Deutsche Ter­ror­opfer und Hin­ter­bliebene wollen sich organisieren

Die Spre­cherin der Opfer und Hin­ter­blie­benen des Ter­ror­an­schlags vom Ber­liner Breit­scheid­platz, Astrid Passin, will eine Inter­es­sen­ver­tretung für alle deut­schen Ter­ror­opfer gründen. “Ich werde im nächsten Jahr eine Orga­ni­sation gründen für deutsche Ter­ror­opfer im In- und Ausland”, sagte Passin dem “Redak­ti­ons­netzwerk Deutschland” (Mitt­wochs­aus­gaben). “Mein erstes Ziel ist, einen natio­nalen Gedenktag für alle Ter­ror­opfer ein­zu­führen. So etwas gibt es bisher nicht. Alle Betrof­fenen haben das Recht zu trauern.“Bisher liege der Fokus “oft auf dem Breit­scheid­platz”, sagte Passin. Sie könne sich aller­dings “vor­stellen, dass sich da einige benach­teiligt fühlen”. Dem wolle sie abhelfen. “Dabei geht es auch um die Men­schen, die es in Zukunft treffen wird.” Die Ber­li­nerin, die bei dem Anschlag ihren Vater verlor, bezif­ferte die Zahl der vom Anschlag am Breit­scheid­platz Betrof­fenen auf 80 bis 100 Men­schen. Dabei seien aber schon 2018 Deutsche, die von Ter­ror­an­schlägen im Ausland betroffen gewesen seien, mit zum Gedenktag am 19. Dezember gekommen. “Sie haben keine Mög­lichkeit, in dem Land, in dem sie jemanden ver­loren haben, eine Art Wür­digung zu erfahren. Sie stehen uns zur Seite und fühlen sich selbst wie­derum bei uns auf­ge­hoben. Diese Men­schen spielen sonst keine Rolle mehr. Auch das muss sich ändern.” Passin beklagte zudem, dass die Ver­sorgung der Opfer und Hin­ter­blie­benen immer noch unge­nügend sei. Bei Opfern, die erwerbs­un­fähig geworden seien, gebe es deshalb auch Exis­tenz­ängste. “Manche Betroffene wissen nicht mehr, wie sie wei­ter­leben sollen, und rut­schen in das Hartz-IV-Niveau. Unver­schuldet”, so die Spre­cherin. Andere würden sich nur noch mit Tabletten auf­recht­halten. “Denen muss geholfen und ein wür­diges Leben ermög­licht werden — ohne finan­zielle Nöte.” Die Reform der Opfer­rente komme jedoch erst 2024 zum Tragen. Bis dahin klaffe eine viel zu große Lücke, in der noch das alte Gesetz gelte, so Passin weiter. “Erst­helfer fallen kom­plett durch das Raster und werden kaum berück­sichtigt. Denen müsste man einen roten Teppich aus­rollen!” Die Spre­cherin warnte, man sollte “sich nicht wundern, wenn Betei­ligte, die ständig mit ihrem Trauma kon­fron­tiert sind, irgendwann an einen Punkt kommen, an dem sie nicht mehr leben wollen. Das wäre fatal.” Ange­sichts immer neu auf­tau­chender und bis dahin unbe­kannter Infor­ma­tionen über Hin­ter­gründe des Anschlags hätten Betroffene schließlich “das Gefühl, dass uns nicht die Wahrheit gesagt wird”, sagte Passin den Zei­tungen mit Blick auf die Sicher­heits­be­hörden und nannte den Bun­des­nach­rich­ten­dienst sowie das Bun­desamt für Ver­fas­sungs­schutz. “Teil­weise müssen Abge­ordnete ja sogar vor dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt klagen, um an Akten, Bild- oder Video­ma­terial zu kommen. Das darf nicht sein und ver­mittelt das Bild einer Blo­ckade und Hin­hal­te­taktik. Unser Ver­trauen ist ver­spielt worden”, so die Spre­cherin. Der Tunesier Anis Amri hatte am 19. Dezember 2016 einen pol­ni­schen Lkw gekapert und damit den Anschlag auf dem Breit­scheid­platz verübt. Dabei gab es zwölf Tote und Dut­zende Schwerverletzte.
 

Berlin (dts Nach­rich­ten­agentur) — Foto: Gedenk­kerzen am Breit­scheid­platz, über dts Nachrichtenagentur