Fall Epstein: Wie der Spiegel von dem Skandal ablenkt und seine Leser auf die falsche Fährte führt

Wie sehr die deut­schen Medien im Fall Epstein von der tat­säch­lichen Geschichte ablenken, ist zum Augen­reiben. Ich will das an einigen Artikeln des Spiegel aus den letzten Tagen einmal zeigen.
Epstein wurde 2008 zu einer Haft­strafe ver­ur­teilt, weil er mit Min­der­jäh­rigen Sex gehabt und sie dafür bezahlt hat. Es ging aber nicht nur darum. Es ging auch darum, dass er Min­der­jährige zur Pro­sti­tution gezwungen haben soll und zwar mit seinen sehr ein­fluss­reichen Freunden. Dabei ging es um füh­rende Poli­tiker der USA, auch Bill Clinton wurde genannt, um Hol­lywood Schau­spieler, Geschäfts­leute und auch um inter­na­tionale Größen, wie Prinz Andrew. Aber das Gericht hat sich dafür nicht interessiert.
2019 wurde er erneut fest­ge­nommen und dieses Mal ging es ganz aus­drücklich um Pro­sti­tution von Min­der­jäh­rigen. Die Details finden Sie hier.
Die wich­tigste Frage war nun: Wer waren seine Kunden? Diese müssten wegen Sex mit Min­der­jäh­rigen, Pädo­philie und ähn­lichem ange­klagt werden. In vielen US-Staaten ist ja sogar Pro­sti­tution selbst illegal, von Pro­sti­tution mit Min­der­jäh­rigen ganz zu schweigen. Epstein war aber so freundlich, sich im Gefängnis das Leben zu nehmen. Das zumindest ist die offi­zielle Version. Und sie hat einen Rie­sen­vorteil für seine Kunden: Gegen einen Toten kann der Staats­anwalt kein Ver­fahren mehr führen, es wird also keine Prozess geben, bei dem Epstein uner­wünschte Details und Namen preis­geben könnte.
Dabei gibt es an der Selbst­mord­these einige Zweifel. Epstein hat angeblich schon vorher einen Selbst­mord­versuch um Gefängnis gemacht. Nach den gül­tigen Regeln hätte er als selbst­mord­ge­fähr­deter Gefan­gener besonders bewacht werden müssen und in seiner Zelle durfte nichts sein, womit er sich gefährden könnte. Er saß in einem Hoch­si­cher­heits­ge­fängnis und sogar seine Bett­wäsche war aus einer Art Papier. Das müsste reißen, wenn man damit ver­sucht, sich aufzuhängen.
Aber er hat sich gemäß offi­zi­eller Version in seiner Zelle unbe­merkt auf­ge­hängt. Wie es der Zufall will, haben sämt­liche Über­wa­chungs­ka­meras bei Epsteins Zelle in der Nacht seines Selbst­mordes nicht funk­tio­niert. Und die Wachen, die ihn regel­mäßig kon­trol­lieren sollten, haben das in der Nacht nicht getan und ihre Pro­to­kolle gefälscht. Gegen diese Wach­leute wurde nun Anklagen erhoben. Die Anwälte von Epstein zweifeln die Selbst­mord­these an und sogar ein in den USA berühmter Pathologe, der bei der Obduktion von Epstein dabei war, zweifelt die offi­zielle Version an und spricht von „Beweisen für Mord“.
Und als ob das nicht genug wäre, hat auch noch der Richter, der den Fall Epstein ver­handeln sollte, eben­falls in einem Brief mit­ge­teilt, dass es seiner Meinung nach „undenkbar“ ist, dass Epstein sich im Gefängnis umge­bracht haben kann.
Es gibt also mehr als genug Fragen, die kri­tische Jour­na­listen stellen müssten:
Wer waren die Kunden von Epstein, denen er die min­der­jäh­rigen Pro­sti­tu­ierten zuge­führt hat?
Wurde er im Gefängnis ermordet, damit er diese Namen nicht im Prozess nennen kann?
Wie kann es über­haupt sein, dass sich jemand in einem Hoch­si­cher­heits­ge­fängnis in einer Zelle erhängt, in der es nicht einmal etwas gibt, woran man ein Seil oder Bett­laken befes­tigen kann, um sich zu erhängen?
Und wie kann man sich mit den Spe­zi­al­bett­laken des Gefäng­nisses erhängen, die so gemacht sind, dass sie unter Belastung einfach durchreißen?
Es gibt reichlich Fragen, aber die deut­schen Medien berichten, Epstein habe sich umge­bracht. Alles andere sind natürlich „Ver­schwö­rungs­theorien“. Mag ja sein, aber dann müsste es doch möglich sein, diese Fragen kurz zu beant­worten und so den „Ver­schwö­rungs­theorien“ den Boden zu ent­ziehen. Aber die deut­schen Medien ziehen es statt­dessen vor, darüber gar nicht zu berichten.
Mehr noch: Inzwi­schen werden die Artikel im Spiegel sogar so for­mu­liert, dass dem Leser sug­ge­riert wird, Epstein habe zwar Min­der­jährige miss­braucht, aber mehr sei nicht pas­siert. In einem Artikel, der in der Print­version 48/2019 des Spiegel erschienen ist, konnte man lesen:
„Viele Leute , mit denen sich dieser (Epstein) umgab, wollen immer noch nicht wahr­haben, dass sie durch ihr Weg­sehen Mit­schuld tragen. (…) Epstein ver­kehrte mit allen mög­lichen Figuren aus Politik, For­schung, Mode, Adel und Kultur – hat wirklich kein ein­ziger seiner zahl­reichen Bekannten von seinen Nei­gungen etwas mit­be­kommen? (…) Das ist der wahre Epstein-Skandal, bis heute: dass um ihn so viele Men­schen kreisten wie Satel­liten, die jetzt zumindest so tun, als wüssten sie nichts“
Es wird in dem ganzen Artikel nicht die Frage gestellt, welche seiner illustren Gäste er mit min­der­jäh­rigen Pro­sti­tu­ierten ver­sorgt hat, sondern es wird nun so dar­ge­stellt, dass Epstein allein all die Mädchen miss­braucht hat. Laut Spiegel ist die wich­tigstes Frage nun, warum denn niemand etwas mit­be­kommen hat.
Das ist absurd! Alle haben es gewusst. Schon im Wahl­kampf 2015 hat Trump, der sich über zehn Jahre vorher mit Epstein über­worfen und Epstein Haus­verbot erteilt hat, nachdem Epstein eine min­der­jährige Ange­stellte von Trump bedrängt hat, auf die Frage, was er von Bill Clinton halte, geant­wortet (Im Video ab Minute 22.50):
„Netter Kerl… Da kommen meiner Meinung nach eine Menge Pro­bleme auf ihn zu im Zusam­menhang mit der berühmten Insel und Jeffrey Epstein“

Davon, dass niemand etwas wusste, kann also keine Rede sein. Es war ein offenes Geheimnis in der US-High Society, wenn es sogar Trump wusste, der mit Epstein seit einem Jahr­zehnt nichts mehr zu tun hatte. Das war 2015, die Anklage gegen Epstein kam erst 2019. Aber die deut­schen Medien ver­schweigen das lieber.
Um die Sache weiter in die gewünschte Richtung zu treiben, hat der Spiegel am 2. Dezember berichtet, dass auch die nor­we­gische Kron­prin­zessin Mette-Marit bedauert, Epstein gekannt zu haben. Die ist über jeden Ver­dacht erhaben und beim Spiegel-Leser ent­steht der Ein­druck, dass Kontakt mit Epstein so schlimm ja nicht gewesen sein kann. Klar, es ist im Nach­hinein peinlich, den Mann gekannt zu haben, aber das macht ja noch nie­manden zu einem Mittäter.
Über die Hin­ter­gründe im Epstein-Fall steht in dem Spiegel-Artikel fol­gendes:
„Epstein war 2008 zu einer 13-mona­tigen Haft­strafe ver­ur­teilt worden, nachdem er zuge­geben hatte, eine Min­der­jährige für sexuelle Dienst­leis­tungen bezahlt zu haben. Zuletzt wurde er 2019 beschuldigt, Dut­zende Min­der­jährige miss­braucht und zur Pro­sti­tution gezwungen zu haben. In Erwartung des Pro­zess­auf­takts nahm er sich in einem New Yorker Gefängnis Anfang August das Leben.“
Am Ende des Artikels findet sich zwar noch etwas über Prinz Andrew, der so blöd war, der BBC ein Interview zu seiner Bekannt­schaft mit Epstein zu geben und über den eine damals 17 Jährige sagt, sie sei dreimal zum Sex mit Andrew gezwungen worden. Obwohl der Spiegel über das kata­stro­phale Interview aus­führlich berichtet hat und selbst beim Spiegel durch­klang, dass da etwas nicht stimmen kann, klingt es nun schon wieder ganz anders. Jetzt redet der Spiegel im aktu­ellen Artikel davon, dass es Vor­würfe gegen Andrew gibt, die er bestreitet. All die pein­lichen Details des Inter­views und die Wider­sprüche, über die der Spiegel nach Ver­öf­fent­li­chung des Inter­views zumindest ansatz­weise berichtet hat, sind heute schon wieder ver­gessen und werden am Ende des Artikels schnell abgehandelt.
Wir fassen zusammen: Es gibt den Ver­dacht, dass Epstein der High Society im großen Stil min­der­jährige Pro­sti­tu­ierte zuge­führt hat, aber die Medien fragen nicht nach den Kunden und ver­suchen es inzwi­schen schon zwi­schen den Zeilen so dar­zu­stellen, als habe nur Epstein Min­der­jährige miss­braucht und die große Frage wäre, warum es keiner seiner Pro­mi­nenten Gäste bemerkt hat.
So lautete die Über­schrift in der Print­version 48/2019 des Spiegel auch fol­ge­richtig: „Wer wusste Bescheid?“ und nicht „Wer waren Epsteins Sex-Kunden?“.
So sieht „Qua­li­täts­jour­na­lismus“ eines ehe­ma­ligen Nach­rich­ten­ma­gazins aus. Und es gibt immer noch Leute, die dafür Geld bezahlen…


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“