Flücht­lings­krise: Die Ent­wick­lungen der letzten Woche

Auch wenn der Coro­na­virus die Schlag­zeilen beherrscht und die Lage der Flücht­linge an der tür­kisch-grie­chi­schen Grenze in den Hin­ter­grund gerückt ist, hat sich dort nichts zum Bes­seren gewendet. Hier eine Zusam­men­fassung der Ereig­nisse der letzten Tage.

Vor etwa einer Woche habe ich über die Flücht­lings­krise geschrieben und auf­ge­zeigt, was der Spiegel seinen Lesern dabei alles ver­schwiegen hat. Seitdem ist wieder einiges passiert.

Die Türkei hat den Druck auf die Flücht­linge und die EU erhöht. Nachdem die Türkei eigens Busse gechartert hat, um die Flücht­linge an die grie­chische Grenze zu bringen, sie dort aber kaum durch­kommen konnten, hat die Türkei auch noch 1.000 Mann einer Spe­zi­al­einheit geschickt, die die Flücht­linge an einer Rückkehr in die Türkei hindern sollen. Darüber hat am Sonntag auch das rus­sische Fern­sehen aus­führlich berichtet.

Aber der tür­kische Druck erreicht bisher nichts. Grie­chenland hat das Asyl­recht kur­zerhand aus­ge­setzt und ange­kündigt, jeden Flüchtling, der nach dem 1. März ins Land gekommen ist, kom­pro­misslos abzu­schieben. Außerdem will Grie­chenland nun die Asyl­ver­fahren beschleu­nigen und schon ab Mitte März sollen aner­kannte Asyl­be­werber kei­nerlei staat­liche Unter­stützung mehr bekommen.

Erdogan appel­lierte dar­aufhin an Grie­chenland, die Grenzen einfach zu öffnen. Wörtlich sagte Erdogan am Sonntag:

„Hey Grie­chenland, diese Men­schen kommen nicht zu dir und bleiben, sie kommen zu dir und gehen in andere Länder Europas. Warum störst du dich daran? Mach du doch auch die Tore auf“

Aber Grie­chenland denkt nicht daran. An der Grenze setzte die grie­chische Polizei immer wieder massiv Trä­nengas gegen Flücht­linge ein.

Auch ein Besuch von Erdogan bei der EU in Brüssel brachte keine Einigung. In Brüssel hat Erdogan auch die Nato besucht und mili­tä­rische Unter­stützung in Syrien gefordert. Aber sowohl die Nato, als auch die USA selbst haben mili­tä­rische Unter­stützung aus­ge­schlossen. Die USA denken zwar darüber nach, der Türkei Munition zu liefern, aber mehr auch nicht. Offen­sichtlich findet man es Washington wün­schenswert, wenn sich tür­kische und syrische, bezie­hungs­weise viel­leicht sogar rus­sische Sol­daten gegen­seitig erschießen. Mit­machen möchte man dabei aber nicht.

Diese tür­kische Bitte an die Nato dürfte vor allem Russland als Affront betrachten, schließlich hatten sich Putin und Erdogan nur Tage vorher bei einem sechs­stün­digen Treffen auf einen Waf­fen­still­stand in Syrien geeinigt.

Erdogan hat sich in eine Sack­gasse manö­vriert. Die EU und die Nato stehen ihm schon lange in tiefer Abneigung gegenüber. Seit 2016 hat sich Erdogan daher Russland zuge­wandt, aber nun wird auch das Ver­hältnis zu Russland spürbar schlechter. Erdogan ist im Moment prak­tisch kom­plett iso­liert. Die USA bieten zwar Munition an, aber von einer Abschaffung der US-Sank­tionen gegen die Türkei wird nicht gesprochen. Ein erneutes Auf­flammen der Kämpfe würde das Ver­hältnis zu Russland aber weiter belasten und wo im Kreml die Geduld mit Erdogan endet, weiß niemand. Was Erdogan erreichen will und warum ihm Idlib so wichtig ist, dass er bereit ist, auch seine letzten außen­po­li­ti­schen Freunde zu ver­ärgern, ist nicht erkennbar. Er scheint sich ver­spe­ku­liert zu haben und weiß nun nicht, wie er aus der Sack­gasse ohne Gesichts­verlust wieder her­aus­kommen kann.

Da in Deutschland die Meinung Syriens nie zu hören ist, habe ich vor einigen Tagen auch aus einem Interview zitiert, dass der syrische Prä­sident Assad dem rus­si­schen Fern­sehen gegeben hat. Seine Aus­sagen sind durchaus inter­essant und liefern einen sehr inter­es­santen Blick­winkel auf die aktuelle Krise.


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru

Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“