Dumme Deutsche? Unsere Geld­an­lagen im Ausland erwirt­schaften nur wenig Rendite

Wir Deut­schen freuen uns ja immer, wenn wir mit irgendwas Welt­meister sind. Hier ist ein neues Sie­ger­treppchen: Wir sind Welt­meister im „Kapi­tal­export“. Nicht nur in Höhe von fast einer Billion durch die Target2-Salden. Da haben wir eben dauernd fröhlich in die anderen EU-Länder geliefert ohne bisher Geld dafür zu sehen. Das ist zwar auch eine Art Kapi­tal­export, aber wir reden hier von dem drei­fachen Volumen, nämlich von deut­schen Geld­an­lagen und Inves­ti­tionen im Ausland. Ob aus Dummheit oder Nai­vität – was fast das­selbe ist — haben wir Deutsche durch schlecht ange­legtes Geld etwa 3 Bil­lionen Euro ver­geigt. Das sagt jeden­falls der Bonner Ökonom Schularick.

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Jedes Jahr wandern über 200 Mil­li­arden deutsche Euro ins Ausland. In den letzten 10 Jahren hat Deutschland 2,7 Bil­lionen Erspar­nisse expor­tiert und anderswo die Wirt­schaft ange­kurbelt. Das sind etwa 70% des deut­schen BIP.
Deutsche Pri­vat­haus­halte, deutsche Banken, Firmen, Fonds, Profi-Anla­ge­be­rater – sie alle sind aber offenbar nicht gerade die Gewief­testen. Denn die Deut­schen schneiden beim Know-How der Inves­ti­tionen im welt­weiten Ver­gleich zu den Ren­diten, die andere Länder erzielen, ganz besonders mau ab, was ihnen den Spott­namen „dummes deut­sches Geld“ (Stupid German Money) beschert hat. Das fand sogar schon Eingang in die Filmwelt. In dem Finanz­thriller „The Big Short“ gibt es eine Schlüs­sel­szene, wie ein Manager der Deut­schen Bank an der Wall Street Finanz­pro­dukte ver­kauft, mit denen man angeblich von der Sub­prime-Krise 2007/2008 noch pro­fi­tieren kann. Als ihn Kol­legen fragen, wer denn so blöd ist, solchen Schrott zu kaufen, sagt er „Düs­seldorf“. Das ist gar nicht mal frei aus der dünnen Luft gegriffen. Die Düs­sel­dorfer IKB Bank hatte sich tat­sächlich am US-Hypo­the­ken­markt total ver­zockt und musste gerettet werden.
Prof. Dr. Moritz Schul­arick, Pro­fessor an der Bonn Gra­duate School of Eco­nomics ist Dozent für Makro­öko­nomik und Öko­no­metrie. Zusammen mit den Wis­sen­schaftlern Fran­ziska Hün­nekes und Chris­topher Tre­besch erar­beitete er eine Studie zu den Fragen, inwieweit sich die mas­siven Kapi­tal­an­lagen in anderen Ländern für die deut­schen Anleger aus­zahlen, welche Rolle diese Geld­an­lagen dort spielen und wie die deut­schen Aus­lands­in­ves­ti­tionen makro­öko­no­misch bewertet werden müssen.
Eine der ersten Erkennt­nisse ist, dass die Deut­schen deutlich nied­rigere Erträge mit ihrem Aus­lands­ver­mögen erzielen als Anleger anderer Länder im Ausland. Deutschland als Exportland habe zwar schon immer einen relativ hohen Berg an For­de­rungen gegenüber den impor­tie­renden Ländern vor sich her geschoben. Doch die Kapi­tal­an­lagen der Pri­vat­haus­halte, Inves­ti­tionen von Fonds und Banken sowie Unter­nehmen im Ausland seien in den letzten zehn Jahren signi­fikant ange­stiegen – und hierbei geht es ja nicht um ein mehr oder weniger unfrei­wil­liges Warten auf die Bezahlung von gelie­ferten Gütern, sondern um Ren­di­te­pro­jekte. Und dies­be­züglich, so die Studie, sehe es eher düster aus.
Die FAZ berichtet: „Die Summen, um die es geht, sind beträchtlich“, sagte er [Schul­arick]. So hätten die Aus­lands­for­de­rungen des bri­ti­schen König­reichs in seiner Blüte im Jahr 1913 – stolze 150 Prozent im Ver­hältnis zur Wirt­schafts­leistung – deutlich unter jenen 250 Prozent gelegen, auf die Deutschland derzeit kommt. Vor allem aber die Ren­ta­bi­lität der For­de­rungen sei Grund zur Besorgnis. Seit dem Jahr 1975 kommen deutsche Anleger nach Zahlen des Bonner Öko­nomen auf Nomi­nal­ren­diten nach Steuern von weniger als 5 Prozent; nur Finnland steht in seinem Indus­trie­län­der­ver­gleich noch schlechter da.
Das „Ranking“ im Ren­di­te­ver­gleich zeigt in der Tat gewaltige Unter­schiede. Spit­zen­reiter im Rendite-Erzielen sind die USA – mehr als das Dop­pelte der Deut­schen. Deutschland ist das Schluss­licht unter den G7-Ländern. Ein dünn besie­deltes Land mit wenig Industrie wie Finnland, kann von seiner Industrie und Gesell­schafts­struktur nur bedingt mit Deutschland ver­glichen werden. Nor­wegen ande­rer­seits schneidet trotzdem noch besser ab als die Deutschen.

Rechnet man einmal nach, was den Deut­schen Anlegern ent­gangen ist, so lässt sich fest­stellen: Hätten die Deut­schen zwi­schen 2009 und 2017 in die­selben Finanz­pro­dukte inves­tiert wie Kanada und die USA, wäre sie um mehr als drei Bil­lionen Euro reicher. Das bedeutet pro Kopf um die 30.000 Euro mehr Ver­mögen. Im Ver­gleich: Die Staats­schulden der Bun­des­re­publik Deutschland betragen zwei Bil­lionen Euro.
Ein Ame­ri­kaner, der im Jahr 1975 an den glo­balen Kapi­tal­märkten einen Dollar inves­tiert hat, konnte 2017 zufrieden auf das ca. 50-fache an Ver­mögen blicken. Die deutsche Anla­ge­stra­tegie erbrachte dagegen nur das Sie­ben­fache, errechnet die Studie. Während Ame­ri­kaner und Kanadier aus 100$ ganze 6.000$ gemacht haben, erzielte der Deutsche nur 700$.
Das ist eine ganze Menge. Woran liegt es? Sind die Deut­schen wirklich dumm?
Nach den Erkennt­nissen der Studie machen die hohen Target2-Saldi nur 10 Prozent der deut­schen Aus­lands­gut­haben aus. Sie seien nicht in der Lage, die Gesamt­rendite auf unter die Hälfte zu schmälern.
Statt­dessen seien Wert­ver­luste ein großer Teil der Erklärung. In den meisten Jahren seit den 1970ern sta­gnierte oder sank der Wert des deut­schen Anla­ge­port­folios, während die Port­folien anderer Länder ten­den­ziell Wert­stei­ge­rungen hatten. Die nied­rigen Ren­diten seien wohl auch ein Ergebnis sehr kon­ser­va­tiver Anla­ge­stra­tegien, das bevor­zugte Mittel seien bei Deut­schen die weniger ris­kanten Finanz­pro­dukte. Auch heute, in der Zeit der Minus­zinsen oder Null­zinsen auf Erspartes, lässt der Deutsche ja nicht vom guten, alten Sparbuch.
Den gewich­tigsten Grund macht die Studie aber darin aus, dass die Ren­diten in Deutschland quer durch alle Anla­ge­klassen nied­riger aus­fallen. Das ergibt sich aus Ver­gleichen von Deut­schen Ren­diten mit denen im Ausland in den­selben Anla­ge­klassen. Das zeige sich besonders bei Aktien und Inves­ti­tionen in Unter­nehmen. Hier spielt ein deut­scher Hang zum Sicher­heits­be­dürfnis keine gewichtige Rolle.
Und noch etwas för­derte die Studie zutage: Hätten die deut­schen Anleger im Inland inves­tiert, hätten sie mit den US-Ame­ri­kanern, Kana­diern und Briten fast gleich gezogen:
„Dies ist eine ent­schei­dende Erkenntnis für die poli­tische Debatte über die Vorzüge von Inves­ti­tionen im Inland und im Ausland. Im letzten Jahr­zehnt war der Unter­schied besonders aus­ge­prägt: Inves­ti­tionen im Inland in deutsche Anleihen, Aktien und Immo­bilien ren­tierten durch­schnittlich rund 4 Pro­zent­punkte mehr als Aus­lands­in­ves­ti­tionen. Das bedeutet: Aus­ge­rechnet in dem Jahr­zehnt, in dem die deut­schen Kapi­tal­ex­porte in die Höhe schnellen, hätten die bes­seren Ren­diten im Inland erzielt werden können.“
Der Spottname des „dummen deut­schen Geldes“ ist also nicht so ganz falsch. Nicht nur, dass die deut­schen Ren­diten im Ausland in allen Anla­ge­klassen nied­riger sind als die anderer Länder. Darüber hinaus fallen diese Aus­lands­er­träge auch noch deutlich nied­riger aus als die inlän­di­schen Renditen.