Hans / Pixabay

“Nato ist hirntot” — Das rus­sische Fern­sehen über Macrons Interview im Economist

Das Auf­sehen erre­gende Interview Macrons mit dem Eco­nomist war am Sonntag auch noch einmal Thema in der rus­si­schen Sendung „Nach­trichten der Woche“. 
Auch wenn ich über das Interview schon berichtet habe, ist die Reak­tionen des rus­si­schen Kom­men­tators darauf durchaus inter­essant. Daher habe ich den kurzen Beitrag des rus­si­schen Fern­sehens übersetzt.
Beginn der Übersetzung:
Das bri­tische Magazin The Eco­nomist ver­öf­fent­lichte ein Interview mit Prä­sident Emmanuel Macron, das auf beiden Seiten des Atlantiks für eine Flut von Kom­men­taren gesorgt hat. Macrons schil­lerndstes Zitat ist die Dia­gnose des Hirntods der Nato. Und Macron hat nicht nur einen impul­siven Tweet geschrieben, sondern den Briten seine Idee erklärt. Während sich die NATO und Europa um Geld und Märkte kümmern, haben sie eine gemeinsame Idee und ein gemein­sames Ziel verloren.
„Der Markt ist keine Gemein­schaft. Die Gemein­schaft ist etwas stär­keres: Sie impli­ziert Ele­mente der Soli­da­rität, eine gewisse Einheit, die wir ver­loren haben, und poli­ti­sches Denken“, sagte Macron.
Amerika hat Europa nur gemolken und immer mehr Geld für seine Waffen gefordert und sich ansonsten von der Alten Welt abgewendet.
„Dies ist das erste Mal, dass wir es mit einen Prä­si­denten der Ver­ei­nigten Staaten zu tun haben, der unsere Vor­stellung von einem euro­päi­schen Projekt nicht teilt und mit einer ame­ri­ka­ni­schen Politik, die im Wider­spruch zu diesem Projekt steht. Die Folgen sehen wir jetzt in Syrien: der Garant der letzten Instanz, der Schutz­schild, der Europa stärker gemacht hat, hält die bis­he­rigen Bezie­hungen zu Europa nicht mehr auf­recht“, sagte Macron.
Hier bestellen!

Europa selbst befindet sich in einer bei­spiel­losen Krise. „In Europa gibt es eine Spaltung zwi­schen dem Norden und dem Süden in wirt­schaft­lichen Fragen, sowie zwi­schen Ost und West in Migra­ti­ons­fragen, was zu einem Anstieg des Popu­lismus in ganz Europa geführt hat. Diese beiden Krisen, Wirt­schaft und Migration, haben der Mit­tel­schicht einen besonders schweren Schlag ver­setzt. Wenn wir nicht auf­wachen, werden wir einem erheb­lichen Risiko aus­ge­setzt sein, dass wir auf lange Sicht einfach geo­po­li­tisch ver­schwinden oder zumindest auf­hören, Herr unseres eigenen Schicksals zu sein. Davon bin ich zutiefst über­zeugt“, sagte Macron.
Macron hat diese Vor­stellung vom Ende der Welt für Europa schon einmal zum Aus­druck gebracht, aber jetzt ist es Macrons zunehmend anhal­tendes Leit­motiv. Und vor kurzem sagte der fran­zö­sische Prä­sident, dass ein Bündnis mit Russland das ret­tende Element sein könnte. Nun, was soll ich sagen? Das sehen wir auch so. Aber Macrons Schwäche ist, dass er keinen Plan hat. Er weiß nicht, wie er sich dem Traum nähern kann und Ver­bündete hat er dabei nicht viele. Viel­leicht, weil er keinen Plan, sondern nur einen Traum hat? So oder so stellt Macron ohne zu zögern Diagnosen.
„Meiner Meinung nach kann das, was wir jetzt sehen, als Hirntod der NATO bezeichnet werden. Wir müssen ein nüch­ternes Ver­ständnis dessen bewahren, was geschieht. Es gibt keine Koor­di­nierung zwi­schen den Ver­ei­nigten Staaten und ihren NATO-Ver­bün­deten. Wir sehen unko­or­di­nierte, aggressive Aktionen eines anderen NATO-Ver­bün­deten, der Türkei, in dem Gebiet, in dem unsere Inter­essen auf dem Spiel stehen. Es gab keine Planung, keine Ver­ein­barung mit der NATO. Es gab nicht einmal einen Versuch seitens der NATO, diesen Kon­flikt zu lösen“, sagte der fran­zö­sische Präsident.
Macron hat Recht. Er wurde nicht gefragt. Und was ist mit anderen NATO-Mit­glieds­staaten, wenn die Ver­ei­nigten Staaten sich nicht einmal mit Frank­reich, der ein­zigen Atom­macht des Nord­at­lan­tik­blocks auf dem euro­päi­schen Kon­tinent, absprechen? Macron braucht einen Plan.
Ende der Übersetzung
Wenn Sie sich dafür inter­es­sieren, wie Russland auf die Fragen der inter­na­tio­nalen Politik blickt, dann sollten Sie sich die Beschreibung meines Buches ansehen, in dem ich Putin direkt und unge­kürzt in langen Zitaten zu Wort kommen lasse. In dem Buch kann man deutlich sehen, dass genau das seit 20 Jahren auch das Ziel von Putins Außen­po­litik ist: Ein enges Zusam­men­gehen von Russland und der EU, wovon beide Seiten glei­cher­maßen pro­fi­tieren würden. 

Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“