Knapp neunzig Jahre ist es her, dass die blutleere Weimarer Republik von einer Ideologie übernommen wurde, die Einigkeit durch Gleichschaltung, Recht durch Gesinnung und Freiheit durch Gemeinschaft der Guten und Ausgrenzung der Bösen ersetzte.
(von Gerold Keefer)
Dass die legitimen Interessen von Staat und Volk in der Folge der Niederlage von 1918 ein Jahrzehnt lang mit Füßen getreten wurden, hatte angeheizt durch jahrelange wirtschaftliche Not zu einem beispiellosen Stau von Wut, Groll und Hass geführt.
Der Boden für übersteigerten Nationalismus und revanchistischen Militarismus war bereitet. Auf ihm wurde ein totalitäres Reich geschaffen, ausgerichtet auf einen Führer, wie es ihn nur einmal in tausend Jahre geben konnte. So manche Kämpfer der ersten Stunde durchschauten den Mummenschanz und distanzierten sich von Gleichschaltung, Führerprinzip und Leviathan, die Mehrheit richtete sich ein und machten Karriere. Das Land kam wirtschaftlich erstaunlich schnell wieder zu Kraft. Zwischen den zurückgekehrten Fahnen, Pauken und Gesängen wähnten sich die Deutschen auf einem vermeintlich guten Weg.
Die traditionellen Gegner von Links wurden ins innere oder äußere Exil getrieben oder ins KZ gesteckt. Die Verfolgung der Juden begann – langsam aber gewaltig. Zwölf Jahre später endete der Schlaf der Vernunft mit einem fürchterlichen Erwachen inmitten von Millionen Toten in einem geschlagenen und bald auch zerschlagenen Land. Von den Überlebenden in spöttischer Selbsterkenntnis Trizonesien genannt.
An der kurzen Leine der zwei zu Supermächten gewachsenen Siegermächte, durften sich im Zuge des Kalten Krieges zwei Staaten etablieren, die jeweils eine Bonsai-Variante der sie führenden Supermacht darstellten.
Während mit der Bundesrepublik unter den Argusaugen der Westmächte eine Verfassungsrepublik mit Ansätzen einer freiheitlichen Gesellschaft eingerichtet wurde, wechselte in der Deutschen Demokratischen Republik der Totalitarismus lediglich Personal, Embleme und Feindbilder. Die Mechanismen aber blieben die gleichen: Führerprinzip, Gleichschaltung, Gemeinschaft der Guten und Ausgrenzung der Bösen.
Massenflucht und Arbeiteraufstand entlarvten den zweiten deutschen Gesinnungsstaat bald als ein Glied in der Kette kommunistischer Sklavenstaaten, die nach dem “Tag der Befreiung”, in Osteuropa entstanden.
Dreißig Jahre nach dem unrühmlichen Ende des zweiten deutschen Gesinnungsstaats, glücklicherweise nur in Mitten von Millionenschulden statt Millionentoten, sind wir seit einem halben Jahrzehnt Zeugen der Errichtung des dritten deutschen Gesinnungsstaats.
Von denen, die eine solche Behauptung für absurd halten, mag da mit einiger Berechtigung Widerspruch kommen: Wo bitte sind die Lager der Ausgegrenzten?
Diese Rede hat etwas für sich: Die Ausgrenzung findet bisher nur fallweise handgreiflich und nur durch Gerichtsurteile statt, aber in Sprache und Argumentation ist man schon weiter fortgeschritten. Der Gesinnungsstaat und seine Anhänger machen sich dadurch kenntlich, dass sie nicht mehr zwischen wahr und falsch unterscheiden, sondern nur noch zwischen gut und böse. Die Logik wird der Moral nicht nur untergeordnet, sie wird von ihr gleich vollständig ersetzt. Der Gesinnungsstaat lässt sich bei seiner Einteilung in Gut und Böse längst nicht mehr von der Wahrheit beeindrucken oder gar vom Argument. Denn selbst das gute Argument, die richtige These und die zutreffende Beobachtung sind böse, wenn sie der guten Gesinnung schaden könnten.
Der Vorhof des Lagers wird mit dieser Einteilung in Gut und Böse, Freund und Feind schon mal blank gefegt. Der logische nächste Schritt bei der Ersetzung von Logik durch Moral wird von den Gerichten bereits vollzogen: Statt Entscheidungen ohne Ansehen der Person, ist das Ansehen der Person bereits entscheidend. Wer der Gesinnung folgt oder als noch nicht so lange hier Lebender in ihr Freundbild passt, darf auf Gnade vor Recht hoffen, wer jedoch der Gesinnung gefährlich wird, wer ihrem Feindbild entspricht, der darf nicht auf Gnade und schon gar nicht auf Recht hoffen, der wird auch nicht verurteilt, sondern eher gebrandmarkt, geächtet und verstoßen.
Wer glaubt es sei von diesem Punkt bis zum Lager noch ein langer Weg, der sollte damit aufhören, die Energie der richtigen Gesinnung gewaltig zu unterschätzen. Im Mittelpunkt des gegenwärtigen Gesinnungsprojekts steht die ethnische Umgestaltung der Lebenswirklichkeit des Landes ohne gesellschaftlichen Konsens oder gar Diskurs. In einem schwachen Moment hat die Kanzlerin das Ziel bei Anne Will am 07.10.2015 ausgeplaudert: “Möglichst viele Menschen in Deutschland!” – fremde Menschen wohlgemerkt. Das Projekt der Umwandlung “einer monoethnischen, monokulturellen Demokratie in eine multiethnische” (O‑Ton Yascha Mounk, Tagesthemen, 20.02–2018) wird als alternativlos-humanitär dargestellt und soll damit unangreifbar gemacht werden, obwohl es auch und gerade unter humanitären Gesichtspunkten reichlich Alternativen gibt.
Wer mit der Ansiedlung kulturfremder Menschen in großer Zahl absichtsvoll Gegengesellschaften schafft, die erkennbar öffentliche und private Räume gewaltdrohend oder ‑anwendend besetzen, die absehbar Sozialsysteme überbeanspruchen und beobachtbar zivile Normen mißachten, der führt den Bürger in eine Lebenswelt, die vielleicht keinem Lagerzustand, aber einem Belagerungszustand gleicht. Es ist ein Belagerungszustand, den der Bürger zudem noch selbst mit seinen zweckentfremdeten Steuern bezahlt. Das Gefühl der Belagerung stellt sich ein, wenn der Gesinnungsstaat und sein mediales Helfernetzwerk dem Bürger selbst die friedliche Gegenwehr als Rassismus, selbst die sachliche Gegenmeinung als Hass und selbst die belegte Wahrheitsbenennung als Hetze auslegt, völlig losgelöst von dem was dem Bürger im Grundgesetz garantiert ist. Denn im Gesinnungsstaat wird das Recht elastisch, die Moral absolut und die Kontrolle total.
Ein Lager kann die Freiheit nur zeitlich und örtlich begrenzen. Ein überfremdetes Land, eine verlorene Heimat und eine verdrängte Kultur wirken nur auf den ersten Blick weniger repressiv. Auf Dauer leisten sie viel subtiler etwas, was kein Lager zu leisten vermag.
Willkommen im Dritten Deutschen Gesinnungsstaat!
Dieser lesenswerte Beitrag erschien zuerst auf dem Blog von Peter Helmes – www.conservo.wordpress.com
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