, auf dem Spiel steht, sondern auch die Sou­ve­rä­nität Europas als poli­tische Einheit. Und ich habe keinen Zweifel daran, dass Putins stra­te­gi­sches Ziel nicht nur darin bestand, die Kon­trolle über die Gebiete der ehe­ma­ligen Sowjet­union wie­der­zu­er­langen, sondern auch die EU sys­te­ma­tisch zu schwächen und damit interne Spal­tungen zu provozieren.“
Jeder, der sich mit der Politik Putins beschäftigt hat, weiß, dass das Unsinn ist. In Wahrheit ist das Gegenteil der Fall. Russland ist an einer starken EU inter­es­siert. Das stra­te­gische Ziel Russland ist es, mit der EU einen ein­heit­lichen kul­tu­rellen und wirt­schaft­lichen Raum „von Lis­sabon bis Wla­di­wostok“ zu bauen. Um das Ziel zu erreichen, müsste die EU aber erst einmal stark genug sein, um ihre Sou­ve­rä­nität von den USA zu erkämpfen, die der EU ihre Politik auf­zwingen. Nur mit einer einigen und stär­keren EU kann Russland sein Ziel erreichen. Und Russland wird kaum in der Lage sein, einer stär­keren EU seine Politik auf­zu­zwingen. Es geht hierbei um eine Part­ner­schaft auf Augenhöhe. In meinem Buch über Putin kann man sehr anschaulich sehen, wie Putin seit fast 20 Jahren für dieses stra­te­gische Ziel kämpft.
Aber statt diese These zumindest zu nennen und – wenn nötig – mit Argu­menten zu wider­legen, wird sie dem breiten Publikum ver­schwiegen und statt­dessen wird die Legende ver­breitet, Russland sei an einer Schwä­chung der EU interessiert.
EU-Ver­treter wie Tusk reden den USA nach dem Mund und stemmen sich gegen eine Sou­ve­rä­nität der EU, die die USA um jeden Preis ver­hindern wollen. Würde die EU sich auf Augenhöhe mit Russland einigen, wäre das das Ende der US-Dominanz in Europa und damit der Welt. So erklärt sich die Ablehnung der Trans­at­lan­tiker gegenüber Putin: Es geht um nichts weniger, als den Welt­macht­an­spruch der USA.
Ein anderes inter­es­santes Thema ist der Kon­flikt zwi­schen den USA und der Türkei. Erdogan besitzt als Nato-Mit­glied doch tat­sächlich die Frechheit, eine eigen­ständige Politik machen zu wollen. Man muss diese Politik Erdogans nicht gut finden und ich kri­ti­siere sie immer wieder, aber es geht zunächst einmal nur darum, dass Erdogan dem Imperium USA gegenüber unge­horsam ist. Eine Analyse von Erdogans Politik und die Gründe, warum er sich Putin so ange­nähert hat, finden Sie hier.
Die aktu­ellen Streit­punkte zwi­schen der Türkei und den USA betreffen unter anderem Syrien und den Kauf des rus­si­schen Flug­ab­wehr­systems S‑400. Erdogan war gerade in Washington und hat mit Trump gesprochen. Es war laut deut­schen Medi­en­be­richten ein fast har­mo­ni­sches Treffen der beiden Buh­männer der deut­schen Presse. Aber ganz so war es nicht.
Trump hatte Erdogan vor kurzem einen Brief geschrieben, in dem er Erdogan auf­for­derte, mit den Kurden zu ver­handeln und „kein Idiot“ zu sein. Erdogan hat Trump den Brief in Washington zurück­ge­geben und vor der Presse dazu gesagt:
„Ich habe diese Briefe heute dem Prä­si­denten zurück­ge­geben. Besonders betrübt hat mich der Brief, in dem es heißt, dass der Ter­rorist Abdi Shaheen (Kurden-Kom­mandeur Mazlum Kobani) Gesprächs­partner eines Landes wie Amerika ist. Der soge­nannte Abdi Shaheen ist ein Ter­rorist, der für den Tod von Hun­derten unserer Bürger ver­ant­wortlich ist.“
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Har­monie klingt für mich anders.
Der Streit­punkt S‑400 ist auch nicht gelöst worden, man hat das Thema Arbeits­gruppen über­tragen. Die USA fordern von der Türkei, das rus­sische System, das bereits aus­ge­liefert und bezahlt ist, nicht in Betrieb zu nehmen, sondern statt­dessen die älteren und schlech­teren, dafür aber teu­reren Patriot-Raketen der USA kaufen. Erdogan hat das ein wei­teres Mal abge­lehnt. Die S‑400 sollen Anfang 2020 in Betrieb gehen. Erdogan sagte dazu:
„Wir sagten den USA, dass wir die Patriots kaufen würden, wenn die Kon­di­tionen stimmen. Aber wir glauben, dass es kate­go­risch falsch ist, von uns zu fordern, die S‑400 auf­zu­geben. Es kann nicht die Rede davon sein, die S‑400 zugunsten der Patriots aufzugeben.“
Man sieht: Es geht nur um Geld. Das rus­sische System ist nach Experten-Angaben besser als die Patriot-Raketen. Aber anstatt dieses System zu unter­stützen, fordern die USA, dass die Türken gefäl­ligst ihre Waffen in den USA kaufen.
Ein wei­terer Beleg dafür, dass es bei all dem Gerede von Sicherheit nur um Geld geht, sind die For­de­rungen an Staaten wie Deutschland, Japan und Süd­korea, noch mehr für die Sta­tio­nierung der US-Truppen in ihren Ländern zu bezahlen. Das ist Kolo­ni­alstil, wenn die Kolo­ni­al­macht von den Vasallen Bezahlung für den Unterhalt der Besat­zungs­truppen fordert. Natürlich finden die USA dafür andere For­mu­lie­rungen, es geht demnach darum, dass die USA sich unter größten Opfern bereit erklären, die Sicherheit dieser Länder zu gewähr­leisten. Zumindest im Falle von Deutschland und Japan, wo zusam­men­ge­nommen ca. 90.000 US-Sol­daten sta­tio­niert sind, fällt mir aber beim besten Willen kein Land ein, vor dem die beiden besetzten Länder geschützt werden müssten.
Während die Besat­zungs­kosten in Deutschland so zwi­schen Bund, Ländern und Kom­munen auf­ge­teilt sind, dass die Regierung auf Nach­frage nicht einmal die Höhe der Summe nennen kann, die Deutschland für den Unterhalt aus­län­di­scher Truppen bezahlt, sind die Dis­kus­sionen in Süd­korea und Japan offener.
In Spdkorea stehen knapp 30.000 US-Sol­daten und 2019 haben die USA die Betei­ligung Süd­koreas an den Kosten um über 8 Prozent auf 915 Mil­lionen Dollar erhöht und sie fordern eine weitere Erhöhung für die nächsten Jahre. Am 18. und 19. November finden Gespräche statt, die Pres­se­er­klä­rungen aus Süd­korea zeigen aber, dass man dort wenig Lust hat, noch mehr zu bezahlen.
Auch in Japan wird das Thema kon­trovers dis­ku­tiert. Auch dort wird nämlich derzeit über die Kosten der Trup­pen­sta­tio­nierung ver­handelt. Aktuell zahlt Japan 1,8 Mil­li­arden jährlich für die Ehre, 54.000 US-Sol­daten in seinem Land beher­bergen zu dürfen. Die USA wollen im neuen Vertrag durch­drücken, dass diese Kosten auf das Vier­fache, also 8 Mil­li­arden, ansteigen.
Sagte ich schon, dass den USA bei all den Dingen nicht um Sicherheit oder reale Bedro­hungen geht, sondern nur um´s Geld?
In der EU regt sich auch zarter Wider­stand gegen die US-geführte Nato. Macron hat mit einem Interview für Schlag­zeilen gesorgt, in dem er die Nato als „hirntot“ bezeichnet hat. Macron plä­diert dafür, dass die EU sich von der Nato unab­hängig machen und eine eigene Ver­tei­di­gungs­stra­tegie und Armee bilden sollte.
Und auch in der Tschechei regt sich Wider­stand. Der dortige Minis­ter­prä­sident hat sich Macrons Sicht ange­schlossen und möchte sogar die Nato-Ver­träge ändern:
„Es ist not­wendig, dass die euro­päi­schen Nato-Mit­glied­staaten sagen, dass es viel­leicht an der Zeit ist, über den Vertrag zu sprechen, der vor 70 Jahren unter­zeichnet wurde.“
Die USA werden sich zu wehren wissen, an diesem Wochenende gab es in der Tschechei eine Mas­sen­de­mons­tration gegen den Minis­ter­prä­si­denten. Wie jede andere Kolo­ni­al­macht werden die USA das Feld nicht kampflos räumen und ihre kolo­niale Beute nicht einfach freigeben.
Und so werden wir wei­terhin in den Medien Lob­lieder über die Nato und den Hort der Freiheit, die USA, lesen und wei­terhin lernen, dass das Land, das sich für die euro­päische Sou­ve­rä­nität ein­setzt, der Böse­wicht ist. 

Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“