Vom Frau­en­ge­sangs­verein zum Schüt­zen­verein: Olaf Scholz will „nicht gemischte“ Vereine abstrafen

Einen Verein darf jeder gründen, wenn er genug Grün­dungs­mit­glieder bei­sammen hat. Da kann der Staat nicht hin­ein­reden. Aber er kann die so genannte „Gemein­nüt­zigkeit“ nicht aner­kennen. Solche gemein­nüt­zigen Vereine haben, so sie aner­kannt sind, gewisse steu­er­liche Vor­teile, die die Beschaffung von Geldern für ihre Ziele und Ver­eins­zwecke enorm erleichtern: Die Spender von Geld­be­trägen können diese Spenden von der Steuer absetzen. Und sie müssen keine Gewerbe- und Kör­per­schaft­steuern bezahlen. Darüber hinaus gilt für gemein­nützige Vereine in vielen Bereichen ein Umsatz­steu­ersatz von nur 7% statt der üblichen 19%. Das alles zusammen ermög­licht den Ver­einen, mehr Spenden zu gene­rieren bei deutlich weniger Kosten.
Die Gemein­nüt­zigkeit muss beim Finanzamt bean­tragt werden. Die Steu­er­be­hörde prüft dann die Ziel­setzung des Vereins. Nach §52 Absatz 2 AO sind das bei­spiels­weise die För­derung des Tier­schutzes, von Forschung/Wissenschaft, des Natur­schutzes, von Bildung/Erziehung, von Kunst/Kultur, der Völ­ker­ver­stän­digung, des Sports und auch des tra­di­tio­nellen Brauchtums usw.
Die fol­genden Vor­aus­set­zungen müssen für die Aner­kennung als steu­er­be­güns­tigte Kör­per­schaft erfüllt sein:

  1. Die Kör­per­schaft muss gemein­nützige, mild­tätige oder kirch­liche Zwecke verfolgen.
  2. Der Zweck muss selbstlos, aus­schließlich und unmit­telbar ver­folgt werden.
  3. Alle Vor­aus­set­zungen der Steu­er­be­güns­tigung müssen aus der Satzung ersichtlich sein. Die Satzung muss auch die Art der Zweck­ver­wirk­li­chung angeben.
  4. Die Satzung muss eine Regelung ent­halten, dass das Ver­mögen der Kör­per­schaft bei Auf­lösung oder Wegfall der steu­er­be­güns­tigten Zwecke auch zukünftig für steu­er­be­güns­tigte Zwecke ver­wendet wird (sog. Anfallklausel).
  5. Die tat­säch­liche Geschäfts­führung muss der Satzung ent­sprechen (§ 59 Abgabenordnung).

Finanz­mi­nister Olaf Scholz möchte nun Ver­einen diese Gemein­nüt­zigkeit streichen, wenn diese ihr Angebot nur an Männer oder Frauen richtet. Die „Diversen“ hat er wohl offenbar ver­gessen. Schon mal Ein­hundert Minus­punkte für Minister Scholz wegen dieser gender-unge­rechten Exklusion.
Das bedeutet, dass zum Bei­spiel Frauen- oder Män­ner­ge­sangs­vereine, viele Schüt­zen­bru­der­schaften, Feu­er­wehr­vereine, Fuß­ball­vereine – auch Frau­en­fuß­ball­vereine —  ins­be­sondere his­to­rische Bruder- und Schwes­tern­schaften davon betroffen wären. Natürlich können sie die Auf­nahme anderer Geschlechter ablehnen, hätten dann aber mit finan­zi­ellen Pro­blemen zu kämpfen. Und wem sollte das über­haupt nutzen?
Der Wirt­schafts­staats­se­kretär Thomas Bareiß (CDU) sperrt sich gegen den Scholz‘schen Vereins-Ein­heitsbrei. Das sei ein „Angriff auf das Ehrenamt, die Freiheit und das Ver­eins­leben. Wir sollten froh sein über jeden, der sich für das Gemeinwohl enga­giert und sich in die Gesell­schaft ein­bringt.“ Es sei an der Zeit, dass die „Kan­di­da­tenkür der SPD ein Ende“ nehme, wet­terte der CDU-Mann.
Den Ein­druck, Scholz wolle hier eigentlich nur mit links­po­pu­lis­ti­schen Kraft­sprüchen innerhalb der Partei punkten, teilen viele. Der Schatz­meister des „Bundes der His­to­ri­schen Deut­schen Schüt­zen­bru­der­schaften e.V.“, Peter Olaf Hoffmann, gibt dem Vorstoß Scholzs wenig Chancen: „Ich glaube eher, dass die Nar­ren­kappe bis nach Berlin geflogen ist, weil man diesen alten Hut wieder her­vor­zaubert, der eigentlich längst ent­schieden ist. Aber Olaf Scholz will ja Vor­sit­zender der SPD werden. Da braucht er viel­leicht den einen oder anderen popu­lis­ti­schen Vorschlag.“
Der Spiegel meldete vor ein paar Tagen, Scholz ziele im Übrigen auch darauf ab, poli­ti­sches Enga­gement von Ver­einen via Entzug der Gemein­nüt­zigkeit zu bestrafen. Wahr­scheinlich hatten den Spiegel die Nach­richten ent­setzt, dass sowohl den linken Glo­ba­li­sie­rungs­kri­tikern „Attack“ als auch dem Kam­pang­nen­or­ga­ni­sator „Campact“ die Gemein­nüt­zigkeit ent­zogen wurde, gefolgt von einer Antifa-Ver­eins­or­ga­ni­sation „Bun­des­ver­ei­nigung der Ver­folgten des Nazi­re­gimes“ (VVN), unter dessen Mit­gliedern wohl kaum noch ein lebendes Opfer des Nazi­re­gimes weilt. Die Existenz sei bedroht, ließ die VVN wissen. Und die, die sich darüber freuen könne, sei die AfD:
„Der vom Finanzamt des Landes Berlin um seine Gemein­nüt­zigkeit gebrachte Verein VVN-BdA ist auch Träger des Bünd­nisses „Auf­stehen gegen Ras­sismus“, an dem DGB. Verdi, Grüne und andere beteiligt sind. Es macht seit 2016 bun­desweit auf lokaler und regio­naler Ebene Bil­dungs­arbeit gegen rechts. Aktuell mobi­li­siert es für Pro­teste gegen den Bun­des­par­teitag der rechts­ra­di­kalen ‚Alter­native für Deutschland‘ am 30. November in Braun­schweig. Bun­desweit wurden bisher 13 000 „Stammtischkämpfer*innen“ in Work­shops darin geschult, im Alltag ras­sis­tische Äuße­rungen zu kontern. Inwieweit diese Arbeit wei­ter­gehen kann, sei nicht abzu­sehen, sagte VVN-BdA-Bun­des­ge­schäfts­führer Thomas Willms der FR: ‚Wer sich jetzt freuen kann, ist die AfD.‘“
Das ist natürlich etwas, was auf gar keinen Fall pas­sieren darf, dass links­extre­mis­ti­schen Ver­einen die Gemein­nüt­zigkeit ent­zogen wird! Denn alles, was sich irgendwie „gegen Rechts“ posi­tio­niert, ist ja per se ganz groß­artig, egal, ob gewalt­tätig und im Ver­fas­sungs­schutz­be­richt als extre­mis­tisch auf­ge­führt – denn das war tat­sächlich der Grund für die Aberken­nungen. Das ist zwar vor­ge­schrieben, aber nach wilden Pro­testen von SPD, der Links­partei und allen mög­lichen links­extremen Ver­ei­ni­gungen erhielt die VVN dann doch wieder ihre Gemeinnützigkeit.
Bun­des­fi­nanz­mi­nister Scholz und seine Mannen, Frauen und Diversen bestritten vehement, dass Ver­einen wegen Enga­ge­ments in der Tages­po­litik die Gemein­nüt­zigkeit ent­zogen werden sollte. Just das Gegenteil sei der Fall, ließ das Minis­terium ver­lauten. Der Spiegel habe da (mal wieder) eine Falsch­meldung her­aus­ge­geben. Der hatte aber aus dem Entwurf des Ministers Scholz zitiert:

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„Vereine würden ‚auch dann noch‘ steu­erlich begünstigt, ‚wenn eine gemein­nützige Tätigkeit mit poli­ti­schen Mitteln begleitet wird‘. Vereine dürfen sich also auch künftig poli­tisch äußern, aber nur, wenn es ihrem Ver­eins­zweck dient. Die Absicht, poli­tische Par­teien oder die staat­liche Wil­lens­bildung zu beein­flussen, müsse dabei ‚weit in den Hin­tergrun‘ treten. Der Grü­nen­po­li­tiker und ehe­malige Finanzchef von Attac, Sven Giegold, kri­ti­siert die geplante Änderung. ‚Ein Kar­ne­vals­verein, der sich gegen einen Nazi­auf­marsch engagiert .‘“
Ja, und sowas, das darf ja um Got­tes­willen gar nicht sein! Wogegen umge­kehrt ein Kar­ne­vals­verein, der sich gegen Antifa-Gewalt und Zer­störung enga­giert, wahr­scheinlich ziemlich üble Schi­kanen erfahren würde.
Wie dem auch sei, das Bun­des­fi­nanz­mi­nis­terium stellt das alles richtig. Mit der geplanten Ver­eins­rechts­reform solle genau das Gegenteil des vom Spiegel behaup­teten erreicht werden. Die Tätigkeit eines Ver­eines soll ja gerade von poli­ti­schem Enga­gement begleitet werden, ohne dass dies negative Aus­wir­kungen auf Gemein­nüt­zigkeit und Steu­er­be­güns­ti­gungen bewirkt. Der zitierte Kar­ne­vals­verein solle ja gerade sicher sein können, kei­nes­falls abge­straft zu werden, wenn der sich gegen einen Auf­marsch ver­fas­sungs­feind­licher Kräfte enga­giert. Welche selbst­ver­ständlich aus­schließlich rechts zu finden sind, und sollte mal eine linke, ver­fas­sungs­feind­licher Orga­ni­sation aus Ver­sehen erwischt werden, wird das Finanzamt – wie geschehen – diese flugs wieder in ihre alten Rechte einsetzen.