Sterben im Kor­ridor: Das rus­sische Fern­sehen zeigt dras­tische Bilder aus ita­lie­ni­schen Krankenhäusern

Ein Kor­re­spon­den­ten­be­richt des rus­si­schen Fern­sehens aus ita­lie­ni­schen Kran­ken­häusern hat bestür­zende Bilder von auf den Kran­ken­haus­fluren ster­benden Men­schen gezeigt. 

Da viele immer noch glauben, dass das Coro­na­virus kaum schlimmer, als eine Erkältung sei, haben ita­lie­nische Ärzte Kame­ra­teams in ihre Kran­ken­häuser gelassen, damit die scho­ckie­renden Bilder den Men­schen den Ernst der Lage zeigen. Sicher, die meisten werden das Virus wie eine Erkältung über­stehen, aber die große Zahl derer, die Beatmungs­geräte benö­tigen, sprengt die Mög­lich­keiten eines jeden Gesund­heits­systems. Bei einer unge­bremsten Aus­breitung der Krankheit hat kein Gesund­heits­system der Welt genug Plätze auf den Inten­siv­sta­tionen. Worin die Gefahr besteht, habe ich hier erklärt.

Der Bericht des rus­si­schen Fern­sehens ist mit meiner Über­setzung sicher auch ohne Rus­sisch­kennt­nisse ver­ständlich. Aber er ist nichts für schwache Nerven und ich bitte Sie, sich zweimal zu über­legen, ob Sie sich die ver­stö­renden Bilder wirklich anschauen wollen.

Beginn der Übersetzung:

Vom Schiff geht´s nach der Landung in Moskau in die Qua­rantäne. Sie ver­stehen das, aber wenn die rus­sische Bot­schaft in Italien nicht gewesen wäre, hätten sie das Schiff, den Liner Costa Pacific, nicht ver­lassen können. Mar­seille, wo die 33 rus­si­schen Tou­risten ihren Urlaub beenden sollten, ließ das Schiff nicht in den Hafen.

Es ist fast eine Eva­ku­ierung, Italien lässt nie­manden herein oder heraus, und dass es das Anlegen im Hafen genehmigt, den Bus zur Ver­fügung gestellt hat und unsere, wahr­scheinlich letzten, Tou­risten aus­fliegen durften, ist fast ein Wunder. Am Morgen des 21. März trafen rus­sische Diplo­maten bei dem Kreuz­fahrt­schiff in Genua ein, am Abend waren sie am Flug­hafen Fum­i­cally, in der Nacht zum 22. bestiegen die Russen das Flugzeug nach Moskau.

Es ist wirklich besser, Italien mög­lichst schnell zu ver­lassen. Italien geht es schlecht. Italien kommt nicht zurecht.

Das hier ist nicht einmal eine Inten­siv­station. Das sind die Gänge der Not­auf­nahme. Die Pati­enten bekommen schwer Luft, die Ärzte sind am Limit. „Filmen Sie das, zeigen Sie es und behaupten Sie im Fern­sehen nicht, dass das Coro­na­virus nicht schlimmer ist, als eine Erkältung!“, bittet der Oberarzt.

Man kann sich nicht auf alles vor­be­reiten. In den Fiera-Pavillons konnte man in einer Woche ein Kran­kenhaus mit 300 Plätzen bauen. Für 5 Tage wurden Zelte vor dem Kran­kenhaus San Rafael auf­ge­stellt, das Geld wurde von Stars und Unter­nehmern gesammelt. Man konnte ein Lager in Cremona errichten. Aber man kann nicht darauf vor­be­reitet sein, dass Men­schen in den Gängen der Kran­ken­häuser sterben. Sie können ihnen nichts ver­sprechen. Der Arzt aus Tre­villo weint, weil er einem Pati­enten nicht helfen konnte, der zu ihm sagte: „Mein Schwie­ger­vater gestorben, ich bin der nächste.“

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Sie können nicht begraben werden, wer soll es auch tun? Alle sind in Qua­rantäne, die Men­schen können nicht einmal Abschied nehmen, Pati­enten bekommen den letzten Segen von Kran­ken­schwestern der Intensivstation.

In allen Kran­ken­häusern im Land herrscht Aus­nah­me­zu­stand: sowohl in pri­vaten, als auch in staat­lichen. Das Virus hat das ganze Land gestoppt, aber man kann zum Bei­spiel die Dialyse nicht einfach ein­stellen. Indem es Pati­enten aus Kran­ken­häusern holt, damit die sich nur noch um COVID-Pati­enten kümmern können, über­lastet das Gesund­heits­mi­nis­terium die anderen Krankenhäuser.

In der chir­ur­gi­schen Abteilung einer der Kli­niken sind fast alle Betten belegt. „Leider sind viele chir­ur­gi­schen Abtei­lungen zum Still­stand gekommen. Es gibt nicht genügend Ärzte, viele sind in Qua­rantäne. Deshalb haben wir eine Flut von Krebs­pa­ti­enten und Not­ope­ra­tionen auf­ge­nommen“, sagte eine der Ärztinnen.

Wie überall gibt es hier auch einen Plan B, bei ihren Pati­enten können jederzeit Sym­ptome auf­treten. Auf der Inten­siv­station gibt es nur 4 kostbare Beatmungs­geräte. Auch Reagenz­gläser für Tests auf das Coro­na­virus stehen bereit.

Selbst in Italien hat nicht jeder ver­standen, wie ernst alles ist. Parks und Pro­me­naden sind ver­siegelt, aber alle fünf Minuten steigt jemand über das gelbe Poli­zeiband. Wenn man Mailand von oben betrachtet, scheint es aus­ge­storben zu sein. Aber hier sind Auf­nahmen von unter der Erde: Mai­lands U‑Bahn ist um 6 Uhr morgens fast so voll, wie die in Moskau. Deshalb ist schon den dritten Tag die Armee auf der Straße. 20.000 Sol­daten. Und Straßensperren.

Das sind keine stich­pro­ben­ar­tigen Kon­trollen mehr, alle werden ange­halten. Am Ausgang der Stadt und am Eingang. Die Römer ver­suchen, in ihre Häuser am Meer oder in den Bergen zu ent­kommen, aber es ist unmöglich, Qua­rantäne ist nur am Wohnort erlaubt. Die Men­schen werden mit Geld­strafen und Laut­spre­chern aus­ein­ander getrieben.

Es gelingt mir nicht, mich an diese neue Rea­lität zu gewöhnen. Ich möchte in meinem Lieb­lingscafé sitzen, die Maske aus­ziehen, einen Espresso bestellen, wie immer, bitter und ohne Zucker. Aber die Ketten, mit denen die Möbel auf der Straße gesi­chert sind, werden frü­hestens in zwei Monaten entfernt.

Bei einer Anste­ckungsrate von 2.000 Fällen pro Tag holt Spanien Italien ein, aber die Sterb­lichkeit ist hier nicht so hoch, auch wenn in Kran­ken­häusern alle 16 Minuten jemand am Coro­na­virus stirbt. Das Land befindet sich in Qua­rantäne. Die Strafe für Ver­stöße beträgt 600 Euro.

Auch Frank­reich bereitet sich, wie Spanien, auf das Schlimmste vor: Cafés und Restau­rants sind geschlossen. Die zweite Runde der Kom­mu­nal­wahlen wurde ver­schoben. „Wir befinden uns im Krieg“, sagte der fran­zö­sische Prä­sident an und kün­digte Sofort­maß­nahmen an.

Auch Deutschland ist der Ansicht, dass das Virus die größte Bedrohung seit dem Zweiten Welt­krieg dar­stellt. Sie fürchten, dass sie zum Ende des Früh­jahrs 10 Mil­lionen infi­ziert haben werden.

Das benach­barte Belgien hat seine Grenzen geschlossen. Brüssel sieht aus wie eine Geis­ter­stadt. Es gab keine Strafen, die Belgier sind nicht wie die Ita­liener, um die Dis­ziplin steht es hier besser.

Auch Groß­bri­tannien gab schließlich auf. Boris Johnson, der zunächst dachte, es sei besser für das ganze Land, krank zu werden, um Anti­körper zu ent­wi­ckeln, hat dann doch geraten, sich zu schützen und beschlossen, Kinos, Restau­rants, Fit­ness­studios und sogar die Pubs zu schließen.

Das Coro­na­virus ist keine Erkältung. Die Warnung der Ärzte aus Bergamo scheint ange­kommen zu sein.

Ende der Übersetzung


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru

Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“