20 Jahre EEG – feiern mit Claudia Kemfert

Beinahe hätte ich einen wich­tigen Geburtstag ver­gessen, denn das „Erneu­erbare-Energien-Gesetz“, dessen tücki­scher Existenz ich schon viele Artikel gewidmet habe, wird heute 20 Jahre alt. Zeit Bilanz zu ziehen und kräftig zu feiern. Ange­sichts der Ener­gie­kosten im Land bei Ker­zen­schein und kalter Küche, aber natürlich mit zünf­tiger Torte. Und falls Sie sich fragen, wer wohl aus der Torte hüpft… für diese Rolle kommt natürlich nur Claudia Kemfert in Frage, Kon­di­torin und Kalt­mamsell der Ener­gie­wende, die ohne das EEG so ganz ohne Aufgabe dastünde. Hoch lebe das EEG, dem Frau Kemfert ihren Job und ich meinen Gal­gen­humor ver­danke. Wie üblich in Inter­viewform – für kri­tische Ana­lysen muss man bei Kemfert immer Sekun­där­quellen bemühen – befragt Stefan Römermann für den Deutsch­landfunk Kemfert nach den Anfängen des EEG.

(von Roger Letsch)

Warum war das Gesetz sei­nerzeit so umstritten?“

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Igno­rieren wir die Antwort, denn diese Gefäl­lig­keits­frage ist sug­gestiv und falsch for­mu­liert. Umstritten war das Gesetz anfangs nämlich gerade nicht wegen der hohen Ver­gü­tungen, wie Kemfert behauptet, sondern höchstens deshalb, weil man sich fragte, wozu es über­haupt nütze sei. Es gab im Jahr 2000 so wenige Solar- und Wind­farmer, denen man feste Ein­spei­se­ver­gü­tungen garan­tierte… was sollte da schon schief gehen! Also legte man im Jahr 2000 zwei Reis­körner aufs erste Feld des Schach­bretts und sah mit wach­sender Sorge Jahr für Jahr den Sub­ven­ti­onsberg wachsen. Bei etwa einer halben Billion sind wir mitt­ler­weile schon. Die Frage hätte also lauten müssen: War das Gesetz sei­nerzeit so umstritten wie heute?

Export­schlager EEG

Ich will hier aber gar nicht lang­weilen mit den immer und immer wieder gehörten Märchen vom sin­kenden Preis der „Erneu­er­baren“, wenn erst mal genug davon in der Land­schaft rum­stehen (die ersten werden längst wieder abge­räumt). Kemfert wird nicht müde, das zu behaupten, aber genau dafür wird sie ja schließlich bezahlt. Die Branche winselt den knapper wer­denden Sub­ven­tionen nach, und das ist leider schon die ganze Geschichte ihres Nie­der­gangs. Gebt uns mehr Geld, damit wir euch bil­ligen Strom geben können, so das Mantra. Man muss beim Ein­maleins nicht mal bis zur Zwei­er­reihe gekommen sein, um zu erkennen, dass dies öko­no­mi­scher Koko­lores ist. Nein, mir geht es hier um eine andere Behauptung Kem­ferts, welche beim Ver­braucher gleich­falls durch mög­lichst viele Wie­der­ho­lungen in Wahrheit umge­wandelt werden soll. Kemfert im DLF:

Im Übrigen ist das deutsche EEG in über hundert Ländern der Welt kopiert worden. Es wurde fast überall ange­wendet, und das zeigt, dass es eine sehr erfolg­reiche För­derung war. Heute ist man in einer Welt, wo die erneu­er­baren Energien wett­be­werbs­fähig sind, und das ist wirklich dank des EEG.“

Das deutsche EEG kopiert und fast überall ange­wendet. Diese Aussage ist in meinen Augen unmiss­ver­ständlich und besagt, etwas poe­ti­scher, „am deut­schen Ener­gie­wesen will die Welt genesen“. Schauen wir also mal genauer nach, wie sich das angeblich „copy & paste“ des EEG in mehr als der halben Welt (es gibt ja nur 194 Staaten) in der Rea­lität darstellt.

Hundert Länder

Fragen wir zunächst mal Google nach „Länder mit EEG“. Nicht Staaten, Länder. Denn Frau Kemfert benutzt dieses Wort ja auch. Die Seiten hinter der Mehrzahl der Treffer sendet aus der­selben poli­ti­schen Bubble wie Kemfert, also klimaretter.info, windkraft-journal.de, erneuerbare-energien.de und andere Pro­pa­gan­daportale. Aller­dings hätte ich doch gern sowas wie eine Liste dieser 100 Länder mitsamt einer nach­voll­zieh­baren Erklärung oder Analyse, wie dort via „paste“ der deutsche Export­schlager EEG imple­men­tiert wurde. Statt­dessen überall nur Jubelzahlen.

Je nachdem wie weit man in der Zeit zurück geht, sind es 60, 70 oder eben auch 100 Länder, aber nir­gends steht, was genau da pas­siert und wie diese Länder heißen. Ein Link zu klimaretter.info bringt uns schließlich dem Ziel näher. „Weltweit hundert Mal das EEG“ titelt man dort, Frau Kemfert muss scheinbar hier vor­bei­ge­schaut haben. Im Text bei klimaretter.info heißt es weiter:

Kein anderes deut­sches Gesetz ist weltweit jemals so oft über­nommen oder nach­geahmt worden, wie das Erneu­erbare-Energien-Gesetz. Wie die Agentur Zukunft ermit­telte, gab es Anfang 2013 weltweit schon ins­gesamt 99 Gesetze auf natio­naler oder regio­naler Ebene, die das deutsche EEG zum Vorbild genommen haben.“

Merken Sie auch, wie es brö­ckelt? Ins­gesamt 99, nicht 100. Gesetze, nicht Länder. Auf natio­naler und regio­naler Ebene – wie regional darf’s denn sein? Vorbild, nicht Kopie – was auch immer das am Ende genau bedeutet. Ermittelt wurde die Schwammzahl noch dazu von der „Agentur Zukunft“, einem nach eigenem Claim „Büro für Nach­hal­tig­keits­fragen“, dass sich mit „Energie, Kli­ma­pro­ble­matik, 2°-Grenze und koh­len­stoff­armer Ener­gie­wirt­schaft“ befasst. Hat da etwa jemand bei Dr. Malboro gefragt, wie gesund Rauchen ist? Doch weiter im Text der Klimaretter:

Diese Zahlen würde auch der inter­na­tional aner­kannte Global Status Report Rene­wables 2013 bestä­tigen. Demnach haben 71 Länder und 28 Bun­des­staaten oder Pro­vinzen irgendeine Form von Einspeisungsvergütung.“

71 plus 28 macht 99, daher also die „runden Hundert“ Länder aus Kem­ferts Geburts­tags­torte. Es sind auch Bun­des­staaten und Pro­vinzen dabei, sofern sie nur „irgendeine” Form der Ein­spei­se­ver­gütung haben. Wäre Trump nicht solch ein stör­ri­scher Esel, man könnte die Erfolgszahl gleich um 50 erhöhen! Der Ver­dacht bestätigt sich, wenn man in den erwähnten und ver­linkten Global Status Report schaut. Dort wird man auf Seite 14 fündig. In einer Tabelle für das Jahr 2012 unter „States/provinces/countries with feed-in policies“. Will heißen, dass es in 99 Ländern, Staaten oder Regionen poli­tische Regeln für die Ein­speisung erneu­er­barer Energien in die jewei­ligen Strom­netze gibt. Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr.

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Weltweit gibt es – außer in Deutschland – keine staat­lichen För­der­mil­li­arden, elf (dem­nächst zwölf) Son­der­posten und Haf­tungs­um­lagen auf den Strom­rech­nungen, keine Garan­tie­zah­lungen für Inves­toren in Erneu­erbare Energien. Wenn jemand den Strom, den seine Solar­anlage oder sein Windrad pro­du­ziert, in ein Netz ein­speisen will, muss es dafür selbst­ver­ständlich Regeln geben. Das ist nicht EEG, sondern logisch, wie Moritz Neu­meier viel­leicht sagen würde. Die Idee, die Strom­ver­sorgung durch Regu­lierung welcher Art auch immer halbwegs stabil zu halten, haben sich eben gerade nicht deutsche Ener­gie­wend­ethinktanks aus­ge­dacht. Von „Vorbild EEG“ oder gar „Export­schlager“ kann somit keine Rede sein.

Täu­schung oder Taschenspielertrick

Kemfert spricht also im Jahr 2020 von „hundert Ländern“ und benutzt somit stark auf­ge­hübschte Zahlen, die wir schon seit 2012 kennen. Warum ging der EEG-Export­erfolg denn seitdem nicht weiter? Müssten heute, acht Jahre später, nicht min­destens 300 „Länder“ der deut­schen Ener­gie­wende ver­fallen sein? Schwer vor­stellbar, dass Kemfert keine neueren Zahlen hat. Oder lassen sich diese einfach nicht noch schöner darstellen?

In Wahrheit geht kein Land oder Staat und keine Provinz auf dieser Welt wie Deutschland am Rande einer Klippe spa­zieren, wenn es um die Ener­gie­ver­sorgung geht. Sucht man bei Google nach „EEG Staaten“, kommt man sehr schnell zu einem Wiki­pedia-Artikel, der die Bemü­hungen ein­zelner Staaten beschreibt, die „Ener­gie­wende“ zu schaffen. In dem Artikel ist mehr Luft als in zehn bäcker­fri­schen Wind­beuteln! Viel „streben an“, „wollen erreichen“ oder „bis zum Jahr 2050 werden“, aber außer einem ellen­langen Abschnitt über das EEG-Mus­terland Deutschland nichts Sub­stan­zi­elles, auf das man ein Solar­panel nageln könnte.

Nein, Frau Kemfert, die Kerzen auf der Geburts­tags­torte „20 Jahre EEG“ müssen Sie allein aus­pusten. Ein Export­schlager war dieser Murks nie. Das EEG wurde vielmehr niemals irgendwo adap­tiert oder gar kopiert.

Doch ich habe eine Idee, wie Sie die Situation noch retten können. Da der Strom in Deutschland mitt­ler­weile weltweit der teu­erste* ist und die halbe Welt unser EEG angeblich erfolg­reich „kopiert“ hat, schlage ich einen zügigen Re-Import vor. Sie bestimmen, aus welchem Land. Denn überall in der erfolg­reichen Ener­gie­wende-Welt laufen ja noch die Kern­kraft­werke, die Gas­tur­binen und die Koh­le­meiler, deren Output Ihren Aus­sagen zufolge nur bei uns die Netze „ver­stopft“. Wenn also das EEG überall erfolg­reich ist und nur bei uns die Ener­gie­kosten so astro­no­misch hoch sind, warum sollten wir mit der Umsetzung der Ener­gie­wende nicht besser externe Fach­kräfte beauf­tragen, statt uns auch nach so vielen Jahren immer noch Kemfert’sche Durch­hal­te­pa­rolen vom „morgen wird’s bil­liger“ anzuhören?

* Nicht ganz. Auf den Bermuda Islands ist Strom noch etwas teurer. Bermuda steht in der Liste der Pro-Kopf-Ein­kommen aller­dings auf Rang drei (nach Monaco und Liech­ten­stein und vor der Schweiz), während das „reiche Deutschland” auf Rang 19 herumdümpelt.


Quelle: unbesorgt.de