Friedlich? - Bild rechts: "Antifa" Logo - Bild links: By Khalid Albaih - flickr.com - CC BY 2.0

Auf­klä­rungs­kam­pagne gegen Links­extre­mismus soll ein­ge­stellt werden

In Hessen läuft in Schulen eine Auf­klä­rungs­kam­pagne gegen Links­extre­mismus. Was wie eine gute Idee klingt, soll nun ein­ge­stellt werden. Die Begründung basiert jedoch auf fal­schen Informationen.

Der Spiegel hat am Freitag über die Aktion und die Kritik daran berichtet:

„Seit einigen Monaten ist die Kam­pagne an Hessens Schulen in Umlauf und hat scharfe Kritik aus­gelöst. Ein Gut­achten kommt nun zu dem Ergebnis, das Material sei „unver­züglich aus den Schulen zu ent­fernen“. Die Pla­kat­reihe sei „wis­sen­schaftlich, päd­ago­gisch und didak­tisch nicht haltbar“, heißt es in einer Bewertung von Martina Tschirner, Didaktik-Pro­fes­sorin an der Goethe-Uni­ver­sität in Frankfurt am Main, und Christoph Bauer, Lehrer an einem Gym­nasium der Stadt.“

Der Grund für die Kritik ist laut Spiegel:

„Das Thema Links­extre­mismus werde nur ober­flächlich behandelt und ori­en­tiere sich zudem an einem höchst strit­tigen Extre­mis­mus­konzept, das auf eine Gleich­setzung von Links- und Rechts­extre­mismus hin­aus­laufe, so Koch.“

Warum kann man Rechts- und Links­extre­mismus nicht gleich­setzen? Beide sind glei­cher­maßen ver­fas­sungs­feindlich, gefährlich und gewalt­tätig. Aber die Autoren der ver­linkten Studie scheinen den Rechts­extre­mismus schlimmer zu finden, als den Links­extre­mismus. Das ist eine Ein­schätzung nach eigener poli­ti­scher Ein­stellung, aber keine objektive oder gar wis­sen­schaft­liche Ein­schätzung. Zumindest sehe ich das so und kann das mit Zahlen belegen. Dazu gleich mehr.

Weiter kann man im Spiegel etwas lesen, was ent­larvt, dass die Ein­schätzung der „Experten“ nicht wis­sen­schaftlich, sondern in der eigenen poli­ti­schen Ein­stellung begründet liegt:

„Die beiden Gut­achter dagegen machen ihre Kritik zum Bei­spiel an einem Plakat fest. Es stelle Links­extre­misten, Rechts­extreme und Isla­misten auf eine Stufe. In einer Mini-Sta­tistik am Rand werde gar fälsch­li­cher­weise der Ein­druck erweckt, Links­extre­misten stellten die größte Gefährdung dar.“

Das stimmt so nicht. Auf dem kri­ti­sierten Plakat findet sich fol­gende „Mini-Sta­tistik“ und als Quelle wird der Ver­fas­sungs­schutz­be­richt angegeben.

Aus­schnitt aus dem Plakat
Voll­stän­diges Plakat

Wie die „Gut­achter“ zu der Erkenntnis kommen, es werde „fälsch­li­cher­weise der Ein­druck erweckt“, wird nicht erklärt. Offen­sichtlich ist das ihre private Meinung, für die sie keine Belege liefern.

Den Ver­fas­sungs­schutz­be­richt 2018 habe ich, als er erschienen ist, ana­ly­siert. Zu der Frage der extre­mis­tisch moti­vierten Gewalt­taten ging aus dem Ver­fas­sungs­schutz­be­richt hervor:

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„Die Anzahl der rechten Gewalt­taten hat sich leicht von 1.064 in 2017 auf 1.088 in 2018 erhöht. Die Anzahl der linken Gewalt­taten ist stark zurück­ge­gangen, von 1.648 in 2017 auf 1.010 in 2018. Aller­dings muss man anmerken, dass die Zahl der linken Gewalt­taten in 2017 wegen des G20-Treffens in Hamburg so hoch war. (…) Rechts­extreme haben in 2017 1.653 der­artige Straf­taten (Sach­be­schä­digung und Nötigung/Bedrohung) begangen, in 2018 nur noch 1.257. Auf das Konto von Links­extremen gingen in 2017 3.270 der­artige Straf­taten, in 2018 waren es noch 2.290. (…) Und damit kommen wir ins­gesamt auf 2.707 rechte Straf­taten in 2017 und auf 2.345 in 2018. Bei den Straf­taten aus dem linken Bereich waren 4.918 Straf­taten in 2017 und 3.300 in 2018.“

Der Ver­fas­sungs­schutz­be­richt sagte also aus, dass es mehr Links­extre­misten in Deutschland gibt, als Rechts­extre­misten und dass die Links­extre­misten ins­gesamt mehr Straf­taten der genannten Kate­gorien (Gewalt­taten, Sach­be­schä­digung und Nötigung/Bedrohung) verüben, als die Rechtsextremisten.

Damit will die die Gefahr durch Rechts­extre­misten nicht ver­nied­lichen. Ich bin gegen jede Form von Extre­mismus, aber die Zahlen sprechen eine deut­liche Sprache: Die größere Gefahr geht in Deutschland derzeit tat­sächlich von den Links­extre­misten aus.

Dass der Spiegel das nicht richtig stellt, hat Methode. Schon als der Ver­fas­sungs­schutz­be­richt erschienen ist, hat der Spiegel die Gewalt­taten der Links­extre­misten kom­plett ver­schwiegen, was der Grund für meine hier ver­linkte Analyse des Berichts war. Die deut­schen Medien haben darüber ein­seitig und unvoll­ständig berichtet. In Deutschland wird die „Gefahr von Rechts“ medial auf­ge­bläht und die „Gefahr von Links“ fast kom­plett verschwiegen.

Das ist keine objektive Bericht­erstattung, das ist Des­in­for­mation. Auf die Frage, warum das in Deutschland so gehandhabt wird, darf sich jeder seine eigene Antwort suchen.

Ich halte jede Form von Extre­mismus für gefährlich und mache dabei keinen Unter­schied zwi­schen Extre­mismus durch „Linke“, „Rechte“ oder Islamisten.


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru

Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“