Islam und Moscheen in Zeiten von Corona

„Liebe Brüder und Schwestern, leider müssen unsere Gebete in der Moschee auf­grund der Infek­ti­ons­gefahr durch den Coro­na­virus aus­ge­setzt werden. Möge Allah die Situation zum Bes­seren wenden.“ Mit Hin­weisen dieser Art benach­rich­tigen Moscheen zurzeit ihre Gemein­de­mit­glieder und erklären das gel­tende Ver­samm­lungs­verbot zum Gottesdienst.

Auf breiter Front sehen wir, dass die Vor­sit­zenden der Moscheen ohne Wenn und Aber die gesetz­lichen Auf­lagen befolgen. In Hamburg ist auch die große, ara­bische Al-Nour Moschee geschlossen und Vor­sit­zender Daniel Abdin fordert seine Glau­bens­ge­schwister auf, daheim zu beten. Für die Gemeinde ist das nicht nur ein Verlust des gemein­samen Betens. Übli­cher­weise bleibt man auch danach zusammen, Trinkt Tee, es wird Islam­un­ter­richt ange­boten, man unterhält sich, pflegt die Bezie­hungen unter­ein­ander. Man ver­sucht, genau wie die viele christ­liche Gemeinden, mit Live­stream-Über­tra­gungen im Internet oder Videos einen Ersatz für das gemein­schaft­liche Beten für die Gemein­de­mit­glieder zu bieten. Die Al-Nour Moschee stellte die Frei­tags­predigt von Imam Samir El-Rajab in ara­bi­scher Sprache online, so dass sie zu Hause im Fami­li­en­kreis angehört werden kann. Herr Daniel Abdin ist für die Sorgen und Nöte seiner Gemein­de­mit­glieder jederzeit tele­fo­nisch zu erreichen.

Auch die relativ neue, riesige Kölner Zen­tral­mo­schee erreicht ihre Gemein­de­mit­glieder zurzeit auf digi­talem Weg. Etwa 100.000 schauen sich die Video­sen­dungen an. Unum­stritten ist diese Vor­ge­hens­weise unter den isla­mi­schen Theo­logen nicht. Der digitale Ersatz sei mit der Pflicht zum gemein­schaft­lichen Frei­tags­gebet nicht gleichzusetzen.

Selbst die hoch­heilige Al-Aqsa-Moschee, der Fel­sendom und der Tem­pelberg in Jeru­salem sind geschlossen, auch während der Ramadan-Zeit. Die zuständige, isla­mische Wakf-Behörde hatte dies ent­schieden, berichtet Vatican News. Die heilige Stätte „Haram al-Scharif“, das „edle Hei­ligtum“ ist eben­falls seit dem 23. März geschlossen.

Kurz vor Beginn des Fas­ten­monats der Muslime hat Pakistan zwar das Ver­samm­lungs­verbot gelo­ckert, aber einen 20-Punkte-Plan erlassen, um für die not­wendige Sicherheit zu sorgen. Viele reli­giöse Führer in Pakistan hatten nämlich zuvor ange­kündigt, ein Ver­samm­lungs­verbot in den Moscheen während des Ramadan nicht akzep­tieren zu wollen. Ärzte in Pakistan warnten dagegen vor einer Lockerung der Verbote. Der Zwanzig-Punkte-Plan stellt also eine Art Kom­promiss dar. Der Plan beinhaltet, dass aus hygie­ni­schen Gründen die Tep­piche in den Moscheen ent­fernt werden müssen. Die Gläu­bigen müssen einen aus­rei­chenden Abstand zuein­ander ein­halten und ältere Mit­bürger über 50 dürfen nicht zum Beten in die Moscheen kommen.

Der Spiegel hat ein Interview mit dem Vor­sit­zenden des Zen­tral­rates der Muslime, Aiman Mayzek, ver­öf­fent­licht. Herr Mayzek zeigt sich koope­rativ und ver­nünftig, was die Regeln zur Ein­dämmung des Virus betrifft und das Verbot, sich zu ver­sammeln. Viele hatten ja schon befürchtet, dass es Pro­bleme mit den mus­li­mi­schen Bürgern geben könnte, die das Gesetz Allahs rigoros über das der Men­schen stellen würden und sich dem Ver­samm­lungs­verbot wider­setzen. Das ist zwar in ein­zelnen Fällen durchaus vor­ge­kommen, aber Herr Mayzek kann für sich in Anspruch nehmen, mit seiner beson­nenen Haltung in einer Situation wie dieser zu zeigen, dass die mus­li­mi­schen Bürger in der weitaus über­wie­genden Mehrheit sich staats­bür­gerlich verhalten.

„Wir werben als Zen­tralrat der Muslime deshalb auch wei­terhin für Zurück­haltung bei mög­lichen Locke­rungen. Als Bürger und als Gläubige allemal haben wir die Ver­ant­wortung, dass die Aus­breitung des Virus wei­terhin mit aller Kraft ein­ge­dämmt wird“, sagte Herr Mayzek dem Spie­gel­re­dakteur. Jedoch nicht, ohne die For­derung vor­zu­bringen, dass die Moscheen durch den Lockdown finan­ziell in starke Bedrängnis geraten seien und dafür eine Ent­schä­digung bekommen müssen. Sie finan­zieren sich nor­ma­ler­weise fast aus­schließlich durch die Kol­lekte unter den Gläu­bigen. Viele der isla­mi­schen Got­tes­häuser sind fast bankrott. Die Mieten oder Abzah­lungs­raten für einen Immo­bi­li­en­kredit, die Per­so­nal­kosten und andere Kosten, die einfach auch ohne Betrieb anfallen, haben die Kassen bis auf den Grund geleert.

Gerade in der Ramadan-Zeit wird besonders viel in den „Klin­gel­beutel“ der Moscheen gelegt, bis zu 50 Prozent des Jah­res­ein­kommens der Got­tes­häuser – was jetzt auf­grund von Covid-19 kom­plett aus­fällt. Man ver­sucht, durch private Spen­den­aufrufe – auch via Internet —  noch genügend Geld zu gene­rieren, um die karge Zeit zu über­stehen. Besonders übel: Es mischen sich Betrüger und Schar­latane dar­unter, die sich als Spen­den­ein­sammler betä­tigen, aber die Gelder in die eigene Tasche wandern lassen.

Seine For­derung nach staat­licher Ent­schä­digung begründet Herr Mayzek sehr gekonnt:

„Moscheen und deren Ver­ant­wort­liche haben sich besonders ver­ant­wor­tungsvoll in der Corona-Zeit erwiesen. Sie sind in den Stadt­teilen und für unsere Gesell­schaft unver­zichtbare Insti­tu­tionen. Deshalb muss auch staat­li­cher­seits eine Kom­pen­sation in Form eines Aus­gleichs der durch die Schließung ver­ur­sachten Ein­nah­me­ver­luste erfolgen. Hier haben bereits einige Länder dan­kens­wer­ter­weise Pro­gramme auf­gelegt. Andere Länder sollten nach­ziehen. Geschieht das nicht, werden nicht wenige Moscheen nach der Coro­na­krise nicht mehr exis­tieren. Und mit ihnen wird die Wohl­fahrt, die Seel­sorge und die soziale Inte­gration ver­schwinden, die sie derzeit für unsere Gesell­schaft leisten.“ 

Einer­seits ist ja Religion Pri­vat­sache und es stünde ja den Gläu­bigen frei, ihre Spenden, die sie sonst in der Moschee abgeben, einfach per Bank­über­weisung oder Brief zu tätigen. Warum sollte der Staat dafür auf­kommen, dass die Gemein­de­mit­glieder nur, weil sie nicht in der Moschee beim Spenden gesehen werden, es gleich ganz lassen? Ande­rer­seits muss man wie­derum davon aus­gehen, dass viele selber durch den Lockdown scharfe Ein­kom­mens­ver­luste hin­nehmen müssen und daher gar nicht die Mittel für groß­zügige Spenden haben. Die christ­lichen Kirchen in Deutschland besitzen das Pri­vileg, die Bei­träge ihrer Schäflein einfach durch den Staat als Steuer ein­treiben zu lassen, was eigentlich auch nicht richtig ist.