Wahrscheinlich schon nächste Woche wird das Amtsenthebungsverfahren offiziell eröffnet, wenn der Kongress mit der Mehrheit der Demokraten für eine Anklageerhebung gegen Trump stimmt. Der Justizausschuss hat am Freitag dafür den Weg frei gemacht, indem er zwei Anklagepunkte gegen den US-Präsidenten beschlossen hat: Machtmissbrauch und Behinderung der Justiz.
Danach wird das Verfahren an den Senat übergeben, der dazu ebenfalls Anhörungen abhalten wird. Dort haben die Republikaner die Mehrheit und die werden sicher sowohl den Whistleblower vorladen, der das Verfahren angestoßen hat, als auch die Bidens. Schließlich sind der Grund, warum Trump Druck auf den ukrainischen Präsidenten ausgeübt haben soll, Korruptionsvorwürfe gegen Hunter Biden, Sohn des möglichen Präsidentschaftskandidaten der Demokraten, Joe Biden. Die Hintergründe finden Sie hier.
Wie lange die Anhörungen im Senat dauern werden, weiß niemand. Es könnte ganz schnell gehen und die republikanische Mehrheit stimmt dagegen und beendet den politischen Zirkus. Es kann aber auch lange dauern, wenn die Republikaner viel Belastendes über Biden und seine Machenschaften in der Ukraine finden. Dann könnte sich das Verfahren wie ein Kaugummi hinziehen und die Republikaner würden jede Kleinigkeit medial ausschlachten.
Trump selbst hat mitgeteilt, ihm sei es egal, wie lange das Verfahren dauert: „Ich habe nichts gegen einen langen Prozess, weil ich den Whistleblower sehen will, er ist ein Verräter. Mir ist beides recht, ein langes oder ein kurzes Verfahren.“
Da die deutschen Medienberichte über das Thema allgemein bekannt sind, habe ich einen Bericht des russischen Fernsehens über die aktuellen Ereignisse übersetzt.
Beginn der Übersetzung:
Donald Trump tut sich schwer, sich nicht von dem ablenken zu lassen, was im Kongress vor sich geht. Selbst die amerikanischen Medien meinen bereits, dass die Architekten des Amtsenthebungsverfahrens im Repräsentantenhaus übernachten. In der Präsidialverwaltung wurde die Entscheidung, beide Anklagepunkte zu genehmigen, als „lächerlicher Unsinn“ bezeichnet.
Diejenigen, die mit „Ja“ zu einem Amtsenthebungsverfahren gestimmt haben, waren in der Mehrheit. Innerhalb von fünf Minuten sind die Vorwürfe angenommen worden. Trump wird wegen Machtmissbrauchs und Behinderung der Justiz angeklagt.
Der historische Moment sollte schon gestern kommen. Aber die Anhörungen haben sich zu sehr in die Länge gezogen. Die Kongressabgeordneten blinzelten immer öfter, manche rümpften deutlich sichtbar die Nase. Der Vorsitzende meinte schließlich, man solle die Entscheidung über das Amtsenthebungsverfahrens überschlafen.
„Die Sitzung wird bis morgen um 10.00 Uhr unterbrochen, danach wird jeder von uns die Möglichkeit haben, für oder gegen jeden der Artikel des Amtsenthebungsverfahrens zu stimmen“, sagte Gerald Nadler, Vorsitzender des Justizausschusses im Kongress des Repräsentantenhauses.
„Sie verstoßen gegen die Regeln, Sie haben beschlossen, sich nicht mit dem stellvertretenden Vorsitzenden des Ausschusses zu einem so wichtigen Thema zu beraten! Das ist alles eine Parodie eines Gerichts, das ist es, was ich denke! Es sieht aus wie Stalinismus, wie bei einem Diktator!“, sagte Chris Collins, ein republikanisches Mitglied des US-Repräsentantenhauses.
Stalinist und Diktator, weil er die Pläne seiner Kollegen durchkreuzt hat. Am Freitag wollten die Kongressabgeordneten Washington in aller Stille für das Wochenende verlassen. Aber das Amtsenthebungsverfahren ist bereits zu einer TV-Show geworden.
„Sie wollen die Übertragung morgen wieder aufnehmen, es ist jetzt nach 23 Uhr und es schauen nur noch wenige Menschen zu“, sagte Collins.
Als der Kongress auseinander ging, schlief die Hauptstadt schon lange. Auf den leeren Straßen warteten manche lange auf ein Taxi.
Es ist 23:15 Uhr in Washington, D.C. und das Gebäude, in dem die Anhörungen stattfinden, ist immer noch beleuchtet. Kongressabgeordnete diskutieren seit mehr als 14 Stunden über die Artikel des Amtsenthebungsverfahrens.
Also protestierten die Republikaner. Sie haben es fast geschafft, die Anhörungen unendlich in die Länge zu ziehen. Es wurden fünf Änderungsanträge eingereicht. Und nach den Regeln hatte jedes der 40 Mitglieder des Ausschusses jeweils 5 Minuten Zeit, um darüber zu sprechen. Und jeder nutzte sein Recht voll aus.
„Hunter Biden und „Burisma“, das ist die interessante Geschichte. Sein Gehalt betrug 86.000 Dollar pro Monat, obwohl er keinerlei Erfahrung hatte. Er arbeitete für ein fremdes Land, obwohl sein Vater Vizepräsident der Vereinigten Staaten war. Gibt es hier jemanden, der das in Ordnung findet?“, fragte Matt Gates, ein republikanisches Mitglied des US-Repräsentantenhauses.
Die gleiche Frage hat auch Trump gestellt, als er Selensky überzeugte, eine Untersuchung der Korruptionsfälle des ehemaligen Vizepräsidenten einzuleiten.
Die Demokraten stellen die Geschichte in einem anderen Licht dar. Einer der Kongressabgeordneten machte sich Notizen über die Mitschrift des Gesprächs. Der Satz „Herr Präsident, ich bitte Sie, uns einen Gefallen zu tun“ wird so interpretiert: Trump bittet die Ukrainer, ihm im Gegenzug für militärische Hilfe bei seinem Wahlkampf zu helfen. Es gab auch eine Erklärung dafür, warum Selensky sagte, Trump habe ihn nicht unter Druck gesetzt.
„Natürlich hat er erklärt, dass er nicht unter Druck gesetzt wurde. An seinen Kopf wurde eine Pistole gehalten, der Präsidenten der Vereinigten Staaten, war diese Pistole, von der Selensky abhängig war, weil er auf die militärischer Hilfe angewiesen war“, sagte Gerald Nadler, Vorsitzender des Justizausschusses des Repräsentantenhauses.
Die Republikaner schlugen Änderungen vor, die Demokraten lehnten mit Mehrheit ab. 40 Personen, die bis spät in die Nacht saßen, verpassten den Kongressball im Weißen Haus, wo Trump die Gelegenheit nicht verpasste, mit seinen Erfolgen zu prahlen: „Dieser Monat in Washington war sehr aufregend. So viele gab es davon nicht. Ich sage es mal so: Wir sind in der besten wirtschaftlichen Lage in der Geschichte des Landes.“
Trumps Anwälte stellen bereits ihre Verteidigungslinie mit der republikanischen Mehrheit des Senats auf, wo das Amtsenthebungsverfahren wahrscheinlich landet. Das von den Demokraten kontrollierte Repräsentantenhaus könnte bereits nächste Woche für ein Amtsenthebungsverfahren stimmen.
Ende der Übersetzung
Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Osteuropa in verschiedenen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet, bevor er sich entschloss, sich als unabhängiger Unternehmensberater in seiner Wahlheimat St. Petersburg niederzulassen. Er lebt insgesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite www.anti-spiegel.ru. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?“