Der Bundespräsident Steinmeier, kein Freund von Bürgerpolitik (RF)

„Frank-Walter, nun sag, wie hast du’s mit der Meinungsfreiheit?“

Offener Brief von Martin Renner zur Rede Stein­meiers am 18.11. an der Uni Hamburg 
Heute einmal ein offener Brief in meiner ReVision. Dieser offene Brief ist die for­mu­lierte Auf­for­derung an den Bun­des­prä­si­denten, Herrn Dr. Frank-Walter Stein­meier, sich für seine Rede zur Jah­res­ver­sammlung der Hoch­schul­rek­to­ren­kon­ferenz in Hamburg (hier im Video) vom ver­gan­genen Montag zu entschuldigen.

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Als Bun­des­tags­ab­ge­ord­neter der AfD ist Wider­spruch meine oppo­si­tio­nelle Pflicht und auch Aufgabe der kon­trol­lie­renden Legis­lative. Nicht um des bloßen Wider­spre­chens Willen, sondern auch, weil wir als Man­dats­träger Reprä­sen­tanten des Bürgers sind und dessen Inter­essen zu ver­treten haben.
Wenn das poli­tische Interesse des Bürgers und seine Würde, wie in der Rede von Herrn Stein­meier in ekla­tanter Weise geschehen, in igno­ranter Art und Weise ver­un­glimpft wird, dann ist öffent­licher Wider­spruch das Gebot der Stunde.
Der höchste Reprä­sentant des Staates, wie der Bun­des­prä­sident, darf den Bürger und die Bür­ger­ge­sell­schaft nicht lächerlich machen. Das ist schlicht nicht hin­nehmbar. Herr Dr. Stein­meier schadet und beschmutzt in gro­tesker Manier sein ihm anver­trautes Staatsamt.
Ihre Rede zur Eröffnung der Hoch­schul­rek­to­ren­kon­ferenz vom 18.11.2018
Sehr geehrter Herr Bun­des­prä­sident Dr. Steinmeier,
Ihre Rede zur Eröffnung der Hoch­schul­rek­to­ren­kon­ferenz in Hamburg ver­an­lasst mich, Ihnen auf diesem Wege und in der Form eines offenen Briefes zu erwidern.Zu Recht haben Sie in dieser Rede darauf hin­ge­wiesen: “Wer sich öffentlich äußert, muss mit einer Über­prüfung seiner Aussage rechnen und mit Wider­spruch“. „… Da wird man ja wohl auch wider­sprechen dürfen – das nenne ich nicht Main­stream-Tugend­terror, sondern Demokratie!“Ich pflichte Ihnen hierin aus­drücklich bei und nehme Sie beim Wort.
Denn auch für Sie gilt, dass Ihre öffent­lichen Äuße­rungen über­prüft werden dürfen. Auch Sie müssen bereit sein – ich nehme Ihre Worte auf – sich durch „Erkennt­nis­gewinn irri­tieren zu lassen“, ins­be­sondere in dem von Ihnen ent­wor­fenen Bild vom Zustand der Mei­nungs­freiheit in unserem Land.
Zunächst: Sie beklagen einen Mangel an Streit­kultur. Auch darin stimme ich Ihnen zu.
Sie sprachen jedoch nicht an irgend­einem belie­bigen Ort, sondern just an der Uni­ver­sität, an der erst vor Kurzem gleich mehrfach reguläre Vor­le­sungen und eine poli­tische Vor­trags­ver­an­staltung mit dem Vor­sit­zenden der Libe­ralen durch stu­den­tische Gewalt ver­hindert worden sind. Sie haben diese beschä­menden Vor­gänge, die an 1933 und 1968 erinnern, mit keinem Wort erwähnt.
Es reicht hier eben nicht, ange­sichts der inzwi­schen vielen und schwer­wie­genden Vor­fälle dieser Art an deut­schen Uni­ver­si­täten, sich nur sehr abs­trakt zur Forschungs‑, Lehr- und Publi­ka­ti­ons­freiheit zu äußern. Und – ver­harm­losend – davon zu sprechen, dass Pro­fes­soren und Stu­denten, die ver­hindern wollen, dass unor­thodoxe wis­sen­schaft­liche Thesen zu Wort kommen, die Hoch­schulen als „Schonraum“ oder „Spiel­platz“ missverstehen.
An unseren Hoch­schulen breitet sich schon seit län­gerem ein Klima der intel­lek­tu­ellen Ein­schüch­terung aus. Diesem Klima der Ein­schüch­terung – welches von inter­es­sierten Kreisen gezielt geschürt wird – leisten inzwi­schen selbst Uni­ver­sitäts- und Fakul­täts­lei­tungen durch will­fäh­riges Ver­halten Vor­schub. Sie konnten sich über diese Vor­gänge in der Juni-Ausgabe des Cicero-Magazins für poli­tische Kultur, das mit der Titel­story „Pro­fes­so­renjagd – wie Poli­tical Cor­rectness die Freiheit der Lehre zer­stört“ auf­machte, aus­giebig informieren.
Doch nicht nur an den Uni­ver­si­täten mangelt es an Streit­kultur. Das Gleiche lässt sich mit Fug und Recht vom öffentlich-recht­lichen Rundfunk sagen. Auch dort wird hem­mungslos Partei ergriffen und immer offener für poli­tische Ziele agitiert.
Wo sich der soge­nannte „Hal­tungs­jour­na­lismus“ breit­macht, gibt es nur noch eine ver­meintlich legitime Sicht­weise. Andere Ansichten werden bekämpft, ent­stellt, dif­fa­miert oder tot­ge­schwiegen. Fairness, Aus­ge­wo­genheit der Bericht­erstattung, das war gestern. Zu Wort kommt nur noch, wer genehm ist. Unpas­sende Fakten werden aus­ge­blendet oder ver­schwiegen. Mit dem „Framing“ sollen Sprache und Wirk­lich­keits­wahr­nehmung beein­flusst und mani­pu­liert werden.
Ja, es gibt wieder Mei­nungs­druck in Deutschland. Das ist kein sub­jek­tiver Ein­druck. Mil­lionen Mit­bürger emp­finden das genauso. Das Allensbach-Institut stellte jüngst fest: „Annä­hernd zwei Drittel der Bürger sind über­zeugt, man müsse heute sehr auf­passen, zu welchen Themen man sich wie äußert, denn es gäbe viele unge­schriebene Gesetze, welche Mei­nungen akzep­tabel und zulässig sind.“
Sie tun diese Erkenntnis höh­nisch ab – mit der Bemerkung, das sei „ein längst aus­ge­lei­ertes Kli­schee aus der reak­tio­nären Mot­ten­kiste“ – was zwei Drittel der Mit­bürger in einer reprä­sen­ta­tiven Umfrage genau so empfinden!
Ange­sichts der Tat­sache, dass kürzlich erst der Chef der Hes­si­schen Film­för­der­an­stalt aus seinem Amt ent­lassen wurde, nur weil er sich mit Prof. Jörg Meuthen bei einem Restau­rant­besuch hat foto­gra­fieren lassen, kann man Ihre Ein­las­sungen – ich zitiere: „…angeblich so bedrohte Mei­nungs­freiheit…“, „…angeblich gefühlte Frei­heits­be­schränkung, die doch in Wahrheit nur eine massiv ein­ge­redete ist…“ – nur als ignorant bezeichnen!
Sie igno­rieren mit dieser unglaub­lichen Äußerung die All­tags­er­fah­rungen, die Men­schen inzwi­schen machen müssen, die eine nicht gewünschte Meinung äußern. Sie igno­rieren, dass Wirte, die Räum­lich­keiten für Ver­an­stal­tungen und Par­teitage der AfD ver­mieten wollen, per­sönlich und in ihrem Eigentum bedroht werden. Sie igno­rieren den Tweet eines Spiegel-online-Redak­teurs, der tat­sächlich ver­breitete, es gehe darum, „AfD-Wähler (sic! Das sind rund 6 Mil­lionen Mit­bürger) … aus­zu­grenzen, zu ächten, sie klein zu halten, ihnen das Leben schwer zu machen“, ohne dafür auch nur im Geringsten zur Ver­ant­wortung gezogen zu werden.
Und Sie gehen in Ihrer Rede noch darüber hinaus. Ich zitiere den unge­heu­er­lichsten Absatz Ihrer Ham­burger Rede im Stück: „Und wer das glaubt, fällt auf eine bewusste Stra­tegie inter­es­sierter ver­ant­wor­tungs­loser Kräfte herein. Und wer ver­sucht Ver­ständnis auf­zu­bringen für die angeblich gefühlte Frei­heits­be­schränkung, die doch in Wahrheit nur eine massiv ein­ge­redete ist, besorgt schon das Geschäft der Scharfmacher!“
Die Aus­führung zur „staat­lichen Zensur“ kann man nur naiv nennen. Nai­vität aber kann und will ich Ihnen nicht unter­stellen. Sie haben das Netz­werk­durch­set­zungs­gesetz selbst unter­zeichnet, obwohl Sie die ver­fas­sungs­recht­lichen Bedenken – etwa in Form des Gut­achtens des wis­sen­schaft­lichen par­la­men­ta­ri­schen Dienstes des Deut­schen Bun­des­tages – kennen mussten.
Sie wissen also um die Per­fidie – also die Nie­der­träch­tigkeit – dieses Gesetzes. Dass pri­vaten Netzwerk-Betreibern Zen­sur­auf­gaben auf­erlegt, die staat­lichen Stellen gar nicht erlaubt wären. Sie wissen, dass durch diese Netzwerk-Betreiber pro­hi­bitiv gelöscht wird, damit abnorm hohe Buß­gelder für die Netzwerk-Betreiber schon im Ansatz aus­ge­schlossen werden können. Bürger müssen ihr Grund­recht auf freie Mei­nungs­äu­ßerung gegen die privat aus­ge­la­gerte Zensur ein­klagen. Das wissen Sie und das bil­ligen Sie, Ihre Äußerung ist damit an Dreis­tigkeit schwer zu überbieten.
Doch der eigent­liche Skandal an Ihren Dar­le­gungen ver­birgt sich im letzten Satz. Ihre Unter­stellung, dass die­je­nigen, die Ver­ständnis auf­bringen, das Geschäft von Scharf­ma­chern betreiben würden. Diese Unter­stellung widerlegt nicht nur alle Ihre frü­heren Äuße­rungen zu gegen­sei­tigem Ver­ständnis und zur Bereit­schaft zum Zuhören. Sie ist darüber hinaus infam! Wer so redet, spaltet nicht nur die Gesell­schaft. Er wiegelt auf! Das kommt in meinen Augen schon einer Ver­hetzung gleich.
Ich fordere Sie hiermit auf, sich öffentlich für diese unglaub­liche Äußerung zu ent­schul­digen! Diese Äußerung beschädigt das Amt des Bun­des­prä­si­denten, in das Sie zur Ver­tretung aller Bürger gewählt wurden.
Mit werten Grüßen
Martin E. Renner, Mit­glied des Deut­schen Bundestages
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Martin E. Renner MdB ist Betriebswirt und Freier Autor (regel­mäßige Kolumne bei PI). 2013 war er einer der 15 Grün­dungs­in­itia­toren sowie Mit­glied im Grün­dungs­vor­stand der Partei Alter­native für Deutschland (AfD). Seine Bei­träge erscheinen auch auf con­servo als Kolumne „Renners ReVision“.

Dieser lesens­werte Beitrag erschien zuerst auf dem Blog von Peter Helmes – www.conservo.wordpress.com