co2 am Himmel? - Photo By: Zappys Technology Solutions - https://www.flickr.com/photos/102642344@N02/ - CC BY 2.0

Ablass­handel Kli­ma­wandel – von Bet­tel­mönchen und Ablassverkäufern

Um es gleich vorweg zu sagen: ich bin weder das eine noch das andere. Zum Bet­tel­mönch fehlt es mir an Glauben, für den Ablass­handel an Skru­pel­lo­sigkeit und Geschäftssinn. Ich bin ein Fan der Ver­nunft und diese findet im Denken eines Franz von Assisi viel eher Anknüp­fungs­punkte als im Ablass­handel spä­terer Tage.
Fran­ziskus for­derte Armut und Nächs­ten­liebe nicht von anderen, sondern lebte sie selbst vor. Nun kann man die Fröm­migkeit des 13. Jahr­hun­derts nicht ohne Brüche ins 21. Jahr­hundert über­tragen, aber es fällt schon auf, dass per­sön­liches Bei­spiel und Katharsis den Wan­der­pre­digern heute nicht mehr selbst­ver­ständlich sind. Die Dif­ferenz zwi­schen dem, was ehemals als mora­lisch erwünscht galt und der Lebens­wirk­lichkeit wurde schließlich zur uner­schöpf­lichen Quelle der Berei­cherung für die katho­lische Kirche, ange­trieben vom öffentlich bestärkten schlechten Gewissen (Pre­digten). Die Kli­ma­retter stehen heute vor dem­selben Dilemma. Das kuriose Ergebnis war und ist, dass mit der „Tugend” zwar schwunghaft (Ablass)Handel getrieben wurde und wird, ohne dass sich deren Prin­zipien als Vor­sor­ge­ge­danke (sündige nicht, spare Geld) in irgend­einer Weise in der Praxis durchsetzten.
Es ging der katho­li­schen Kirche wie der­einst dem deut­schen Staat, der zwar die Tabak­steuer erhöht, angeblich um die Gesundheit der Bürger zu ver­bessern, aber nie so stark auf einmal anhob, dass die Leute ganz mit dem Rauchen auf­hörten („Aus­weich­ver­halten ver­meiden“ nannte das Gesund­heits­mi­nis­terin Ulla Schmidt) – selbst wenn dies zwei­fellos für die Gesundheit jedes Rau­chers das beste gewesen wäre: man möchte nur ungern auf die Ein­nahmen ver­zichten. (Ich erlaube mir den abschwei­fenden Ein­schub, dass die katho­lische Kirche heute zumindest einen ansehn­lichen Petersdom vor­weisen kann, während die deutsche Tabak­steuer weder die Gesundheit noch das Gesund­heits­system auf­richten konnte.)
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Das CO2-Fege­feuer und der Ablasshandel
Die Kli­ma­ak­ti­visten mögen es über­haupt nicht, wenn man die Geschäfts­prak­tiken der ihnen nahe­ste­henden Label und Zer­ti­fikate mit dem mit­tel­al­ter­lichen Ablass­handel ver­gleicht. Doch leider ist das Prinzip das­selbe. Denn a) sind Kli­ma­zer­ti­fikate wie die Ablass­briefe uner­schöpflich, b) ist ihre Wirk­samkeit nicht zu über­prüfen, c) kann man sie auf Vorrat kaufen und d) reagieren die aus­ge­benden Stellen geradezu aggressiv, wenn jemand die Praxis dieses „Tausch­handels“ kri­tisch hin­ter­fragt. Schließlich noch e) – ein Ablass­brief ver­hin­derte „Sünden“ ebenso wenig wie ein CO2-Zer­ti­fikat auch nur ein ein­ziges Molekül Koh­len­dioxid von der Luft fern hält.
Bestimmte im Mit­tel­alter die „Sünde“ die Länge des Auf­ent­halts im von der Kirche erfun­denen „Fege­feuer“, ent­scheidet heute die „Kli­ma­neu­tra­lität“, ob man direkt über „Los“ ins Paradies kommt. Zahl­reiche Anbieter gibt es auf dem Markt des „CO2-Aus­gleichs“, wie diese moderne Form des Ablass­handels genannt wird. Dabei ist der Deal immer der­selbe: man „sündigt“ so, wie man das schon immer getan hat und zahlt für dieses Tun einen „Aus­gleich“ – im fol­genden Bei­spiel sind es 2% des Auf­trags­wertes – und erhält dafür ein Zer­ti­fikat, dass man sich zum Bei­spiel aus­drucken kann, um es (in nicht allzu ferner Zukunft) auf Ver­langen vor­zeigen zu können oder für ein gutes Gewissen unter das Kopf­kissen zu legen. Was für die einen wie ein Ausweis kli­ma­ti­schen Wohl­ver­haltens aus­sieht, ist für den anderen eine Gau­ner­zinke die besagt, dass hier schon jemand anderer abge­zockt hat. Man bezahlt schließlich immer nur einmal Schutzgeld. Das Kli­ma­zer­ti­fikat ist somit auch eine Ver­si­che­rungs­police gegen künftige Vor­würfe mora­li­schen Fehlverhaltens.
Das Geld für das Zer­ti­fikat wird nun (nach Abzug einiger Kosten) an Pro­jekte wei­ter­ge­reicht, die von so bestür­zender Reinheit und Gran­dezza sind, dass niemand mehr wissen möchte, wo genau denn dort das CO2 ein­ge­spart wird, dass man hier selbst nicht ein­sparen musste. Das Geld hat sich auf dem Weg von euro­päi­schen Konten nach Afrika oder Indien gewis­ser­maßen ver­wandelt. Es ist, mora­lisch von CO2 gereinigt, zu gött­lichem Manna geworden, mit dessen Hilfe die erste Welt die dritte Welt an den Seg­nungen der Zivi­li­sation teil­haben lässt. Dieses Prinzip kennen wir aus der klas­si­schen Ent­wick­lungs­hilfe, nur dass dank CO2 das ganze Jahr über Weih­nachten ist und die Spen­den­be­reit­schaft durch den Klima-Ablass­handel und per­ma­nenten Kli­ma­not­stand befeuert und insti­tu­tio­na­li­siert wurde. Oder um den alten Tetzel-Spruch etwas auf­zu­bügeln: Wo Träne von der Wange rinnt, der Euro in die Kasse springt.
Bei­spiel: Kli­ma­neutral drucken
Wenn Sie nach außen hin klar über Ihre Kli­ma­schutz­stra­tegie sprechen, werten Sie Ihre Marke als ver­ant­wor­tungsvoll auf. Dafür geben wir Ihnen Material wie Text­bau­steine und Bilder oder auch wis­sen­schaft­liches Hin­ter­grund­wissen an die Hand, damit Sie sich glaubhaft für den Kli­ma­schutz posi­tio­nieren können.“
So steht es geschrieben in den Kom­mu­ni­ka­ti­ons­leis­tungen von Cli­ma­te­Partner, dem nach eigenen Angaben Markt­führer für CO2-Aus­gleichs­zah­lungen im deutsch­spra­chigen Raum. Viele Dru­cke­reien bieten mitt­ler­weile an, Druck­auf­träge „kli­ma­neutral“ über Cli­ma­te­Partner abzu­wi­ckeln. Für die Kunden ändert sich dabei nichts, für die Druck­technik ebenso wenig. Weder werden die Druck­farben bei Mond­licht aus Spinat oder Rote Beete gewonnen noch wird das Papier von Bioland-Elfen hand­ge­schöpft. Auch das End­ergebnis rollt nicht auf dem E‑Bike sondern wie gewöhnlich im Diesel-Trans­porter zu ihnen – nur der Preis, der ist besagte 2% höher.
Mit unserer cloud­ba­sierten Lösung, dem Foot­print Manager, können Sie auf Kun­den­wunsch die CO2-Emis­sionen Ihrer Druck­auf­träge prag­ma­tisch und schnell berechnen. Die Emis­sionen gleichen Ihre Kunden durch die Unter­stützung eines Kli­ma­schutz­pro­jektes aus. Für jeden kli­ma­neu­tralen Auftrag erhalten Sie zur Kenn­zeichnung des Druck­pro­dukts das Cli­ma­te­Partner-Label mit ID-Nummer.“
Das ist in der Tat ein Fort­schritt – eine ein­deutige Ident-Nummer hatten die Ablass­briefe damals nicht! Nächster Schritt wäre – und ich bin sicher, daran wird bereits gear­beitet – die Zer­ti­fikate fäl­schungs­sicher in der Block­chain abzu­spei­chern. Dem steht wohl nur die Ener­gie­in­ten­sität im Wege, die man ja auch wieder irgendwie „aus­gleichen“ müsste. Aber „cloud­ba­siert” ist ja ener­ge­tisch auch schon eher nur so mittelprächtig.
Die gute Tat, die mit dem Klima-Ablass­handel finan­ziert wird, kann man sich dann aus­suchen. Noch bequemer in den Himmel kommt man, wenn man gleich Ablass für die Benutzung eines Trans­port­mittels, eine Ver­an­staltung oder pau­schal für das Aus­stoßen einer bestimmten Menge CO2 erhalten will. Auch auf Vorrat, ver­steht sich! Im CO2-Rechner von Cli­ma­te­Partner kann man zum Bei­spiel erfahren, wie kli­ma­schädlich Fußball ist. Kein Witz! Klicken Sie im Rechner auf den Punkt „Event“ und geben dort die Werte eines Spiels in der Arena auf Schalke ein. Aus­ver­kauftes Haus (54.000), lokale Anreise (wer von weiter her oder mit dem Auto anreist, muss selbst Ablass erwerben), wir stellen keine Mahl­zeiten und Über­nach­tungen gibt’s auch keine. Einfach nur das Stadion und dort kommen 54.000 Men­schen zu einem „Event“ zusammen. Klicken Sie nun auf „Zum Warenkorb hin­zu­fügen“ und schon sehen Sie, dass für 175 Tonnen CO2 Ablass nötig ist. Ein wei­terer Klick auf „Kli­ma­projekt“ bringt die Auswahl, ob die fäl­ligen 3.135 Euro in eine Kera­mik­werk­statt in Bra­silien, den Wald­schutz in Kenia oder Was­ser­kraft in Indo­nesien fließen sollen – letz­teres ist etwas preis­werter zu haben. Noch schnell Kon­takt­daten angeben und Zah­lungsart wählen. Cli­ma­te­Partner akzep­tiert auch Visa.