„Es gibt Augenblicke der Weltgeschichte, in welchen der Zeiger der Weltenuhr einen Moment stillzustehen scheint;
denn so ungeheuer ist das Ereignis, so folgenschwer, so gewaltig die Explosion, welche in diesem Zeitpunkt stattfindet,
dass uns ein Grauen erfasst vor der ungeheuren Verantwortung, welcher der Moment in sich trägt.“
Dr. Josef Kohler (Professor der Friedrich Wilhelm-Universität in Berlin und Geheimer Justizrat) im Vorwort von Der Prozeß gegen die Attentäter von Sarajewo – Aktenmäßig dargestellt von Prof. Pharos, mit Einleitung von Geh. Justizrat Prof. Dr. Josef Kohler (Sonderabdruck aus dem „Archiv für Strafrecht und Strafprozess“) Berlin 1918, S. 5
Mein neues Buch „Mordkomplott Sarajewo 1914 – Freimaurer und der Ausbruch des Ersten Weltkriegs“ ist kein „Verschwörungspamphlet“, sondern zeigt – ganz im Gegenteil – die Fakten einer Verschwörung auf!
Und, um es gleich vorwegzusagen, bevor diesbezügliche unsinnige Vorwürfe und Mundtotschlagsargumente aufkommen: Nein, es gibt auch keine „weltumspannende Freimaurerloge unter jüdischer Führung“, die den gesamten Globus beherrscht!
Das alles sind krude Theorien, die Antimasonismus und Antisemitismus geschaffen haben und in diesem journalistisch aufbereiteten Buch keinen Platz finden.
Dafür aber umso mehr die zumeist verschwiegenen, vertuschten oder ausgeblendeten Hinweise darauf, dass einzelne Freimaurer in (und) verschiedenen Logen einen großen Anteil an der Ermordung Franz Ferdinands d’Este, Erzherzog und Thronfolger von Österreich-Ungarn aus dem Haus Habsburg-Lothringen und seiner Gemahlin Sophie Chotek von Chotkowa und Wognin, Herzogin von Hohenberg hatten! Mitunter sogar das Attentat initiierten und ausführen ließen.
Rückblick, 28. Juni 1914: Zwei Kugeln im bis dahin unbekannten Sarajewo und zwei Tote, lösten die größten Katastrophen des 20. Jahrhunderts aus, die für eine bislang nie dagewesene globale Umwälzung sorgten:
Den Ersten Weltkrieg, der zwanzig Millionen militärische und zivile Todesopfer forderte sowie durch die Folgeereignisse – wie etwa den Versailler Vertrag, der unter anderem die Machtergreifung Adolf Hitlers erst möglich machte – auch den Zweiten Weltkrieg mit sechzig bis siebzig Millionen Toten.
Gewiss, über das Attentat von Sarajewo ist bereits unendlich viel gesagt und geschrieben, behauptet und gestritten worden. Dabei vermisch(t)en sich mitunter Desinformationen, Fake News und Fakten.
Insbesondere wenn es um die Beteiligung der Freimaurer geht, denn das macht aus einem Attentat eine Verschwörung; ein Komplott.
Natürlich bestreitet die internationale Freimaurerei sowie die mit dem Anschlag verbandelten Großmächte (vor allem Serbien, England, Frankreich und Russland), dass es eine solche Mitwirkung überhaupt gab.
So findet sich etwa im Internationalen Freimaurer Lexikon die diesbezügliche Passage: „Weder die Mörder von Sarajevo noch ihre Hintermänner haben jemals einer Loge angehört oder zu einer solchen Beziehung unterhalten. Der immer wieder als Treiber zum Krieg angeführte Großorient von Frankreich hat nichts, aber auch gar nichts in dieser Richtung übernommen“ (S. 897).
Doch die Indizien und Belege, die genau in diese Richtung deuten, sind nicht mehr wegzudiskutieren, mitunter sogar erdrückend, wie ich in dem vorliegenden Buch aufzeigen werde.
Dazu muss man wissen, dass von vornherein ganz bewusst ein undurchdringliches Dunkel geschaffen wurde, um die wahren Urheber und Hintermänner zu verschleiern, will sagen, geradezu unsichtbar zu machen.
Wie nebulös diese Thematik ist, beschreibt unter anderem Christopher Clark in seinem Monumentalwerk Die Schlafwandler – Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog (München 2013). Dem britischen Historiker nach fuhr der italienische Journalist Luciano Magrini im Herbst 1937 nach Belgrad, um jeden Überlebenden zu interviewen, „der nach dem damaligen Wissensstand in irgendeiner Form mit der Verschwörung von Sarajevo in Verbindung stand“. Magrini musste jedoch feststellen, „dass manche Zeugen zu Angelegenheiten Aussagen machten, von denen sie eigentlich nichts wissen konnten, andere hingegen ‚stumm blieben oder eine falsche Darstellung von dem, was sie wissen, lieferten‘ und wieder andere ‚ihre eigenen Aussagen noch ausschmückten oder in erster Linie an Selbstrechtfertigung interessiert waren.‘“
Clark weiter: „Überdies bestehen immer noch beträchtliche Wissenslücken. Ein Teil der wichtigen Kommunikation zwischen Hauptakteuren spielte sich verbal ab und ist nicht dokumentiert (…) Die serbischen Organisationen, die mit dem Attentat zu tun hatten, waren extrem verschwiegen und hinterließen so gut wie keine schriftlichen Spuren.“ Andere wiederum verbrannten ihre Unterlagen. (Clark, S. 11,12).
„Die Verschwörung zur Ermordung Erzherzog Franz Ferdinands lässt sich kaum bis ins Detail rekonstruieren (…) Von der Verschwörung selbst sind keinerlei Dokumente überliefert: So gut wie alle, die daran beteiligt waren, verkehrten für gewöhnlich in Kreisen, die eine fast schon manische Geheimhaltung wahrten.
Das stillschweigende Einverständnis zwischen dem serbischen Staat und den an der Verschwörung beteiligten Netzwerken war bewusst geheim und informeller Natur – es existierten keinerlei Unterlagen“ (Clark, S. 79).
All das sind, meines Erachtens, mehr als Hinweise unter anderem auch auf die Freimaurer und natürlich auf jene Geheimbünde, die offiziell genannt werden, aber mit verschiedenen Logenbrüder verbandelt waren, wie ich in dem vorliegenden Buch akribisch aufzuzeigen werde.
Tatsächlich gibt es heute immer noch „Forscher“, die anzweifeln, dass das Attentat von Sarajewo für den Ausbruch des Ersten Weltkriegs eine maßgebliche Rolle spielte. Vielleicht wird das alles aufgrund der inzwischen mitunter bekannten „Hintermänner“ vertuscht.
So schreibt etwa Ružica Grgic´ in Mir scheint, wir werden heute noch Kugeln bekommen. Das Attentat von Sarajewo am 28. Juni 1914 (in: Von Sarajewo zum 11. September – Einzelattentate und Massentourismus, Innsbruck 2007, S. 39): „Das Attentat von Sarajewo kann nach dem heutigen Forschungsstand nicht für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges verantwortlich gemacht werden. Der Untergang der Habsburger-Monarchie wurde aber durch die Tat von Sarajewo eingeleitet (…)
Auch auf die komplexen Hintergründe des Attentates wird heute nicht mehr so geschlossen, wie es die Historiker früherer Zeiten taten, um bestimmte Nationalitäten und Gruppen als Verantwortliche für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges zu stigmatisieren. Retrospektiv kann man die Tat von Sarajewo als den ‚dilettantischsten Tyrannenmord der Neuzeit‘ sehen, der nur durch den Zufall der Ereignisse und Schlamperei der österreichisch-ungarischen Polizei zustande kam.“
Mit solchen oder ähnlich lautenden Argumentationen wird also die „Verschwörung“ verharmlost, gar als „dilettantisch“ und „schlampig“ dargestellt.
Und so lautet heute vielerorts auch die „offizielle“ Geschichtsschreibung – glattgebügelt, politisch korrekt und meines Erachtens – völlig falsch!
Wie die politische Betätigung und das eklatante Eingreifen der Logenbrüder in die Geschichte bei zwei geradezu weltbewegenden Revolutionen, nämlich der Amerikanischen und der Französischen Revolution, tatsächlich aussah, dokumentiere ich im Anhang in zwei Exkursen …
Mit dem vorliegenden Buch erfährt der Leser die wahren Hintergründe des Mordkomplotts von Sarajewo, das von langer Hand von hochrangigen Kreisen geplant und schließlich durch- und ausgeführt wurde.
Auch Christopher Clark erkennt, dass dabei politische Akteure zu „reinen ausführenden Organen der Kräfte“ wurden, die „sich längst etabliert haben und ihrer Kontrolle entziehen (…) Der Ausbruch des Krieges war der Höhepunkt in einer Kette von Entscheidungen, die von politischen Akteuren mit bewussten Zielen getroffen wurden (…) Nationalismus, Rüstung, Bündnisse und Hochfinanz waren allesamt Teil der Geschichte (…)“ (Clark, S. 17).
Der britische Historiker macht zudem auf die Aktualität der Thematik aufmerksam: „Alles fing mit einem Kommando von Selbstmordattentätern und einem Autokorso an. Hinter der Gräueltat von Sarajevo stand eine erklärte Terrororganisation, die einen Opfer- Todes- und Rachekult pflegte; überdies war diese Organisation extraterritorial und kannte keinen eindeutigen geographischen oder politischen Ort.“ Und: „Sie war in Zellen über politische Grenzen hinweg verstreut, man konnte sie nicht zur Rechenschaft ziehen, zu einer souveränen Regierung unterhielt sie lediglich indirekt und heimlich Kontakte, die für Außenstehende kaum auszumachen waren“ (Clark, S. 15).
Fortsetzung folgt!
Guido Grandt — Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Blog des Autors www.guidograndt.de
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