Schon lange lesen wir Artikel um Artikel, dass wir uns auf einen flächendeckenden Blackout vorbereiten sollten – also Preppern (was an und für sich ja schon rechtsradikal ist). Jetzt gibt das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BBK) eine Broschüre heraus, in der ab Seite 34 ein Notfallkochbuch vorgestellt wird, was dem Bundesbürger ans Herz gelegt wird. „Nahrhaft kochen ohne Strom“. Kann man noch deutlicher werden, was uns bevorsteht?
Früher haben wir „perfekten Deutschen“ uns immer mokiert über die nicht ganz so perfekten Zustände in Zweite-Welt-Ländern wie Griechenland oder damals Russland, wo man improvisieren musste, um zurechtzukommen, weil es dies oder das nicht gab oder etwas nicht funktionierte. Stromausfall im Hotel auf Lesbos, hahaha, so sind sie, die lieben Griechen, nix funktioniert. Als die Russlanddeutschen kamen, sahen wir mit einer Mischung aus Mitleid und Bewunderung, was die so alles selber machen konnten und irgendwie mit Behelfsmöglichkeiten etwas zusammenspengelten, was dann tatsächlich funktionierte – Welten entfernt von deutschen Vorschriften, Qualitätsstandards und Sicherheitsbestimmungen. Motto: „Chaaast Du Chaaammer, Chaast Du Draht, kommst Du bis nach Leningrad“.
So, Landsleute, nun ist es so weit und wir sind ebenfalls dort angekommen. Nur wollen wir‘s noch nicht so recht glauben. Die Broschüre stellt dazu richtig fest:
„Laut zweier Umfragen im Rahmen des Projektes ‚Neue Strategien der Ernährungsnotfallvorsorge‘ (…) waren weniger als ein Viertel der Befragten in der Lage, den damals noch auf 14 Tage festgesetzten Maximalzeitraum mit eigenen Vorräten zu überbrücken. Lediglich 41% hielten für eine Woche durch (…). Die Gründe für die mangelnde Umsetzung der behördlichen Empfehlungen sahen die Forscher der Studie einerseits in der geringen wahrgenommenen Eintrittswahrscheinlichkeit einer Ernährungsnotsituation – bei gleichwohl hohem Respekt vor deren Auswirkungen. Andererseits sei die geringe Verbreitung der behördlichen Empfehlungen selbst eine der Ursachen: Lediglich 8% der Befragten gaben an, die behördlichen Informationsangebote überhaupt zu kennen.
Da es seit Ende der Nachkriegszeit in Deutschland keine größeren Bedrohungen mehr für die Lebensmittelversorgung gegeben hat, scheint das Thema Notvorrat an den Rand des gesellschaftlichen Diskurses gedrängt worden zu sein.“
Ja, sehr richtig. Wir haben seit etwa 75 Jahren in Deutschland ein stabiles System gehabt, längere Stromausfälle waren absolute Ausnahmen und nur echten Extremsituationen geschuldet. Engpässe in der Nahrungsmittelversorgung ebenfalls. Nun müssen wir damit jederzeit rechnen – und das dann für längere Zeit. Dem informierten Leser muss man nicht erklären, warum wir schnurstracks auf dem Weg zu einem Zweite-Welt-Land sind. Die Allgemeinheit ist immer noch ahnungslos.
Trotzdem tut man in der Broschüre so, als habe nicht die Infrastruktur Deutschlands durch Merkels Politik massiv an Stabilität eingebüßt, sondern die böse Welt habe sich heimtückisch verändert:
„Katastrophen und Krisen stellen unsere moderne Art der Nahrungsversorgung und –zubereitung auf eine harte Probe. Hochwasser, Unwetter oder ein Schneesturm behindern möglicherweise den Zugang zu Lebensmittelgeschäften, sofern deren Regale aufgrund derselben Problematik überhaupt noch gefüllt sind. Epidemien oder vergiftete Lebensmittel stellen Versorger- und Verbraucherseite gleichermaßen vor Herausforderungen. Einen weiteren neuralgischen Punkt unserer Ernährung gefährden dagegen großflächige, länger andauernde Stromausfälle: die heimische Zubereitung. Das Gefrierfach fällt aus, der Herd bleibt kalt, Mikrowelle und Backofen verweigern ihre Dienste. Viele der heute angebotenen Lebensmittel, von Aufbackbrötchen über Pulversuppen bis zur Tiefkühlpizza, werden dann auf einen Schlag unbrauchbar.“
Klar. Unwetter, Hochwasser und Schneestürme hat es ja all die 75 Jahre nie gegeben. Das sind völlig neue Naturphänomene.
Epidemien und vergiftete Lebensmittel stellen Versorger und Verbraucher vor Herausforderungen? Die letzten, großen und bedrohlichen Epidemien war die Spanische Grippe um 1920 und – selbstverständlich – die Pestwellen im Mittelalter. Was will man uns den eigentlich damit sagen, dass wir mit Epidemien und vergifteten Lebensmitteln rechnen müssen, die das Ausmaß haben, dass sie die Infrastrukturen komplett zum Erliegen bringen? Die Nachtigall trapst nicht, die trampelt schon.
Jedenfalls sollen wir uns auf was gefasst machen, das ist unübersehbar. Die Tipps zur Bevorratung von Nahrungsmitteln für bis zu 10 Tagen sind eher naiv. Wenn es um solche Situationen geht wie angedeutet, reichen zehn Tage nicht. Denn selbst, wenn danach alles langsam wieder anläuft, wird nur der was ergattern, der über Beziehungen oder besondere Möglichkeiten verfügt, der Normalmensch wird erst in der dritten Reihe das erhalten, was noch da ist und nur nach einigen weiteren Tagen könnte es sich langsam wieder normalisieren. Das weiß man aus Ländern, die so einen Zusammenbruch erlebt haben.
Dass bei großflächigem Stromausfall Herd, Kühlschrank, Gefriertruhe, Wasserleitung (und Heizung!) ausfallen ist eine Binsenweisheit. Bei Schneestürmen ist das mit dem Gefriergut weniger katastrophal, dann stellt man das Zeug halt draußen in einen Schneehaufen. Zehn Tage und mehr sich nicht waschen können, ist schon eine Herausforderung der mitmenschlichen Toleranz und dann noch ohne Toilettenspülung wird es olfaktorisch recht unerfreulich daheim. Bei kalter Witterung ohne Heizung stinkt man zwar nicht so schnell nach Schweiß, dafür bekommt man eine saftige Erkältung. Tröstlich ist da der Ratschlag, die Kälte könne man ja eine Weile durch dicke, warme Kleidung abhalten. Schönes neues Merkelistan. Wir können nur auf die Klimaerwärmung hoffen.
Nun soll die Bevölkerung über die Messenger und sozialen Medien sowie über‘s Internet besser auf eine solche Situation vorbereitet werden. Die scheint schon ziemlich nahe zu sein. Aber natürlich soll keine Panik geschürt werden, sondern Spiel, Spaß und Spannung vermittelt. Da haben sie wohl eine Fachkraft für Formulierungskunst engagiert:
„Darüber hinaus forderten die Forscher, bei den Empfehlungen zur Notfallbevorratung positive und alltagsnahe Aspekte stärker in den Vordergrund zu rücken, statt die gefahrenzentrierte Darstellung zu fokussieren.“
Ein Notfallkochbuch soll entstehen, wie man bevorratet und wie man sich helfen kann, wenn nichts mehr geht. Man möchte natürlich Hungeraufstände, Panik, Plünderung und die schon angedeuteten Epidemien durch fehlende Hygiene vermeiden. Frei nach dem römischen Sprichwort: „Die nächste Revolution ist stets nur zwei ausgefallene Mahlzeiten entfernt“. Und damit das alles richtig Spaß macht, veranstaltet man jetzt einen Wettbewerb. Die Bundesbürger sollen Kochrezepte einsenden, die kreativ, nahrhaft und lecker sind und ohne Leitungswasser, Rührmaschine, Mixer, Herd, Mikrowelle oder Backofen etwas Brauchbares aus den Notvorräten zaubern:
„Noch alltagstauglicher und näher am Zielpublikum soll das Notfallkochbuch aber durch die Entstehung seines Inhalts geraten. Die Sammlung der Kochrezepte wird in Form eines Wettbewerbs erfolgen: Kochprofis und Bürgerinnen und Bürger werden in Kürze gleichermaßen aufgerufen sein, ihre eigenen Ideen für das Kochen im Falle eines Stromausfalls einzureichen. Aus den eingegangenen Rezepten wählt eine Jury die besten, kreativsten und leckersten aus.“
So. Nun können wir rückwärts zählen, ab wann die üblichen Hunderttausend Kochshows aller Fernsehkanäle auf den neuen Trend aufspringen müssen und solche Rezepte im Fernsehen flott und unterhaltsam ausprobieren, Tipps und Tricks fürs Nicht-Verhungern unter‘s Volk bringen.
Hey, warum nicht Spaghetti aus dem Notvorrat mit Regenwurm-Bolognese? „Rosins Restaurant“ ist out, Rosins Katastrophen-Feldküche wird der neue Straßenfeger. Die Sendung „Trocken Brot macht Wangen rot“ führt die Zuschauer ein in die mannigfaltigen Möglichkeiten, aus altem Brot noch was zu zaubern. Vorschlag: Semmelschmarrn. Stadtpark-Minestrone und Fallobst-Chutney an Gänseblümchen-Löwenzahnsalat (ist essbar!) statt Filet vom schottischen Hochlandrind mit Baby-Brokkoliröschen. In der Kochsendung „Prepper & Salz“ lernen wir das Einpökeln von Stallkaninchenfleisch. Das ist übrigens wirklich die ideale Fleischquelle für Notzeiten. Das Fleisch ist gesund, die Tiere vermehren sich rasant und brauchen wenig Platz, Futter und Pflege. Das, was Kaninchen fressen, kann man überall in den Grünanlagen abrupfen.
Ebenfalls in der Broschüre zu sehen ist ein Herr Peter Winter, der profi-preppermäßig seine Espressokanne über seinen Outdoor-Gasherd hält. Wenn Peter allerdings nicht einige der teuren Gasflaschen vorrätig hält, bleibt auch diese Küche nach ein paar Tagen kalt. Ob er weiß, wie man sich eine Kochkiste baut, was eine holzbeheizte Küchenhexe ist, wie ein Hobo-Ofen gemacht wird und wie man ein Brot mit Teelichtern backen kann?
Also, seien wir gespannt, was für kulinarische Katastrophenspezialitäten auf uns zu kommen. Das Kochbuch muss her! Wir werden es für Sie, lieber Leser, studieren und unseren selbstfabrizierten Senf dazugeben … falls es dann noch Internet und Strom gibt.
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.