Über einige Fehlkonstruktionen des Euro nachdenken – oder ihn aufgeben? Die Sparer wg. Nullzinsen zu Weihnachten mit „Helikoptergeld“ entschädigen? Lagardes EZB-Mitarbeiter*innen lernen vielleicht von Finanzjongleuren der USA?
(von Albrecht Künstle)
Vor der 2001/02 durchgepeitschten Euro-Währungsunion warnten viele Ökonomen davor, dass die unterschiedliche wirtschaftliche Situation und Entwicklung der Länder Europas mit den bewährten Mitteln der Ziele (Vollbeschäftigung, Wirtschaftswachstum, Preisstabilität, ausgeglichener Außenbeitrag) mit den bewährten Instrumenten der nationalen Globalsteuerung (antizyklische Haushaltspolitik des Bundes, Zinspolitik der Notenbanken, Wechselkurskorrektiv) nicht mehr entsprochen werden könne. Doch die fragwürdige Ideologie, der Euro werde der letzte Baustein zur Sicherung eines Europa des Friedens sein, schlug ins Gegenteil um, die Spannungen nehmen seither zu. Nur die lästige Geldwechslerei bei Reisen ist positiv.
Den Warnungen folgten das Unvermeidliche: Die unterschiedliche Beschäftigungslage der Euro-Länder wurde noch größer. Die Volkswirtschaften wuchsen weniger als zuvor, der innereuropäische Handel nahm ab, statt zu. Nur die Preise blieben einigermaßen stabil, aus der Sicht er Europäischen Zentralbank EZB zu stabil. Das frühere Dogma, stabile Preise, wurde vom Ziel einer jährlichen Preissteigerung von zwei Prozent abgelöst – um damit die Wirtschaften zu stimulieren. Von allen Instrumenten der Globalsteuerung blieb der EZB nur noch die Zinspolitik, bei allen anderen ist das Pulver verschossen. Und die verbleibende Zinspolitik wurde vom Instrument zur Waffe, eingesetzt, um den Ruin der „Olivenstaaten“ abzuwenden. Und deren Banken; die faulen Kredite Griechenlands betragen 39 Prozent. Die von Italiens Banken zwar „nur“ acht Prozent, aber von einem zigfachen der Summen, um die es geht.
Die Schulden der Euroländer untereinander werden in der Target-II-Trickkiste versteckt, eine pervertierte Form des Anschreibens von Alkoholikern in ihrer Stammkneipe. Nur dass es um Billionen Euro geht. Deutschland war im Juni 2019 gegenüber den anderen Ländern Gläubiger in Höhe von 943 Mrd. Euro. Um das Dilemma zu verschleiern, werden diese Schulden „Salden“ genannt. Opfer der ganzen Verwerfungen sind die „Sparer“.
Der Begriff Sparer ist allerdings verharmlosend. Am wenigsten wirkt sich die Nullzinspolitik auf das kurzfristige Sparen aus, um größere Anschaffungen zu tätigen. Der Zinsschaden der deutschen Sparer, den die DZ Bank im Mai diesen Jahres auf 358 Mrd. EUR netto seit dem Jahr 2010 bezifferte, wird sich weiter vergrößern. Noch schlimmer sind die Folgen für die langfristigen Geldanlagen, insbesondere für die Altersversorgung. Jahrelang machte man uns vor, die Gesetzliche Rentenversicherung würde ihre Aufgabe für die jüngere Generation nicht mehr erfüllen können. Deshalb sei eine „kapitalgedeckte“ Altersvorsorge nötig, und die Menschen schlossen entsprechende Verträge ab, meist Riesterverträge. Diese waren ein voller Erfolg – für … Das VersicherungsJournal vom 29.11. titelt: „Das Milliardengeschäft mit der Riester-Rente. Die staatlich geförderte Altersvorsorge spült nach aktuellen BMF-Zahlen eine riesige Summe Geld in die Kassen der Anbieter. Ein nicht unerheblicher Anteil stammt von Vater Staat…“ Zitat Ende. Des einen Freud, das andern Leid, denn…
Jetzt stellen sich die Folgen der rücksichtslosen Zinspolitik der EZB ein.
- Die Altervorsorgevermögen auf den Konten nehmen ab, auch wegen deren Nebenkosten
- Die bisherigen Garantierenten werden von nur noch beitragsorientierten Zusagen abgelöst
- Die CDA der CDU sieht die Lösung in preiswerten aktienbasierten Renten ohne Garantie
- Pensionskassen teilen ihren Versicherten mit, dass es einmal weniger Rente geben wird
- Betriebe müssen für Rentenzusagen an ihre Versorgungswerke viel Geld nachschießen
- Der Pensionssicherungsverein PSVaG muss die Umlagen erhöhen wegen mehr Pleiten
- Dem politisch angedachte Staatsfonds wollen Finanzinstitute verhindern mit Konstrukten wie die Laumann-Rente, Extrarente, Deutschlandrente, einem Vorsorgekonto usw.
Die Banken und Anlageberater wissen nicht mehr, was sie ihren Kunden raten sollen. Aktien, ETF’s, Rentenpapiere, Anleihen, in Fremdwährungen, Silber, Gold. Weil die Experten ihren früheren Empfehlungen selbst nicht mehr trauen, raten sie, wozu man keine Berater mehr braucht: Diversifizierung, Streuung, nicht mehr alles auf eine Karte setzen. Derweil gehen Depotbanken hin und buchen Wert(los)papiere (ohne Kurs oder Firma in der Insolvenz) aus dem Depot aus oder wollen sie zu null Prozent verkaufen. Es wird immer toller.
Den Vogel schossen die Ökonomen des Münchener Ifo-Instituts ab. „Den Schatz der Deutschen heben – Günstig Schulden machen, das Geld in renditestarke Anlagen stecken, um die Renten aufzubessern“, so die Badische Zeitung vom 26.06.19. Oder ist „Helikoptergeld“ eine Lösung (Stimulation gerade zu Weihnachten)?, wie es die NZZ vom 13.11. zur Diskussion stellte. Oder wie wäre es mit der Abschaffung des Bargeldes als Vorbote des neuen Crash, siehe „Die Unbestechlichen“ vom 12.11. Oder in Edelmetalle flüchten, wie es der Münzhändler Kettner empfiehlt? Doch für das viele Geld auf den Konten gäbe es davon nicht genug.
Wie dem auch sei, hier zum Trost: Das Geld von euch Sparern ist ja nicht weg – es haben nur andere! Mittlerweile denken Berliner Finanzstrategen darüber nach, das Geld abzuschaffen – viele haben aber schon keines mehr. Dafür andere umso mehr, die Sparquote ging seit 2009 von 14 Prozent auf 12 Prozent 2017 zurück, steigt jetzt aber wieder an.
Ja, unsere Experten haben es wirklich nicht leicht, die Folgen des Währungsunion zu kaschieren und nachhaltige Lösungen des Problems zu entwickeln. Der Ökonom Bernd Lucke wollte dies an einer Hamburger Universität tun, wurde aber von dem dortigen Studenten-Mob daran gehindert. Vielleicht holen die ihre Wirtschafts-Weisheit aus dem „Kapital“ von Karl Marx – wie andere ihren Strom einfach aus der Steckdose holen?
Die Aktuare der Versorgungswerke wissen nicht mehr, mit welchen Kunstgriffen sie die Anlagegelder der Vorsorgesparer vor der Schwindsucht retten sollen. Und ein Ende ist nicht abzusehen. Die neue EZB-Chefin Christine Lagarde will genauso weitermachen, wie Draghi aufhörte. Gegen die Staaten- und Bankenpleiten und der Eurokrise werde ALLES getan, und koste es Billionen Ersparnisse der Menschen. Der Bestand der umstrittenen Staatsanleihen beträgt über 2,5 Billionen Euro. Die Aufkäufe durch die EZB gingen zwar von 74 Mrd. EUR auf 52 im Monat zurück, aber nur weil irgendwann das Maß voll ist und die Anleihen rar werden.
Fazit: Die Finanzkrise 2008/09 wurde mit dem gleichen Mittel bekämpft, mit dem sie entstanden ist. Mit einer historisch noch nie dagewesenen wundersamen Geldvermehrung – windiges Vermögen ohne Substanz. Der nächste Crash wird umso heftiger, je länger er mit dem Zauberkasten der Finanzjongleure überdeckt und hinausgezögert wird.
Zur (humoristischen) Abrundung: Böse Zungen wollen wissen, dass die EZB ihre Mitarbeiter/innen jetzt in Kurse schickt, „Wie die Bankenkrise 2008/09 in den USA gemanagt wurde…“
(aus einem Schulungspapier für Banker, Anlageberater, Finanzminister und Notenbanker)
Wie das amerikanische Finanz-System funktioniert(e)
Der junge Jack wollte mit einer eigenen Ranch reich werden. Dazu kaufte er zuerst bei einem Farmer ein Pferd. Dieser verlangte seine ganzen 1.000 Dollar “bar auf die Kralle”. Er versprach, ihm das Pferd am nächsten Tag zu liefern; es sei gerade auf einer Rodeo-Meisterschaft.
Am nächsten Morgen kam der Farmer zu Jack mit einer schlechten Nachricht: “Es tut mir leid, aber das Tier ist in der Nacht tot umgefallen.” Meint Jack: “Dann gib mir einfach mein Geld zurück. “Geht nicht”, eröffnete ihm der Farmer. “Ich habe das Geld heute Nacht in der Stadt in einem Etablissement verloren.”
Jack überlegte kurz. “Na dann”, sagt er, “nehme ich das tote Biest trotzdem.” “Wozu denn?” fragte der Farmer? “Ich will es verlosen”, erklärte ihm Jack. “Du kannst doch kein totes Pferd verlosen”, staunte der Farmer. Doch Jack sagt: “Kein Problem! Ich erzähl’ einfach keinem, dass es schon tot ist. Und Du hältst die Klappe, sonst gehe ich wegen der 1.000 Dollar zum Sheriff.”
Monate später liefen sich Jack – in feinem Anzug und Lackschuhen – und der Farmer in der Stadt über den Weg. Fragt der Farmer: “Jack, wie lief es denn mit der Verlosung des ‚Pferdes’?”
“Hätte nicht besser sein können”, erzählte ihm Jack. “Ich habe 1.000 Pferde-Lose zu je 10 Dollar verkauft. Nach Abzug meiner Fehlinvestition für Dein totes Pferd habe ich meine ersten 9.000 Dollar gemacht.”
“Ja… gab’s denn keine Reklamationen?” — “Doch – vom Gewinner”, sagte Jack. “Dem habe ich dann kulant wie ich bin, seine 10 Dollar für sein Los zurückgegeben.”
Frage: Was wurde aus dem jungen Jack? Nein, er endete nicht an einer 45er-Kugel oder an einem Strick. Er verkaufte schließlich Finanzprodukte bei einer gewissen LB Investmentbank.
Schlussbemerkung: Wenn man sich so überlegt, welche „toten Pferde“ die Automobilindustrie verkauft hat. Ob das amerikanische Modell vielleicht schon abgekupfert wurde?
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Der Autor Albrecht Künstle ist kein „studierter“ Ökonom, hat sich aber schon seit seinem 21. Lebensjahr auf einem dritten Bildungsweg mit dem nötigen Wissen der volks- und betriebswirtschaftlichen Grundlagen vertraut gemacht, um seine vielfältigen Aufgaben erfüllen zu können.
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