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Auf­nahme von Weiß­helmen in Deutschland: Wenn Pro­pa­ganda und Rea­lität auf­ein­ander treffen

Unfrei­willig lässt ein Spiegel-Artikel über ein Mit­glied der Weiß­helme tief blicken. Sind sie Ter­ror­helfer oder eine „Zivil­schutz­or­ga­ni­sation“?

Die Weiß­helme werden in den west­lichen Medien immer als neu­trale „Zivil­schutz­or­ga­ni­sation“ dar­ge­stellt. Das ist objektiv unwahr, denn die Weiß­helme sind von Groß­bri­tannien gegründet und von vielen west­lichen Staaten, ein­schließlich Deutschland, mit Mil­lionen finan­ziert worden. Tätig waren sie aus­schließlich in Gebieten, die von Isla­misten kon­trol­liert wurden. Das sind unbe­streitbare Tat­sachen, die jeder leicht über­prüfen kann.

Da sich der Westen den Sturz von Assad auf die Fahnen geschrieben und den auch mit Geheim­dienst­ope­ra­tionen wie „Timber Sycamore“ unter­stützt hat, indem er Waffen an Isla­misten in Syrien geliefert hat, ist der Westen in Syrien eine Kon­flikt­partei. Und wenn eine Kon­flikt­partei eine Orga­ni­sation unter­stützt, dann ist diese Orga­ni­sation eines sicher nicht: Sie ist nicht neutral.

Auch der enge Kontakt der Weiß­helme zu Isla­misten, ein­schließlich dem IS, lässt sich nicht bestreiten. Wie sollten die Weiß­helme in von den Isla­misten besetzten Gebieten tätig sein, wenn sie nicht mit denen zusammenarbeiten?

Trotzdem igno­rieren die west­lichen Medien all diese offen zu Tage lie­genden Fakten und sprechen von einer „Zivil­schutz­or­ga­ni­sation“.

Dass das nicht so ist, konnte man schon 2018 beob­achten. Im Sommer 2018 befreite die syrische Armee vom IS kon­trol­lierte Gebiete im Süden des Landes und einige EU-Staaten fühlten sich berufen, ca. 400 Men­schen (Weiß­helme und ihre Familien) zu eva­ku­ieren. Zu diesem Zweck wurde Jor­danien über­redet, sie vor­über­gehend in Lagern auf­zu­nehmen und die EU-Staaten ver­pflich­teten sich, diese dann innerhalb von drei Monaten auf­zu­nehmen. Darüber habe ich im Juli 2018 berichtet.

Aller­dings hatten es die EU-Staaten danach nicht eilig, ihr Ver­sprechen umzu­setzen, denn schnell stellte sich heraus, dass es sich bei zumindest vielen von den Eva­ku­ierten um gefähr­liche Isla­misten gehandelt hat. Wie passt das zu dem Mantra des Westens, die Weiß­helme seien huma­nitäre Helfer?

Das rus­sische Außen­mi­nis­terium hatte im Oktober 2018 in einer durchaus sar­kas­ti­schen Erklärung die Frage gestellt, warum sich die EU-Staaten denn weigern, die von ihnen finan­zierten „Helfer“ auf­zu­nehmen. Und im Oktober 2014 schließlich ließ Deutschland drei Weiß­helme ein­reisen, die ins­gesamt 14 Frauen und Kinder mit­bringen durften.

Damit war die Sache aber nicht aus­ge­standen. Die west­lichen Spon­soren der „huma­ni­tären Helfer“ haben nicht alle der 400 eva­ku­ierten Weiß­helme auf­ge­nommen, einige sitzen noch immer in Jor­danien fest, das das Ganze gar nicht witzig findet und fordert, dass die west­lichen Staaten ihr im Sommer 2018 gege­benes Ver­sprechen endlich ein­lösen und die Ter­ro­risten aus Jor­danien aus­fliegen. Wohin auch immer.

Im Spiegel konnte man über einen der Betrof­fenen nun einen Artikel lesen. Dort stand unter der Über­schrift „Krieg gegen Assad – Bun­des­re­gierung lässt syri­schen Weißhelm im Stich“ fol­gendes:

„Wegen eines Streits zwi­schen dem Bun­des­in­nen­mi­nis­terium und dem Aus­wär­tigen Amt sitzt ein Anführer der syri­schen Weiß­helme seit ein­einhalb Jahren in einem jor­da­ni­schen Lager fest. Chalid al-Saleh hatte als frei­wil­liger Helfer der Zivil­schutz­or­ga­ni­sation im Sommer 2018 die Aus­reise von mehr als 400 Gegnern des Assad-Regimes über Israel nach Jor­danien orga­ni­siert. (…) Die Bun­des­re­gierung hatte sich zur Auf­nahme meh­rerer Familien ver­pflichtet, dar­unter die von Chalid al-Saleh. Doch nachdem Beamte deut­scher Sicher­heits­be­hörden al-Saleh in einem jor­da­ni­schen Lager befragt und dessen Handy aus­ge­wertet hatten, ver­wei­gerte das Minis­terium von Innen­mi­nister Horst See­hofer (CSU) al-Saleh im Herbst 2018 die Ein­reise nach Deutschland. Der Grund: Er werde ver­dächtigt, Isla­misten nahezustehen.“

Das ist genau das, was die Kri­tiker der Weiß­helme dem Westen seit Jahren vor­werfen: Der Westen hat isla­mis­tische Ter­ro­risten in Syrien mit Mil­lionen unter­stützt und sie gleich­zeitig mit einer Medi­en­kam­pagne zu einer „Zivil­schutz­or­ga­ni­sation“ ver­klärt. Warum gibt der Westen Mil­lionen an eine Orga­ni­sation, deren Mit­glieder man bei sich nicht haben will, weil sie isla­mis­tische Ter­ro­risten sind?

Der Mann scheint so gefährlich zu sein, dass sich selbst ara­bische Länder weigern, ihn auf­zu­nehmen. Jor­danien, das diesen Ter­ro­risten nur ins Land gelassen hat, weil Deutschland ver­sprochen hatte, ihn auf­zu­nehmen, ist zu recht sauer.

Es sieht ganz so aus, als hätten Syrien und Russland recht, wenn sie dem Westen vor­werfen mili­tante Isla­misten zu finan­zieren, wenn der Westen sich weigert, die Leute auf­zu­nehmen, die er vorher mit Mil­lionen unter­stützt hat.

Aber die „Qua­li­täts­medien“ – hier am Bei­spiel des Spiegel – stellen keine kri­ti­schen Fragen und reden weiter von einer „Zivil­schutz­or­ga­ni­sation“ und werfen Deutschland Wort­bruch vor. Das ist nicht einmal falsch, Deutschland hat sein Wort tat­sächlich gebrochen. Die Frage ist, warum es sein Wort über­haupt gegeben hat.

Aber ich frage mich, ob Redak­teure, die solche Artikel schreiben, sich freuen würden, wenn dieser „huma­nitäre Helfer“ mit seiner Familie bei ihnen nebenan ein­ziehen würde.


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru

Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“