Das rus­sische Fern­sehen über den neuen Pre­mier­mi­nister Mischustin

In Russland beherr­schen innen­po­li­tische Mel­dungen die Medien, in erster Linie natürlich der neue Pre­mier­mi­nister Mischustin.

Die Sendung „Nach­richten der Woche“ hat ihm und seiner Ernennung natürlich viel Zeit gewidmet. Zwei Bei­träge, einen Kom­mentar aus dem Studio und einen Bericht über Mischustin, habe ich hier übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Die Regierung in Russland wird ver­ändert. Am 16. Januar wurde der neue Minis­ter­prä­sident Michail Mischustin von der Staatsduma ohne eine einzige Gegen­stimme bestätigt und am selben Tag per Dekret von Prä­sident Putin ernannt. Nun gibt es Kon­sul­ta­tionen über die Auswahl der Minister und ihrer Stell­ver­treter, über die Zusam­men­setzung des Kabi­netts selbst. Das ist die wich­tigste Aufgabe, denn nach der der­zei­tigen Ver­fassung ist die Regierung für die sozio­öko­no­mische Lage des Landes verantwortlich.

Die schei­dende Regierung von Dmitri Med­wedew bleibt auf Wunsch von Wla­dimir Putin noch bis zur Bildung eines neuen Kabi­netts im Amt. Med­wedew traf die Ent­scheidung zurück­zu­treten unmit­telbar nach der jähr­lichen Ansprache des Prä­si­denten vor der Bun­des­ver­sammlung. Es ist wichtig zu ver­stehen, dass diese Rede an die Nation selbst eine Fort­setzung der Rede des letzten Jahres war, in der der Prä­sident ver­langte, dass die Regierung drei Prozent Wirt­schafts­wachstum im Jahr 2021 erreichen sollte. Es war in der Erwartung des Wachstums, dass er letztes Jahr ein bei­spiel­loses Sozi­al­pro­gramm prä­sen­tiert hat.

Das Wachstum in Russland im ver­gan­genen Jahr betrug etwas über ein Prozent und die gleichen Zahlen hat die Regierung für die nächsten zwei Jahre geplant. Unter diesen Bedin­gungen, drückte Putin auf´s Gas, anstatt auf die Bremse zu treten und for­derte, weitere Pro­gramme zur Unter­stützung von Familien mit Kindern und damit ver­bundene soziale Pro­jekte auf­zu­legen und zu erweitern, er bestand auf dem Drei-Prozent-Ziel bereits für das nächste Jahr. Gleich­zeitig schlug Putin Ver­fas­sungs­än­de­rungen vor, deren all­ge­meines Konzept er wie folgt for­mu­liert hat: „Wir müssen ein solides, zuver­läs­siges, unver­wund­bares und nach außen absolut sta­biles System schaffen, das Russland die Unab­hän­gigkeit und Sou­ve­rä­nität garan­tiert. Gleich­zeitig ist das System in sich selbst lebendig, fle­xibel, einfach und zeitnah, vor allem, auf­grund dessen, was in der Welt, um uns herum, und vor allem im Zusam­menhang mit der Ent­wicklung der rus­si­schen Gesell­schaft selbst geschieht. Ein System, das die Nach­folge der Macht­haber und aller, die in anderen Bereichen eine hohe Stellung ein­nehmen, sicher­stellt. Eine solche Erneuerung ist eine wesent­liche Vor­aus­setzung für die fort­schrei­tende Ent­wicklung der Gesell­schaft, und wenn es auch nicht feh­lerfrei ist, so ist es stabil, und was das Wich­tigste bleibt, es dient den Inter­essen Russlands.“

Unmit­telbar nach der Ver­kündung der Bot­schaft ver­sam­melte Putin die Regierung und Minis­ter­prä­sident Med­wedew erklärte sofort: „In diesem Zusam­menhang ist es offen­sichtlich, dass wir als Regierung der Rus­si­schen Föde­ration dem Prä­si­denten unseres Landes die Mög­lichkeit geben sollten, alle not­wen­digen Ent­schei­dungen zu treffen. Und unter diesen Bedin­gungen glaube ich, dass es richtig ist, wenn die der­zeitige Regierung gemäß Artikel 117 der rus­si­schen Ver­fassung zurücktritt.“

Putin bedankte sich für Ihre Arbeit. Und Putin bot Med­wedew einen neuen Posten an: Vize-Chef des Sicher­heits­rates von Russland . Das ist ein neuer Posten. Der Chef des Sicher­heits­rates ist der Prä­sident. Ein wich­tiger Punkt ist, dass Dmitri Med­wedew der Chef der Partei Einiges Russland bleibt. Das wurde bereits mit­ge­teilt. Einiges Russland steht, wie alle poli­ti­schen Par­teien im Land, vor einer ent­schei­denden Zeit, denn im nächsten Jahr finden die Wahlen zur Staatsduma statt und gemäß den von Putin vor­ge­schla­genen Ver­fas­sungs­än­de­rungen wird die Rolle des Par­la­ments gestärkt.

Jetzt ist es wichtig, dass in Russland rasch eine neue Regierung gebildet wird. Die Per­so­nalien werden vor­aus­sichtlich Anfang nächster Woche bekannt gegeben. Das Kabinett wird von Michail Mischustin geleitet, der erfolg­reich die rus­sische Steu­er­be­hörde leitete, bevor er Pre­mier­mi­nister wurde. Er ist ein außer­ge­wöhn­licher Mann. Eine poli­tische Kar­riere hat er nie gemacht. Er ist ein pro­fes­sio­neller Manager und ein genialer Ökonom. Wenn Sie meine per­sön­lichen Ein­drücke hören wollen, dann ist Michail Mischustin ein Motor mit einer rie­sigen Kraft­re­serve, ein Mann, der keine Grenzen kennt, freundlich, ent­schlossen und selbst­be­wusst. In der Steu­er­be­hörde hat er ein bril­lantes Team von ehr­lichen Fach­leuten auf­gebaut. Und man kann erwarten, dass Minis­ter­prä­sident Mischustin in der Lage sein wird, seine erfolg­reichen Erfah­rungen im Finanzamt auf die gesamte Wirt­schaft des Landes aus­zu­dehnen, um das Wachstum und damit die Lebens­qua­lität im Land anzukurbeln.

Es berichtet unser Kor­re­spondent aus der Haupstatdt.

Wer ist er, der neue Minis­ter­prä­sident der neuen rus­si­schen Regierung und damit gemäß Artikel 192 der rus­si­schen Ver­fassung der nach dem Prä­si­denten der zweite Mann im Staat?

Er wurde nicht mit einem Rekord­ergebnis gewählt, aber es war doch ein ein­zig­ar­tiges Ergebnis. Zum ersten Mal seit 1996 gab es keine Gegen­stimme bei der Wahl des Pre­mier­mi­nisters. Vor der Abstimmung gab es eine Dis­kussion. Anstelle der 15 Minuten, die das Reglement vor­sehen, dauerte Mischustins Rede nur zehn Minuten. Er sprach klar und auf den Punkt. Der Maßstab der neuen Regierung sind die Auf­gaben, die in der Rede des Prä­si­denten fest­gelegt wurden.

„Zunächst einmal geht es darum, sich um Kinder, Familie und den Wohl­stand zu kümmern und die Lebens­qua­lität zu ver­bessern. Dank makro­öko­no­mi­scher Sta­bi­lität und einem Haus­halts­über­schuss ver­fügen wir über die Finanzen, um alle Auf­gaben, die der Prä­sident uns rück­wirkend ab Januar dieses Jahres gestellt hat, zu erfüllen“, sagte der rus­sische Minis­ter­prä­sident Michail Mischustin.

„Was werden Sie als Minis­ter­prä­sident in erster Linie tun, um das Tempo bei der Umsetzung der natio­nalen Pro­jekte zu erhöhen?“, fragte Anton Getta, stell­ver­tre­tender Vor­sit­zender des Staatsduma-Aus­schusses für Finanzmärkte.

„Erstens ist es not­wendig, das Inves­ti­ti­ons­wachstum anzu­kurbeln, es ist sehr wichtig, das ver­lorene Ver­trauen zwi­schen Regierung und Wirt­schaft wie­der­her­zu­stellen, ernsthaft darüber zu sprechen, was die Wirt­schaft bremst und Kosten und über­mä­ßigen Druck zu besei­tigen. Darüber hinaus müssen wir Geld für Inves­ti­tionen in die Infra­struktur bereit­stellen.“, ant­wortete Mischustin.

„Wie beur­teilen Sie die Initiative der LDPR-Fraktion, Zah­lungen von Russen auf Kre­dit­ver­pflich­tungen abzu­schreiben oder ein­zu­frieren?“, fragte Alexei Didenko, Vor­sit­zender des Staatsduma-Aus­schusses für Bundes- und Kommunalangelegenheiten.

„Die beur­teile ich schlecht“, gab Michail Mischustin zu. „Eine Abschreibung auf Kre­dit­ver­pflich­tungen wird zu einer Reihe von Kon­kursen führen. Die Men­schen werden Geld ver­lieren, und zwar die­je­nigen, die nichts dafür können. Als Mann der Steuer bewerte ich die Abschrei­bungen generell nicht als gut.“

„Herr Mischustin, ich rate Ihnen, niemals negativ zu ant­worten, wie: das mache ich nicht, das funk­tio­niert nicht. Im Gegenteil, sagen Sie: Das funk­tio­niert, wir werden darüber nach­denken, wir werden eine Kom­mission bilden, werden wir sehen. Die Men­schen wollen etwas erfahren“, sagte der Leiter der LDPR, Vla­dimir Schirinovsky.

„Danke für den Rat, aber ich ant­worte lieber ehrlich und offen“, gab Mischustin zurück.

Die LDPR stimmte schließlich für ihn. Auch „Gerechtes Russland“ unter­stützte seine Kan­di­datur. „Ich habe keinen Zweifel daran, dass Sie in der Lage sein werden, die gran­diosen und ehr­gei­zigen Auf­gaben, die der Prä­sident gestellt hat, zu erfüllen“, sagte ihr Par­teichef Sergej Mironow.

„Er ist ein Manager, ein sehr gesel­liger Mensch. Er hat gute Gedanken und Ideen“, sagte Sergej Neverow, stell­ver­tre­tender Vor­sit­zender der Staatsduma und Chef der Fraktion Einiges Russland.

Am Vor­abend der Abstimmung traf sich Mischustin getrennt mit den Frak­tionen. Kameras waren nicht zuge­lassen. Mischustin hat bisher auf Andeu­tungen, wer dem neuen Team ange­hören wird, ver­zichtet. Aus diesem Grund haben die Kom­mu­nisten beschlossen, sich der Stimme zu ent­halten. „Er hat Erfah­rungen gesammelt, die Aner­kennung und maximale Unter­stützung ver­dienen. Wir können jetzt aber nicht für ihn stimmen, weil wir die Zusam­men­setzung des Kabi­netts nicht kennen und welches Pro­gramm es schließlich auf­legen wird“, sagte der Chef der Kom­mu­nis­ti­schen Partei Gennady Sjuganov.

Mischustins erste Per­so­nal­ent­scheidung hat er übrigens vor den Abge­ord­neten getroffen. Bei der Abstimmung saß auf dem Balkon in der ersten Reihe Daniil Jegorov, sein ehe­ma­liger Stell­ver­treter und jetzt neuer Leiter der Steuerbehörde.

Mischustin selbst ist seit August 1998 im Finanzamt. Er war Stell­ver­tre­tender Leiter der Behörde und stell­ver­tre­tender Minister für Steuern und Gebühren. Er ist gelernter Sys­tem­in­ge­nieur, ein auf­ge­klärter Tech­nokrat. Zu seinen Inno­va­tionen gehört die ange­nehmen Dinge, an das wir uns schnell gewöhnt haben: Steu­er­nummern, die elek­tro­nische, digitale Unter­schrift, indi­vi­du­eller Online-Zugang für jeden zum System des Finanz­amtes. (Anm. d. Übers.: In der Tat müssen die nor­malen Russen pro Jahr keine fünf Minuten für Steu­er­fragen auf­wenden, alles geht schnell und trans­parent online)

Das sind Auf­nahmen aus dem Jahr 2011. Der Prä­sident hatte damals ange­ordnet, der Wirt­schaft das Leben erleichtern. Heute gibt es Online-Regis­trier­kassen im ganzen Land. Das Gadget über­trägt die Daten in Echtzeit an das Finanzamt. Sie müssen keine Unter­lagen ein­reichen, es ist kein Blatt Papier mehr nötig. Davon haben wir uns im Steu­eramt per­sönlich überzeugt.

Man kann jeden Kauf auf seinem Smart­phone mit der App „Check den Scheck“ über­prüfen, indem man den Code auf einem Kas­senbon scant. Zivi­li­siert und kom­for­tabel geht es in den Büros der Behörde zu. Heute kommen die Men­schen auch mit Säug­lingen auf dem Arm, weil es so schnell geht.

Bis vor ein paar Jahren musste ein Unter­nehmer, um in die 46. Nie­der­lassung des Finanz­amtes zu kommen, durch die Hölle gehen. Stun­den­lange War­tezeit nachts auf der Straße, drängeln und fluchen im Inneren. Heute gibt es keine War­te­schlangen mehr. Ziehen wir selbst ein Ticket. Nach weniger als einer Minute wird meine Nummer bereits auf­ge­rufen und ich kann zum Schalter gehen. (Anm. d Übers.: Die Bilder im Beitrag zeigen einen Unter­schied, wie Tag und Nacht. Noch 2011 haben die Men­schen oft ab 3 Uhr nachts vor den Finanz­ämtern Schlange gestanden, um eine Chance zu haben, einen Termin zu bekommen, heute sind die Hallen leer und wer einer Frage hat, sitzt nach weniger als fünf Minuten War­tezeit bei einem Beamten. Ich habe das selbst gerade erst per­sönlich erlebt, als ich eine Frage zu meiner Steu­er­nummer hatte. Ich war keine fünf Minuten im Gebäude und alles war erledigt)

Heute kommen die Experten aus der ganzen Welt, um von den Methoden der rus­si­schen Steu­er­be­hörde zu lernen.

Eine der Errun­gen­schaften hat es ins Guinness-Buch der Rekorde geschafft. Der Kos­monaut Pawel Wino­gradow zahlte seine Steuern online von seinem pri­vaten Zugang aus dem All aus.

Im ehe­ma­ligen Emp­fangsraum von Mischustin ist es unge­wöhnlich ruhig. Die Sekre­tä­rinnen ver­folgen mit unver­hoh­lener Trau­rigkeit die Über­tragung aus der Duma. Michail Mischustin arbeitete seit 10 Jahren in diesem Büro. Während dieser Zeit ging die Zahl der Steu­er­prü­fungen in Russland um 80 Prozent zurück. Aber die Steu­er­ein­nahmen haben sich allein in den letzten fünf Jahren um das Andert­halb­fache erhöht. (Anm. d. Übers.: Wohl­ge­merkt: Ohne Steu­er­erhö­hungen (mit Aus­nahme der Mehr­werts­steuer, die 2018 erhöht wurde), nur durch Erhöhung der Effi­zienz)

Heute stellt das Finanzamt 78 % der Staats­ein­nahmen. Das Steu­er­wachstum über­trifft das Wirt­schafts­wachstum. Es wurde ein­facher, sich selb­ständig zu machen, Russland stieg im Ranking von Doing Business von Platz 120 auf Platz 28. Steu­er­terror und graue Mehr­wert­steu­er­erstat­tungs­systeme gehören der Ver­gan­genheit an.

Mit 53 Jahren ist Mischustin Doktor der Wirt­schafts­wis­sen­schaften und Autor von Lehr­bü­chern. Er ist ver­hei­ratet und hat drei Söhne. Er spielt Klavier. Sein sport­liches Hobby ist Eis­hockey. Er ist ein­ge­fleischter ZSKA-Fan und ist Mit­glied des Auf­sichtsrats des Vereins. Sein Name wurde sogar in den Gagarin-Pokal eingraviert.

Den Wechsel zu seinem neuen Job vollzog Michail Mischustin schnell. Am Mittwoch verließ er das Gebäude als Leiter der Steu­er­be­hörde und am 15. Januar traf er sich als Regie­rungschef mit seinem Vor­gänger Dmitri Med­wedew im Weißen Haus, dem Sitz der Regierung. Die span­nende Frage der nächsten Tage ist, wen Michail Mischustin in sein neues Kabinett berufen wird.

Ende der Übersetzung


Wenn Sie sich dafür inter­es­sieren, wie Russland auf die Fragen der inter­na­tio­nalen Politik blickt, dann sollten Sie sich die Beschreibung meines Buches ansehen, in dem ich Putin direkt und unge­kürzt in langen Zitaten zu Wort kommen lasse.


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru

Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“