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Börsen: Wie passt das zusammen?

Das Virus bringt anscheinend alles Durch­ein­ander. Auf den schnellsten Akti­en­crash der ver­gan­genen Jahre ist die schnellste Erholung erfolgt. Regie­rungen und Noten­banken befinden sich im “Wha­tever-it-takes-Modus”.

DAX 1 Jahr

L&S DAX ChartBörsen-Zeitung: “Die Bullen sind zurück” — Kom­mentar zur Lage am Akti­en­markt von Werner Rüppel

Wie passt das zusammen? Weltweit stürzt die Kon­junktur in nie zuvor gese­henem Ausmaß ab, wie zum Bei­spiel der Ein­bruch der Wirt­schafts­leistung der Eurozone im ersten Quartal um 3,8% zeigt. Auch die Pro­gnosen sind extrem schwach: So rechnet die Bun­des­re­gierung mit einem Rückgang des Brut­to­in­lands­pro­dukts um 6,3% in diesem Jahr. Gleich­zeitig haben sich die Akti­en­märkte seit Mitte März vom Corona-Crash massiv erholt. Offen­sichtlich sind die Bullen zurück.

Das Virus bringt anscheinend alles Durch­ein­ander. Auf den schnellsten Akti­en­crash der ver­gan­genen Jahre ist die schnellste Erholung erfolgt. So hat der Dax, der von seinem Hoch im Februar bis zu seinem Tief am 18. März rund 40% ein­gebüßt hatte, seit dem Tief­punkt bei 8.442 Punkten wieder knapp 30% auf fast 11.000 Zähler aufgeholt.

Auch der Welt­ak­ti­en­index MSCI World hat sich wieder deutlich befestigt und weist für den bis­he­rigen Jah­res­verlauf in Euro ein Minus von nur noch knapp 10% auf. Und wer in US-Tech­no­lo­gie­aktien inves­tiert hat, liegt, gemessen am Nasdaq-100-Index, begünstigt durch einen festen Dollar in diesem Jahr inzwi­schen gar rund 7% im Plus.

Die Gründe für die massive Erholung liegen auf der Hand. “Der Markt bewegt sich mit einem Vorlauf zu den öko­no­mi­schen Daten”, erläutert Andrew Sheets, Stratege bei Morgan Stanley. Und da liefern die schnelle und massive Unter­stützung der Wirt­schaft sowohl durch Geld- und Fis­kal­po­litik sowie die Nach­richten, dass sich der Anstieg der Covid-19-Infek­tionen ver­langsamt, einen guten Teil der Erklärung, so die Ana­lysten von Goldman Sachs.

Regie­rungen und Noten­banken befinden sich im “Wha­tever-it-takes-Modus”, meint auch die Weberbank. Ins­be­sondere die Zen­tral­banken der Indus­trie­staaten haben die Zinsen prak­tisch auf null gesenkt und pumpen, koste es was es wolle, Liqui­dität in die Märkte. Und diese Politik wird sich fort­setzen, sind doch Infla­ti­ons­ge­fahren nicht auszumachen.

Darüber hinaus erklärt auch der massive Aus­verkauf im März die aktuelle Erholung. Zuver­sicht ist bei den Anlegern gleichwohl noch nicht angesagt. “Inves­toren ver­harren in einer defen­siven Posi­tio­nierung, die sich im Zuge der März-Kor­rektur ergeben hat”, erläutert Manfred Hübner von Sentix. Dies sei eine gute Vor­aus­setzung dafür, dass die Kurs­er­holung nach wie vor Kraft besitze.

Auch nach Meinung von Manfred Schlum­berger, Leiter Port­fo­lio­ma­nagement bei Star Capital, steht das Sen­timent für die Stärke des Marktes: “Wenn allzu viele Markt­teil­nehmer darauf warten, dass die Kurse zurück­kommen, tun sie dies in der Regel nicht.”

Bis vor wenigen Wochen hatten viele Stra­tegen — ähnlich wie bei manchen frü­heren Crashs — mit einem Double Dip gerechnet: nach einer Erholung würden die Akti­en­märkte erneut abschmieren und ein neues Tief erreichen. Erst danach würden die Akti­en­kurse wieder klar anziehen. Das hat sich geändert. Immer mehr Experten kommen inzwi­schen zu der Ansicht, dass wir den Aus­verkauf und den Tief­punkt im Crash wahr­scheinlich schon erlebt haben.

So sagt zum Bei­spiel Sheets: “Nach unserer Meinung haben die Akti­en­märkte ihre Tiefs gesehen und auch die stärksten Aus­wei­tungen der Credit Spreads liegen hinter uns.” Nicht zuletzt habe der Markt inzwi­schen grö­ßeres Ver­trauen, dass der Hoch­punkt der Virus-Aus­breitung in abseh­barer Zeit erreicht werden könne. Andere Häuser fürchten zwar noch größere Rück­schläge am Akti­en­markt, ins­be­sondere wenn sich das Virus in einer zweiten Welle wieder stärker aus­breiten sollte.

Sie stellen aber auch fest, dass bei Null­zinsen und extrem nied­rigen Anlei­he­ren­diten zu Risi­ko­aktiva wie Aktien kaum eine loh­nens­werte Alter­native besteht. Und die DZ Bank ana­ly­siert: “Wer während der kom­menden Quartale Aktien kauft, sollte lang­fristig sehr gute Anla­ge­er­geb­nisse ein­fahren.” Dafür sprächen die Bewer­tungs­mo­delle, in denen künftige freie Cash-flows über einen langen Zeitraum abge­zinst würden.

Goldman Sachs geht davon aus, dass es wahr­scheinlich noch einen Rück­schlag geben dürfte und der neue Bul­len­markt noch nicht gestartet ist. Auf der anderen Seite hat sich aus einer Rally im Bären­markt schon oft ein echter Bulle ent­wi­ckelt. Und wer nach den letzten Akti­en­crashs gestaffelt und breit gestreut in Divi­den­den­titel inves­tierte, hat alles richtig gemacht.

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Quelle: mmnews.de