Vera Lengsfeld: Atten­täter von Hanau war kein Rechts­extremist – sagt das BKA

In Zeiten der Corona-Kriegs­be­richt­erstattung gehen andere Themen unter, obwohl sie für das gesell­schaft­liche Klima von höchster Wich­tigkeit sind. Wie die Süd­deutsche Zeitung am 28. März berichtete, arbeiten die Ermittler des Bun­des­kri­mi­nal­amtes (BKA) derzeit an einem Abschluss­be­richt zum Hanauer Attentat. Dabei gehen die Beamten von einer These aus, die alle über­rascht, die sich an der schnellen Ein­ordnung des Anschlags als rechts­extre­mis­tisch beteiligt haben.

Dieser Artikel dreht sich nicht darum, dass der Anschlag von Hanau ein schreck­liches Ver­brechen war, welches 10 junge Men­schen völlig ohne Grund aus dem Leben gerissen hat und großes Leid in allen betrof­fenen Familien und der ganzen Stadt erzeugt hat.

Aber dieser Artikel dreht sich um die poli­tische Bewertung dieser feigen Mordtat und die hat es in sich: Die BKA-Ermittler haben offenbar einfach ihre Arbeit gemacht und unvor­ein­ge­nommen alle Hin­weise und Indizien ideo­lo­giefrei unter­sucht. Ihrer Analyse zufolge habe der Täter nicht in erster Linie aus einer rechts­extremen Gesinnung heraus gehandelt. Vielmehr habe er seine Opfer aus­ge­wählt, um mög­lichst viel Auf­merk­samkeit für seine Ver­schwö­rungs­theorie zu bekommen. Ras­sismus sei nicht sein Haupt­motiv gewesen.

Die Süd­deutsche bringt ihren Artikel unter der Über­schrift: „Gefähr­liche Bot­schaften“, der zumindest zwei­deutig ist und den Schluss zulässt, dass die Autoren die Ermitt­lungs­er­geb­nisse, die sie als „kon­trovers“ bezeichnen, für gefährlich halten.

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Wir erinnern uns, dass die Toten noch warm waren, als der Ein­ord­nungs­t­s­unami in den Medien los­brach, der die Tat als rechts­extre­mis­tisch bezeichnete und sogar in Zusam­menhang mit der AfD brachte. Alle, die damals wagten Zweifel anzu­melden, darauf hin­wiesen, dass man doch erst einmal die Ermitt­lungs­er­geb­nisse abwarten müsse oder darauf, dass der Vater des Atten­täters für die Grünen kan­di­diert hatte, wurden sofort als Rechte gebrand­markt, was inzwi­schen mit rechts­ra­dikal oder sogar rechts­extre­mis­tisch gleich­ge­setzt wird.

Nun steht immerhin fest, dass laut BKA der Mörder keine typisch rechts­extreme Radi­ka­li­sierung durch­laufen hat. Das gehe aus Zeu­gen­aus­sagen von Bekannten und ehe­ma­ligen Kol­legen hervor.

Er hat zwei­fellos seine Opfer nach ras­sis­ti­schen Kri­terien aus­ge­wählt, aber offenbar nur, damit seine eigent­liche Bot­schaft gehört wird. Darüber hinaus aber gebe es keine Hin­weise, dass der Täter ein Anhänger rechts­extre­mis­ti­scher Gesin­nungen war. Bei der Aus­wertung von mehr als hundert Video­da­teien auf dem Com­puter und dem Handy des Atten­täters kam nicht zutage, dass R. sich mit Rechts­ter­ro­rismus beschäftigt hätte.

Eine ursprüng­liche Version des Textes, den der Täter als Video­bot­schaft hin­ter­lassen hatte, stammt vom November 2019 und ist eine Anzeige an den Gene­ral­bun­des­anwalt in der gefordert wurde, Ermitt­lungen wegen der angeb­lichen Geheim­dienst-Über­wa­chung ein­zu­leiten. Das damalige Schreiben ist nahezu wort­gleich ist mit dem spä­teren „Manifest“ und ent­hielt keine ras­sis­ti­schen Äuße­rungen. Das Manifest endet übrigens mit den Worten, das ihm nichts übrig blieb, als „so zu handeln, wie ich es getan habe, um die not­wendige Auf­merk­samkeit zu erlangen.“

Als Stimme gegen das BKA lässt die Süd­deutsche aus­ge­rechnet Mathias Quent zu Wort kommen, den die Autoren als „Rechts­extre­mismus-For­scher“ vor­stellen, wobei sie offen­lassen, wo Quent denn forscht. Der kleine Thü­ringer Ableger der Amadeu-Antonio-Stiftung, dem Quent als „Direktor“ vor­steht, ist jeden­falls keine wis­sen­schaft­liche Ein­richtung. Quent selbst bedankt sich in seinem jüngsten Buch bei allen „Kol­le­ginnen, Jour­na­listen und Akti­vis­tinnen, die sich die Mühe machen, Reden, Online-Kom­mu­ni­kation, Pro­gramme und Schriften rechts­ra­di­kaler Prot­ago­nisten detail­liert zu ana­ly­sieren… so dass es nicht nötig war, mit rechten Kadern reden zu müssen…“.

Ein For­scher, der nicht selbst recher­chiert, sondern einfach die Äuße­rungen anderer über­nimmt? For­scher ist ja kein geschützter Begriff, so wenig wie Direktor. Wer Quents Buch gelesen hat, weiß, dass es so wis­sen­schaftlich ist, wie der Schwarze Kanal des seligen Karl-Eduard von Schnitzler.

Am Ende ihres Artikels hegen die Autoren ziemlich unver­hohlen die Hoffnung, dass der Abschluss­be­richt zum Anschlag von Hanau noch nicht fertig und die BKA-Ein­schätzung zur Moti­vation des Täters kei­nes­falls abschließend sei. Sie ver­weisen dabei auf das Attentat am Münchner Olympia-Ein­kaufs­zentrum im Juli 2016. Laut Ermitt­lungs­be­richt des LKA galt der Täter als Amok­läufer, der in der Schule gemobbt worden war. Erst drei Jahre später, im Oktober 2019, stufte die Polizei die Morde als poli­tisch-moti­vierte Straftat ein. Vor­aus­ge­gangen war ein Gut­achten, das Quent ange­fertigt hatte. Zwar waren, wie im Falle Hanau, offenbar keine direkten Äuße­rungen des Mörders gefunden worden, die darauf hin­deuten, dass die Tat einen rechts­extremen Hin­ter­grund hatte, auch er soll kaum Par­al­lelen zu klas­si­schen rechts­extremen Gewalt­tätern auf­weisen. Aber laut Quent soll der Vater des Amok­läufers gesagt haben, dass sich sein Sohn zur AfD bekannt hätte, wofür es anscheinend aber keine Ori­gi­nal­belege gibt, denn dann hätte sie Quent ange­führt. Offenbar reichte das aus, um die Tat anders einzustufen.

Quent plä­diert natürlich auch im Falle des Hanau-Atten­täters dafür, die Tat dennoch als rechts­extre­mis­tisch ein­zu­stufen und zu befürchten ist, dass es einen ent­spre­chenden poli­ti­schen Druck geben könnte. Denn wenn man ein­ge­stehen müsste, dass die sofortige Ein­ordnung der Tat durch Politik und Medien als rechts­extre­mis­tisch sub­stanzlos war, wäre die Blamage zu groß.

Wer mehr über die Arbeits­weise des Extre­mismus-For­schers Quent wissen will, kann sich hier infor­mieren: Deutschland rechts außen? Kampf gegen Rechts als Geschäftsmodell