Der Fall Julian Assange wird von den britischen Behörden weiter verschleppt. Eine weitere Sitzung des Gerichts brachte erneut keine Bewegung, sondern nur eine weitere Verzögerung in dem Fall.
Julian Assange ist mittlerweile schwer krank. Der Sonderbeauftragte der UNO für Folter hat bereits mehrmals darauf hingewiesen, dass die Haftbedingungen von Assange in London Folter darstellen. Aber das ändert sich nichts, und die deutsche Regierung geht unangenehmen Fragen zu dem Thema aus dem Weg, indem sie mitteilt, die Berichte der UNO nicht gelesen zu haben, dafür aber den Briten blind vertraut.
Im Mai gab es eine weitere gerichtliche Anhörung in seinem Fall. Die Jahre der Isolation in der ecuadorianischen Botschaft und die mittlerweile über ein Jahr andauernde Haft in einem Hochsicherheitsgefängnis haben bei Julian Assange unter anderem zu einer Lungenerkrankung geführt. Damit gehört Assange zur Risikogruppen der Corona-Pandemie. Gefängnisse gelten als besondere Brutstellen für die Pandemie und weltweit haben Gefängnisse viele Inhaftierte vorzeitig oder auch vorübergehend freigelassen, um die Ausbreitung der Erkrankung in beengten Gefängnissen zu verhindern.
Eine auch nur vorübergehende Entlassung von Assange aus dem Gefängnis, in dem Corona sich ebenfalls stark ausbreitet, hat das Gericht untersagt. Das britische Gericht soll über seine Auslieferung an die USA entscheiden, aber in der Sache wird auf Zeit gespielt. Das Gericht konnte noch nicht einmal über den Ort für die für September angesetzte Verhandlung entscheiden.
In westlichen Medien habe ich dazu keine Berichte gefunden.
Da eine Auslieferung in die USA nach britischem Recht eigentlich unmöglich ist, da ihm dort die Todesstrafe droht, scheint das britische Gericht auf Zeit zu spielen. Es drängt sich der Eindruck auf, man hoffe, dass Assange in der Haft verstirbt, damit sich das Problem quasi „von selbst erledigt“.
Es ist bemerkenswert, dass es nicht etwa westliche Staaten sind, die die Einhaltung der Menschenrechte im Falle von Assange fordern. Es ist ausgerechnet Russland, dass sich immer wieder offiziell zu dem Fall äußert und auf die Achtung der Menschenrechte von Assange pocht. Am Donnerstag hat die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharova, sich erneut zu dem Fall geäußert und den Westen scharf kritisiert. Ich habe die offizielle russische Erklärung übersetzt.
Beginn der Übersetzung:
Es ist alarmierend zu hören, dass die Anwälte des Journalisten keinen Zugang zu ihm haben, während sich der Gesundheitszustand von Assange, der bereits durch die jahrelange, faktische Inhaftierungen geschädigt wurde, weiter verschlechtert. Auf Drängen der behandelnden Ärzte musste der Journalist am 18. Mai die Teilnahme an den Anhörungen in seinem eigenen Fall verweigern. Noch größeres Unverständnis ruft die Entscheidung des Gerichts hervor, den Antrag des Gefangenen auf Freilassung gegen Kaution abzulehnen, obwohl sich in dem Gefängnis „Belmarsh“, in dem Assange festgehalten wird, die Coronavirus-Infektion ausbreitet und der Journalist laut medizinischen Berichten wegen seiner akuten Lungenerkrankung als Folge der Jahre in Haft einem hohen Risiko ausgesetzt ist.
Internationale Menschenrechtsaktivisten haben wiederholt darauf hingewiesen, dass im Fall Assange insgesamt 30 Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verletzt wurden. Nach Angaben des UN-Sonderbeauftragten Nils Meltzer wurde gegen ihn psychologische Folter angewendet. Ich kann keine eindeutige Schlussfolgerung ziehen, hier geht es nicht um eine politische, sondern eine medizinische Frage, aber die Schlussfolgerungen von Herrn Meltzer wurden von qualifizierten Spezialisten nicht bestritten und sie sind eines der zentralen Themen in vielen Berichten und Veröffentlichungen über die Situation von Julian Assange. Es ist offensichtlich – und wird einhellig von Ärzten aus verschiedenen Ländern bestätigt -, dass Julian Assange seit mehr als sechs Monaten dringend medizinische und psychologische Hilfe benötigt, und dass sein Leben in Gefahr ist.
Solche Schritte der britischen Justiz gegen Assange erscheinen zumindest als unmenschlich und sehen eher wie die Hinrichtung eines Journalisten für seine beruflichen Aktivitäten aus. Es ist erstaunlich, dass es ausgerechnet im Vereinigten Königreich, dessen Regierung sich weltweit aktiv für die Achtung der Menschenrechte und der demokratischen Werte einsetzt, eine solche Verhöhnung der Menschenrechte gibt.
Der Fall Assange ist ein Schlag der westlichen Justiz gegen sich selbst, da sie nach Ansicht vieler Beobachter als politisches Strafinstrument gegen unbequeme Menschen eingesetzt wird.
Ich möchte darauf hinweisen, dass das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten eine öffentliche Kampagne über die Haftbedingungen von Paul Whelan, einem Bürger der Vereinigten Staaten, Großbritanniens, Irlands und Kanadas, führen, der seit Dezember 2018 eine Strafe wegen Spionage in Russland verbüßt. Ich erinnere daran, dass er am 27. Mai über eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes wegen einer Verschlimmerung einer Vorerkrankung geklagt hat. Am nächsten Tag wurde er operiert und erhielt die notwendige, qualifizierte medizinische Versorgung.
Wir halten es für absolut inakzeptabel, dass Assange inmitten der COVID-19-Epidemie im Gefängnis bleibt. Wir hoffen, dass die britischen Behörden keine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes zulassen und dem Journalisten gegenüber Menschlichkeit zeigen. Wir beobachten eine gewisse Diskrepanz zwischen den Worten und den Taten unserer westlichen Partner, insbesondere in Menschenrechtsfragen.
Wir fordern die internationale Gemeinschaft und die zuständigen Menschenrechtsorganisationen auf, sich aktiv für die Verteidigung der legitimen Rechte des Journalisten einzusetzen.
Ende der Übersetzung
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Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Osteuropa in verschiedenen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet, bevor er sich entschloss, sich als unabhängiger Unternehmensberater in seiner Wahlheimat St. Petersburg niederzulassen. Er lebt insgesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite www.anti-spiegel.ru. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
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