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Dr. Daniel Stelter: „Berlin als Warnung für alle Transfereuropäer“

Zwanzig Jahre Euro. Herz­lichen Glück­wunsch kann man da nur sagen, allein, weil es die Gemein­schafts­währung geschafft hat, über­haupt so lange zu über­leben. Das kommt schon fast einem Wunder gleich, haben sich die Wirt­schaften der Mit­glieds­länder doch deutlich aus­ein­an­der­ent­wi­ckelt, statt sich anzu­nähern. Divergenz statt Kon­vergenz lautet das Ergebnis des poli­ti­schen Expe­ri­ments, wie der IWF nüchtern vorrechnet.

Ohne EZB wäre schon lange Schluss

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Überlebt hat der Euro nur, weil die EZB ihn zu einer frei ver­füg­baren, fak­tisch kos­ten­freien Ware gemacht hat sowie mit Nega­tivzins und Wert­pa­pier­käufen über­schuldete Staaten und Pri­vat­sek­toren am Leben erhält. Ganz nebenbei finan­ziert die EZB so die Kapi­tal­flucht aus den Kri­sen­ländern. Das schlägt sich in immer grö­ßeren, fak­tisch wert­losen (da zins- und til­gungsfrei ohne Sicherheit) TARGET2-For­de­rungen der Bun­desbank und damit der hie­sigen Bevöl­kerung nieder.

Doch das dürfte nicht genügen, um den Euro weitere zwanzig Jahre Existenz zu ermög­lichen. Im Gegenteil – dringend weitere Reformen sind nötig, wie von allen Seiten ange­mahnt wird, so auch im „Eco­nomist“, zitiert auf diesen Seiten. Die Ursachen der Euro­krise sind bekannt und auch was zu tun wäre:

  • Die Über­schuldung ist durch Schul­den­schnitte zu bereinigen
  • Das insol­vente Ban­ken­system ist durch Schul­den­schnitte und Reka­pi­ta­li­sierung zu sanieren.
  • Die diver­gie­rende Wett­be­werbs­fä­higkeit durch Neu­ordnung der Mit­glieder der Eurozone wiederherstellen.

Statt­dessen wird wider bes­seres Wissen die Rettung in mehr Umver­teilung zwi­schen den Ländern gesehen. So rechnet der IWF vor, dass 80 Prozent eines Schocks selbst in Ländern wie den USA und Deutschland über private und nicht über öffent­liche Mittel auf­ge­fangen wird. Unbe­achtet bleibt außerdem, dass die deutlich ärmeren deut­schen Pri­vat­haus­halte dann für die rei­cheren Ita­liener, Spanier und Fran­zosen bezahlen würden.

Län­der­fi­nanz­aus­gleich als Warnung

Gerade wir Deut­schen – namentlich auch der Bun­des­fi­nanz­mi­nister, der seit Neu­estem die völlig untaug­liche Idee einer euro­päi­schen Arbeits­lo­sen­ver­si­cherung pro­pa­giert – sollten wissen, dass Umver­teilung zwi­schen Ländern nur selten etwas bringt. Bayern gilt als Leuchtturm für den Nutzen des Län­der­fi­nanz­aus­gleichs. Das Land hat sich von einem Net­to­emp­fänger zu einem leis­tungs­starken Net­to­zahler ent­wi­ckelt – durch kluge und gute Ver­wendung der Mittel, mit dem Ziel, die Wirt­schafts­kraft zu steigern.

Die Aus­nahme bestätigt die Regel, mag man denken, wenn man auf die aktuelle Lage blickt. Nehmen wir Berlin als größten Emp­fänger aus dem Län­der­fi­nanz­aus­gleich. Das Land sollte diese Mittel vor allem dazu nutzen, die eigene Wirt­schafts­kraft zu stärken, um so den Wohl­stand der Ein­wohner zu mehren und damit per­spek­ti­visch weniger Geld aus dem Topf zu benötigen.

Doch weit gefehlt. Die Ber­liner Poli­tiker setzen (wohl zu Recht) darauf, dass außerhalb der Stadt Kapi­ta­lismus und Wirt­schaft funk­tio­nieren und dau­erhaft das sozia­lis­tische Paradies finan­zieren. Frei nach dem Motto von Margret Thatcher, wonach Sozia­lismus solange funk­tio­niert, wie einem das Geld anderer Leute nicht ausgeht. Solange Bayern nicht ernsthaft mit dem Aus­tritt aus der Bun­des­re­publik droht, kann Berlin weiter dar­auf­setzen, dass die dortige Wirt­schaft flo­riert, um in der Haupt­stadt links-grüne Rund­um­ver­sor­gungs­träume und ideo­lo­gische Kämpfe zu finanzieren.

Da ist das Ver­graulen von Google aus Berlin nur ein kleines Schlag­licht. Viel ein­drucks­voller ist das Ver­wenden staat­licher Mittel für den Kauf vor­han­dener Woh­nungen wie aktuell in der Karl-Marx-Allee. Diese sollten – völlig legal – an die Deutsche Wohnen ver­kauft werden. Da die Woh­nungen in einem guten Zustand sind, beab­sichtigt der Käufer auch keine umfang­reichen Moder­ni­sie­rungen, weshalb sich an den Mieten nach gel­tender Rechtslage (Miet­preis­bremse, Miet­spiegel etc.) auch nichts ändern würde. Bedeutet über­setzt, die Mieter sind genauso geschützt wie bisher auch.

Dennoch hat der Ber­liner Senat eine Initiative gestartet, um direkt und indirekt (über die Mieter) mittels des Vor­kaufs­rechtes einen Verkauf zu ver­hindern und statt­dessen die Woh­nungen zu ver­staat­lichen. Dazu werden Mil­lionen Euro an Steu­er­geldern ver­wandt, die der Ber­liner Senat an anderer Stelle – auch zur Schul­den­tilgung – hätte ver­wenden können.

Der Kauf vor­han­dener Woh­nungen schafft keinen Wohnraum

Denken wir durch, was pas­siert, wenn der Staat zunehmend Eigen­tümer von Immo­bilien wird, mit dem erklärten Ziel, die Mieten relativ zum Markt­preis zu senken:

  1. Zunächst ist das eine Sub­vention der glück­lichen Ist-Mieter zulasten der All­ge­meinheit. Mit dem­selben finan­zi­ellen Aufwand könnte man neue Woh­nungen bauen und so das Angebot ver­größern (was den Miet­an­stieg dämpft) oder aber allen Mietern einen staat­lichen Zuschuss geben. Es ist offen­sichtlich, dass die Ver­wendung von Staats­mitteln zum Aufkauf vor­han­dener Woh­nungen der inef­fi­zi­en­teste Weg ist.
  2. Schnell wird sich ein Markt bilden für die Vergabe von Woh­nungen in den so sub­ven­tio­nierten Häusern. Da die Miete gede­ckelt ist, werden andere Formen der Bezahlung an Bedeutung gewinnen. Dies reicht von der Zuge­hö­rigkeit zu einer bestimmten Gruppe (Partei, Beruf …) bis hin zu Kor­ruption. Letztere blüht besonders da, wo die Preise nicht markt­ge­recht sind.
  3. In die Immo­bilien im Staats­besitz wird aller­dings weniger inves­tiert. Das liegt daran, dass auch die Taschen des Staates nicht beliebig tief sind. Zunächst wird das von den Mietern nicht bean­standet, können sie doch oft günstig wohnen.
  4. Der Anteil der staat­lichen Immo­bilien nimmt zu. Da auch diese Woh­nungen in den Miet­preis­spiegel ein­fließen, drückt das tiefe Miet­niveau der sub­ven­tio­nierten Woh­nungen das Miet­niveau ins­gesamt. Schön für Mieter, wenig ren­tabel für Vermieter.
  5. Für die Eigen­tümer der Woh­nungen, die nicht im Staats­besitz sind, wird es immer unat­trak­tiver, die Woh­nungen zu halten. Auch sie ver­kaufen an den Staat oder kürzen ihre Investitionen.

Kom­mu­nismus endet immer gleich: mit dem Verfall der Immo­bilien und einem Neu­start, wenn die staat­liche Woh­nungs­kauf­ge­sell­schaft wie­der­ver­kauft wird, weil die Löcher im Haushalt zu groß sind.

Schuss geht nach hinten los

Damit geht der Schuss aber nach hinten los. Damit geht der Schuss aber nach hinten los. Heute gehören rund 13,5 Mil­lionen Wohnung in Deutschland pri­vaten Inves­toren und nur rund 6,5 Mil­lionen großen Immo­bi­li­en­ver­waltern. Die pri­vaten Inves­toren haben zumeist nur eine Wohnung oder ein Haus, weshalb – von Aus­nahmen abge­sehen – die Ver­waltung nicht so pro­fes­sionell ist, wie bei den großen Inves­toren. Bisher sind die Mieter die Nutz­nießer der Unpro­fes­sio­na­lität der Ver­mieter. Mieten wachsen lang­samer, weil die Ver­mieter den Kon­flikt scheuen. Instand­hal­tungen werden früher durch­ge­führt, als sie tech­nisch eigentlich erfor­derlich wären, Moder­ni­sie­rungen, obwohl sie sich eigentlich nicht rechnen.

Je unat­trak­tiver es für die pri­vaten Ver­mieter wird, desto größer der Anteil der großen Immo­bi­li­en­un­ter­nehmen am Markt. Kommt es im Zuge der unwei­gerlich auf uns zukom­menden Finan­zie­rungs­pro­bleme des Staates wieder zum Verkauf der staat­lichen Woh­nungen, werden diese wie­derum nur an die Groß­in­ves­toren gehen. Am Ende des „kom­mu­nis­ti­schen Weges“ dürfte damit eine Kon­zen­tration im Woh­nungs­markt stehen, die letztlich den Mietern schadet. Und eher weniger als mehr Woh­nungen geben. So ist das, wenn die Politik agiert. Bekanntlich ist das Gegenteil von „gut“, „gut gemeint“.

Italien ist nicht wie Berlin

Kommen wir zur Eurozone zurück. Kein Mit­gliedsland ist annä­hernd so schlecht regiert, wie die Bun­des­haupt­stadt. Selbst Italien ist, ver­glichen mit Berlin, ein funk­tio­nie­rendes Gemein­wesen mit einer starken Wirt­schaft. Die Lom­bardei gehört seit Jahren zu den wirt­schaftlich stärksten Regionen Europas. Trotzdem befinden sich Italien, Spanien und Frank­reich in einer Abwärts­spirale stei­gender Schulden und abneh­mender Wett­be­werbs­fä­higkeit. Daran ändert auch die kon­junk­tu­relle Zwi­schen­er­holung der letzten Jahre nichts. Die Pro­teste in Frank­reich zeigen, dass das Land nicht refor­mierbar ist, was auch den lauten Ruf Macrons nach mehr euro­päi­scher „Soli­da­rität“ – sprich: nach mehr deut­schen Mitteln auch für Frank­reich – erklärt. In Italien regieren derweil Links- und Rechts­po­pu­listen gemeinsam und sehen in höheren Staats­aus­gaben die einzige Rettung für das Land.

Würden diese Mittel dazu ver­wendet, die Wirt­schafts­kraft zu steigern und den Arbeits­markt zu refor­mieren, wäre das durchaus ver­tretbar. Doch dem ist nicht so. Ver­wendet Berlin das Geld aus dem Län­der­fi­nanz­aus­gleich für den Kauf vor­han­dener Woh­nungen, so plant die Regierung in Rom mehr Sozi­al­leis­tungen. Beides mag bei den Wählern ankommen, funk­tio­niert aber nur, solange sich jemand findet, der das bezahlt. Mögen sich die Bayern, Baden-Würt­tem­berger und Hessen die 3,6 Mil­li­arden jährlich für das sozia­lis­tische Paradies Berlin noch leisten können, so über­steigt der Finanz­bedarf der anderen Euro­länder unsere Leis­tungs­fä­higkeit bei Weitem.

Egal, unter welchem Namen die euro­päische „Soli­da­rität“ ver­kauft wird: Arbeits­lo­sen­ver­si­cherung, Euro­zonen-Budget, Euro­zonen-Finanz­mi­nister. Immer geht es darum, einen Umver­tei­lungs­me­cha­nismus zu schaffen, bei dem der Geber keinen Ein­fluss auf die Ver­wendung der Mittel hat. Theo­re­tisch soll der Län­der­fi­nanz­aus­gleich dazu dienen, die Unter­schiede zwi­schen den Ländern abzu­bauen. Das kann funk­tio­nieren, wenn man das Geld dazu nutzt, die Wirt­schafts­kraft zu steigern. Prak­tisch führt er zum Gegenteil: der Illusion der Emp­fän­ger­länder, auf die eigen­ständige Erar­beitung der Mittel nicht ange­wiesen zu sein.

Auf Euro­zo­nen­ebene ein offen­sichtlich geschei­tertes Kon­strukt x‑mal größer eta­blieren zu wollen, wider­spricht jeg­licher Logik. Dass die poten­zi­ellen Emp­fänger das super finden, wundert nicht. Hof­fentlich erkennen das unsere Poli­tiker noch rechtzeitig.


Dr. Daniel Stelter –www. think-beyondtheobvious.com