Jah­res­pres­se­kon­ferenz: Laut Putin ist die Welt­herr­schaft der USA Geschichte

Bei der Jah­res­pres­se­kon­ferenz wurde Putin auch zu den Bezie­hungen zu China befragt. Seine Antwort war kurz, aber viel­sagend, denn für Putin ist die uni­polare Welt Geschichte. 
Das ist eine wichtige Aussage von Putin, die er so deutlich noch nicht getroffen hat. Er hat sich seit Jahren gegen die uni­polare Welt, also gegen die kon­kur­renzlose Vor­macht­stellung der USA, aus­ge­sprochen und deren Ende pro­phezeit. Nun hat Putin gesagt, dass diese Epoche zu Ende ist, seiner Meinung nach gibt es keine uni­polare Welt mehr.
Ich habe als Ein­leitung zu der Frage und Putins Antwort einen kleinen Dialog über­setzt, der ein wenig von der Atmo­sphäre der Pres­se­kon­ferenz ver­mittelt. Eigentlich sucht der Kreml­sprecher Peskow aus, welche Jour­na­listen Fragen stellen dürfen. Aber immer wieder greift Putin in den Prozess ein und sucht sich selbst Jour­na­listen für die Fragen aus. So auch bei dieser Frage, als Putin dem chi­ne­si­schen Kor­re­spon­denten die Mög­lichkeit gegeben hat, eine Frage zu stellen, obwohl Peskow gerade jemand anderem das Wort erteilen wollte.
Beginn der Übersetzung: 
Kreml­sprecher Peskow: Ich sehe unsere größte staat­liche Zeitung, die Ros­s­ijskaja Gazeta. Geben Sie ihm bitte das Mikrophon. Stehen Sie auf, um gesehen zu werden. Warten Sie, wo sind Sie? Ich habe die Ros­s­ijskaja Gazeta irgendwo gesehen.
Wla­dimir Putin: Solange er jemanden aussucht…
Peskow: Warten Sie. Los geht´s.
Wla­dimir Putin: Lassen Sie uns, bis er jemanden gefunden hat, CCTV hören. Bitte, ja Sie.
Sun Yao: Guten Tag Herr Prä­sident. Ich Kor­re­spondent von CCTV, einem Medi­en­konzern aus China. Ich habe zwei Fragen.
Die erste Frage betrifft die chi­ne­sisch-rus­si­schen Bezie­hungen. In diesem Jahr jährt sich die Auf­nahme diplo­ma­ti­scher Bezie­hungen zwi­schen unseren Ländern zum 70. Mal. Wir können sagen, dass unsere bila­te­ralen Bezie­hungen bereits in eine neue Ära ein­ge­treten sind. Und ich habe fol­gende Frage: Welche Ergeb­nisse der Part­ner­schaft sehen Sie als die wich­tigsten an und welches Potenzial der Zusam­men­arbeit sehen Sie in Zukunft zwi­schen unseren Ländern?
Und dann ist da noch die inter­na­tionale Situation. Jetzt ist die inter­na­tionale Lage voller Unsi­cherheit und Insta­bi­lität. Es ist offen­sichtlich, dass einige Länder eine Politik der uni­po­laren Welt und des Pro­tek­tio­nismus ver­folgen, die Grund­lagen des Völ­ker­rechts und des Frei­handels unter­graben und China und Russland sind Anhänger einer mul­ti­po­laren Welt. Was denken Sie, welche Maß­nahmen Chinas und Russ­lands könnten die Prin­zipien des Systems des mul­ti­po­laren Friedens und des Frei­handels unter­stützen und wie kann wirksam auf die externen Her­aus­for­de­rungen reagiert werden? Vielen Dank.
Wla­dimir Putin: Das Wich­tigste, was wir in den letzten Jahren zwi­schen Russland und der Volks­re­publik China erreicht haben… Das Wich­tigste sind nicht einmal die Zahlen, über die ich jetzt sprechen werde, und nicht die Indus­trien, in denen wir zusam­men­ar­beiten, das Wich­tigste ist das bei­spiellose Maß an Ver­trauen, das sich zwi­schen unseren Ländern ent­wi­ckelt hat.
Auf dieser Grundlage machen wir Fort­schritte im Bereich der Wirt­schaft, der Handel zwi­schen unseren Ländern beträgt bereits 100 Mil­li­arden und wir werden sicherlich auch auf 200 Mil­li­arden kommen. Und dann die Zusam­men­arbeit in High-Tech-Bereichen: im Weltraum, in der Luft­fahrt, im Verkehr im All­ge­meinen und in vielen anderen Bereichen.
Und natürlich ist die rus­sisch-chi­ne­sische Zusam­men­arbeit der wich­tigste Faktor der inter­na­tio­nalen Sta­bi­lität, auch bei der Stärkung des Völ­ker­rechts, auch bei der Schaffung einer mul­ti­po­laren Welt.
Im Grunde ist sie schon erschaffen worden, die uni­polare Welt exis­tiert nicht mehr. Nach dem Zusam­men­bruch der Sowjet­union gab es die Illusion, dass eine uni­polare Welt möglich ist und dass sie für eine lange Zeit exis­tieren wird, aber das war nur eine Illusion, ich habe das immer wieder gesagt. Und die jüngsten Ereig­nisse zeigen uns genau das. Wenn Sie „einige Länder“ sagen, meinen Sie vor allem die Ver­ei­nigten Staaten. Die Mul­ti­po­la­rität der Welt leitet sich aus den Wirt­schafts­be­zie­hungen ab.
Nach dem Zweiten Welt­krieg betrug der Anteil der USA am welt­weiten BIP 50 Prozent. Und jetzt ist Chinas Anteil höher als der Anteil der Ver­ei­nigten Staaten. Wenn ich mich nicht irre, hat China heute einen grö­ßeren Anteil am welt­weiten BIP, als die USA. Und so ist es auch bei vielen anderen Indi­ka­toren. Und nach Kauf­kraft­pa­rität ist die chi­ne­sische Wirt­schaft heute größer, als die ame­ri­ka­nische Wirtschaft.
Das führt unwei­gerlich zu Ver­än­de­rungen in sehr vielen anderen Bereichen. Und vor allem kann die Welt nicht uni­polar ange­ordnet werden, mit einem ein­zigen Zentrum, von dem aus die gesamte Welt­ge­mein­schaft regiert wird.
Dabei hat unsere Zusam­men­arbeit mit China eine große Rolle gespielt. Wir werden unsere mul­ti­la­te­ralen stra­te­gi­schen Bezie­hungen stärken. Ich bin sicher, dass dies sowohl dem chi­ne­si­schen, als auch dem Volk der Rus­si­schen Föde­ration zugute kommen wird.
Ende der Übersetzung
Wenn Sie sich dafür inter­es­sieren, wie Russland auf die Fragen der inter­na­tio­nalen Politik blickt, dann sollten Sie sich die Beschreibung meines Buches ansehen, in dem ich Putin direkt und unge­kürzt in langen Zitaten zu Wort kommen lasse. 

Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“