Türkei lässt Muskeln spielen zum Israel-Grie­chisch-Zyprio­ti­schen EastMed-Gas-Pipeline-Deal

Israel, Grie­chenland und Zypern haben ein Abkommen über ein Pipeline-Projekt zum Transport von Erdgas aus dem öst­lichen Mit­tel­meerraum nach Europa unter­zeichnet. Die Ver­ein­barung erfolgt inmitten zuneh­mender Span­nungen mit der Türkei, da Ankara seine Ansprüche auf gas­reiche Gebiete des Mit­tel­meers aus­weiten will.

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(von Soeren Kern)

Der israe­lische Pre­mier­mi­nister Ben­jamin Netanjahu, sein grie­chi­scher Amts­kollege Kyriakos Mit­so­takis und der zyprio­tische Prä­sident Nicos Ana­sta­siades sowie ihre Ener­gie­mi­nister unter­zeich­neten am 2. Januar in Athen den so genannten EastMed-Pipeline-Vertrag.

Das 6‑Mil­li­arden-Euro-Projekt sieht den Bau einer 1.900 Kilo­meter langen Unter­wasser-Pipeline vor, die bis zu 20 Mil­li­arden Kubik­meter Gas pro Jahr aus israe­li­schen und zypri­schen Gewässern nach Kreta und dann weiter zum grie­chi­schen Festland trans­por­tieren soll. Von dort aus würde das Gas nach Italien und in andere Länder Süd­ost­eu­ropas trans­por­tiert werden.

Israel, Grie­chenland und Zypern hoffen, bis 2022 eine end­gültige Inves­ti­ti­ons­ent­scheidung zu treffen und die Pipeline bis 2025 fer­tig­zu­stellen. Das EastMed-Projekt, das die Türkei umgehen würde, könnte schließlich bis zu 10% des euro­päi­schen Erd­gas­be­darfs decken.

Die Unter­zeichnung des EastMed-Pipeline-Pro­jekts erfolgte einen Monat, nachdem die Türkei und Libyen ein bila­te­rales Abkommen über die See­grenzen im süd­öst­lichen Mit­telmeer geschlossen hatten. Das Abkommen, das am 27. November vom tür­ki­schen Prä­si­denten Recep Tayyip Erdoğan und dem von der UNO unter­stützten Führer Libyens, Fayez al Sarraj, unter­zeichnet wurde, ver­sucht, die bestehenden See­grenzen neu zu ziehen, so dass Libyen angeblich die Exklu­siv­rechte über 39.000 Qua­drat­ki­lo­meter Mee­res­ge­wässer, die zu Grie­chenland gehören, bean­spruchen kann.

Das bila­terale Abkommen — das eine neue tür­kisch-libysche Wirt­schaftszone schafft, die die EastMed-Pipeline nun durch­queren müsste — scheint darauf abzielen, der Türkei mehr Ein­fluss auf das Projekt zu geben. In Bezug auf das Abkommen zwi­schen der Türkei und Libyen sagte Erdoğan:

“Andere inter­na­tionale Akteure können in den im tür­kisch-liby­schen Memo­randum mar­kierten Gebieten keine Explo­ra­ti­ons­ak­ti­vi­täten durch­führen. Die grie­chisch-Zyprioten, Ägypten, Grie­chenland und Israel können ohne die Zustimmung der Türkei keine Erdgas-Pipeline errichten”.

Mitte Dezember soll das tür­kische Außen­mi­nis­terium den israe­li­schen Spit­zen­di­plo­maten in Ankara ein­be­stellt haben, um ihm mit­zu­teilen, dass Israels Plan, eine Erd­gas­leitung nach Europa zu ver­legen, der Zustimmung der Türkei bedarf.

Der Sprecher des tür­ki­schen Außen­mi­nis­te­riums, Hami Aksoy, sagte, es bestehe keine Not­wen­digkeit, die EastMed-Pipeline zu bauen, da die Trans-Ana­to­lische Erd­gas­leitung bereits exis­tiere. “Der wirt­schaft­lichste und sicherste Weg, die natür­lichen Res­sourcen im öst­lichen Mit­tel­meerraum zu nutzen und sie an die Ver­brauchs­märkte in Europa, ein­schließlich unseres Landes, zu liefern, ist die Türkei”, sagte er in einer Erklärung.

Die Euro­päische Union hat den Vertrag zwi­schen der Türkei und Libyen als völ­ker­rechts­widrig zurück­ge­wiesen. In einer Erklärung vom 8. Januar erklärte der Prä­sident des Euro­päi­schen Rates, Charles Michel:

“Die jüngste Ver­ein­barung zwi­schen der Türkei und Libyen über die Abgrenzung der See­ge­richts­barkeit im Mit­telmeer ver­letzt die sou­ve­ränen Rechte von Dritt­staaten, steht nicht im Ein­klang mit dem See­recht und kann keine recht­lichen Kon­se­quenzen für Dritt­staaten nach sich ziehen.

Ägypten ver­ur­teilte die Ver­ein­barung zwi­schen der Türkei und Libyen als “illegal und nicht bindend oder die Inter­essen und Rechte Dritter beeinträchtigend”.

Der grie­chische Außen­mi­nister Nikos Dendias hielt fest:

“Jedes See­fahrts­ab­kommen zwi­schen Libyen und der Türkei igno­riert etwas, das ganz offen­sichtlich ist, nämlich dass zwi­schen diesen beiden Ländern die große geo­gra­phische Land­masse Kretas liegt. Daher grenzt ein solcher Versuch ans Absurde.”

Am 11. Dezember deutete der tür­kische Außen­mi­nister Mevlut Çavuşoğlu an, dass Ankara sein Militär ein­setzen könnte, um Gas­boh­rungen in den Gewässern vor Zypern, die es als sein eigenes behauptet, zu ver­hindern. “Niemand kann diese Art von Arbeit ohne unsere Erlaubnis durch­führen”, sagte er in einem Interview mit der Zeitung Habertürk. “Wir werden natürlich jeg­liche unau­to­ri­sierte Arbeit verhindern.”

Zypern ist seit 1974 geteilt, als die Türkei ein­drang und das nörd­liche Drittel der Insel besetzte. Die Türkei, die keine diplo­ma­ti­schen Bezie­hungen mit der süd­lichen Republik Zypern, einem EU-Mit­glied, unterhält, behauptet, dass mehr als 40% der zyprio­ti­schen Mee­reszone, die als Aus­schließ­liche Wirt­schaftszone (AWZ) bekannt ist, auf dem tür­ki­schen Fest­land­sockel liegt und daher Ankara oder den tür­ki­schen Zyprioten gehört.

Zypern liegt am mari­timen Rand meh­rerer großer Gas­funde im Levante-Becken, dar­unter der Leviathan vor Israel und der Zohr vor Ägypten. In der Ver­gan­genheit hat die Türkei mit mili­tä­ri­scher Gewalt Fort­schritte bei den Boh­rungen in den von ihr bean­spruchten Gewässern behindert.

So hat die tür­kische Marine im Dezember 2019 ein israe­li­sches Schiff in zyprio­ti­schen Gewässern abge­fangen und zum Ver­lassen des Gebietes gezwungen. Das Schiff, die Bat Galim der israe­li­schen ozea­no­gra­phi­schen und lim­no­lo­gi­schen For­schungs­ein­richtung führte nach Angaben des israe­li­schen Minis­te­riums für nationale Infra­struktur, Energie und Wasser in Abstimmung mit zyprio­ti­schen Beamten For­schungs­ar­beiten in den zyprio­ti­schen Hoheits­ge­wässern durch.

Im Februar 2018, zwei Wochen nachdem der ita­lie­nische Ener­gie­riese Eni bekannt gab, dass er in der zyprio­ti­schen AWZ “einen viel­ver­spre­chenden Gasfund” gemacht habe, stoppten tür­kische Mili­tär­schiffe ein von Eni ange­heu­ertes Schiff, das vor der zyprio­ti­schen Küste nach Gas bohren sollte.

Im Oktober 2018 stoppte die tür­kische Marine eine grie­chische Fre­gatte, die das tür­kische Seis­mik­schiff “Bar­baros Hayreddin Pasa” begleitete, das nach Angaben der grie­chi­schen Behörden in den von Zypern bean­spruchten Gewässern ope­rierte. Wenige Tage später kün­digte der tür­kische Ener­gie­mi­nister Fatih Dönmez an, dass das Bohr­schiff “Fatih” vor der Küste Zyperns mit der Bohrung nach Öl und Gas beginnen werde.

Im Mai 2019 kün­digte die Türkei an, dass sie in den von Zypern bean­spruchten Gewässern nach Gas bohren werde. “Die legi­timen Rechte der Türkei und der nord­zy­pri­schen Türken über die Ener­gie­res­sourcen im öst­lichen Mit­telmeer sind nicht anfechtbar”, sagte Erdoğan. “Unser Land ist ent­schlossen, seine Rechte und die der zyprio­ti­schen Türken zu ver­tei­digen”, fügte er hinzu.

Die Ver­ei­nigten Staaten warnten dar­aufhin die Türkei vor Off­shore-Boh­rungen in den von der Republik Zypern bean­spruchten Gewässern. “Dieser Schritt ist höchst pro­vo­kativ und birgt die Gefahr, dass die Span­nungen in der Region zunehmen”, sagte der Sprecher des Außen­mi­nis­te­riums, Morgan Ortagus. “Wir fordern die tür­ki­schen Behörden auf, diese Ope­ra­tionen ein­zu­stellen und ermu­tigen alle Par­teien zur Zurückhaltung.”

Im Juli 2019 ver­knüpften die EU-Außen­mi­nister die Fort­schritte bei den tür­ki­schen EU-Bei­tritts­ge­sprächen formell mit Zypern. In einer vom Euro­päi­schen Rat am 15. Juli ange­nom­menen Maß­nahme heißt es:

“Der Rat bedauert, dass die Türkei trotz der wie­der­holten Auf­for­de­rungen der Euro­päi­schen Union, ihre ille­galen Akti­vi­täten im öst­lichen Mit­telmeer ein­zu­stellen, ihre Boh­rungen westlich von Zypern fort­ge­setzt und eine zweite Bohr­ope­ration nord­östlich von Zypern in den zypri­schen Hoheits­ge­wässern ein­ge­leitet hat. Der Rat weist erneut auf die schwer­wie­genden unmit­tel­baren nega­tiven Aus­wir­kungen hin, die solche ille­galen Aktionen im gesamten Spektrum der Bezie­hungen zwi­schen der EU und der Türkei haben. Der Rat fordert die Türkei erneut auf, von solchen Aktionen Abstand zu nehmen, im Geiste guter Nach­bar­schaft zu handeln und die Sou­ve­rä­nität und die sou­ve­ränen Rechte Zyperns im Ein­klang mit dem Völ­ker­recht zu achten.…

“In Anbe­tracht der anhal­tenden und neuen ille­galen Bohr­tä­tig­keiten der Türkei beschließt der Rat, … weitere Treffen im Rahmen der hoch­ran­gigen Dialoge zwi­schen der EU und der Türkei vorerst aus­zu­setzen. Der Rat billigt den Vor­schlag der Kom­mission, die Her­an­füh­rungs­hilfe für die Türkei bis 2020 zu kürzen.”

Im Oktober 2019 trotzte die Türkei der Euro­päi­schen Union, indem sie ein wei­teres Bohr­schiff, die Yavuz, in die von Zypern bean­spruchten Gewässer schickte. Zypern beschul­digte die Türkei einer “schweren Eska­lation” von Ver­let­zungen ihrer Sou­ve­rä­ni­täts­rechte. Eni-Geschäfts­führer Claudio Des­calzi sagte dar­aufhin, dass sein Unter­nehmen keine Boh­rungen vor der Küste Zyperns vor­nehmen werde, wenn die Türkei Kriegs­schiffe in das Gebiet schicke: “Wenn jemand mit Kriegs­schiffen auf­taucht, werde ich keine Brunnen bohren. Ich will auf keinen Fall einen Krieg um das Bohren von Brunnen provozieren.”

Am 11. November einigten sich die Außen­mi­nister der Euro­päi­schen Union auf ein Paket von Wirt­schafts­sank­tionen gegen die tür­ki­schen Boh­rungen vor der Küste Zyperns. In einer Erklärung sagte der EU-Rat:

“Dieser Rahmen wird es ermög­lichen, Per­sonen oder Ein­rich­tungen zu sank­tio­nieren, die für unzu­lässige Boh­rungen von Koh­len­was­ser­stoffen im öst­lichen Mit­telmeer ver­ant­wortlich oder daran beteiligt sind.

“Die Sank­tionen bestehen aus einem Rei­se­verbot in die EU und dem Ein­frieren von Ver­mö­gens­werten für Per­sonen und einem Ein­frieren von Ver­mö­gens­werten für Ein­rich­tungen. Darüber hinaus ist es Per­sonen und Ein­rich­tungen aus der EU untersagt, den auf­ge­führten Per­sonen und Ein­rich­tungen Gelder zur Ver­fügung zu stellen.”

Am 15. November trotzten die tür­ki­schen Behörden erneut der EU, indem sie bekannt gaben, dass das tür­kische Öl- und Gas­bohr­schiff Fatih vor der Küste Nord­ost­zy­perns in Betrieb genommen worden sei.

Trotz der Span­nungen mit der Türkei sind die Befür­worter des EastMed-Pipeline-Pro­jekts wei­terhin positiv gestimmt. Bei der fei­er­lichen Unter­zeichnung des Pro­jekts in Athen sagte Minis­ter­prä­sident Netanjahu:

“Dies ist ein his­to­ri­scher Tag für Israel, denn Israel ent­wi­ckelt sich schnell zu einer Energie-Super­macht, zu einem Land, das Energie exportiert.

“Das ist eine gewaltige Ver­än­derung. Israel war schon immer ein ‘Randland’, ein Land, das keine Ver­bin­dungen hatte, wörtlich und im über­tra­genen Sinne. Jetzt haben wir zusätzlich zu unseren Außen­be­zie­hungen, die jen­seits aller Vor­stel­lungs­kraft und allem, was wir kennen, blühen, ein spe­zi­fi­sches Bündnis für diese wich­tigen Ziele im öst­lichen Mittelmeerraum.

“Dies ist ein echtes Bündnis im öst­lichen Mit­tel­meerraum, das wirt­schaftlich und poli­tisch ist und zur Sicherheit und Sta­bi­lität der Region bei­trägt. Auch hier gilt: Nicht gegen nie­manden, sondern für die Werte und zum Wohle unserer Bürger.”

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Der grie­chische Pre­mier­mi­nister Mit­so­takis sagte, die Pipeline sei von “geo­stra­te­gi­scher Bedeutung” und werde zum regio­nalen Frieden bei­tragen. Der grie­chische Ener­gie­mi­nister Kostis Hatz­idakis nannte es “ein Projekt des Friedens und der Zusam­men­arbeit” trotz “tür­ki­scher Bedro­hungen”. Der zyprio­tische Prä­sident Ana­sta­siades sagte, sein Ziel sei “Zusam­men­arbeit und nicht Riva­lität im Nahen Osten”.

In der Zwi­schenzeit hat Israels 3,2 Mil­li­arden Euro teures Leviathan-Feld, das größte Erd­gasfeld im öst­lichen Mit­telmeer, am 31. Dezember 2019 die Pro­duktion auf­ge­nommen und damit den Weg für Mul­ti­mil­li­arden-Dollar-Gas­ex­port­ge­schäfte mit Ägypten und Jor­danien geebnet.

Das Erdgas aus dem Leviathan-Feld begann am 2. Januar 2020 nach Jor­danien zu fließen, gemäß einem 2016 unter­zeich­neten 10-Mil­li­arden-Dollar-Deal. Ägypten wird ab Mitte Januar mit dem Import von israe­li­schem Gas beginnen.

Die Gas­menge, die aus dem 130 Kilo­meter westlich der Hafen­stadt Haifa gele­genen Leviathan-Feld gefördert wird, soll in 15 Jahren 105 Mil­li­arden Kubik­meter (bcm) erreichen, während das nahe gelegene Tamar-Feld im gleichen Zeitraum fast 30 Mrd. m3 expor­tieren wird. Der Wert der Exporte wird auf 19,5 Mil­li­arden Dollar geschätzt, wobei 14 Mil­li­arden Dollar auf Leviathan und 5,5 Mil­li­arden Dollar auf Tamar entfallen.

“Zum ersten Mal seit seiner Gründung ist Israel jetzt ein Ener­gie­kraftwerk, das in der Lage ist, seinen gesamten Ener­gie­bedarf zu decken und Ener­gie­un­ab­hän­gigkeit zu erlangen”, sagte Yossi Abu, der CEO von Israels Delek Drilling, einem der Partner des Leviathan-Pro­jekts. “Gleich­zeitig werden wir Erdgas in die Nach­bar­länder Israels expor­tieren und damit die Position Israels in der Region stärken”.

Der Prä­sident der texa­ni­schen Noble Energy, Brent Smolik, fasste es so zusammen: “Wir denken, es ist ein großer Tag für Israel und die Region.”

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Soeren Kern ist ein Senior Fellow am New Yorker Gatestone Institute.


Quelle: gatestoneinstitute.org