Wirt­schafts- und Finanz­kollaps durch Corona: In den Golf­staaten geht buch­stäblich das Licht aus

Falls es wirklich einen Plan geben sollte, das Welt­wirt­schafts- und Finanz­system durch den Lockdown in etwa 87 Ländern und ver­schie­denen Ein­däm­mungs-Maß­nahmen in vielen andern Ländern der Erde her­un­ter­zu­fahren und damit weltweit einen Sys­tem­ab­bruch zu erzwingen, dann muss man aner­kennen, das scheint wirklich zu gelingen. Die Golf­staaten bei­spiels­weise stehen mit dem Rücken an der Wand. Der Oman kann jetzt schon seine Strom- und Was­ser­rech­nungen kaum noch bezahlen. 

Die nied­rigen Ölpreise und der Corona-Lockdown boten in Europa den Scherz­bolden ein ergie­biges Thema für viele Witz­bildchen und Memes. Eines davon war: „Wir sind alle wieder 17! Wir haben alle Haus­arrest und lange Haare und der Sprit ist billig!“

Für die Golf­staaten ist der billige Sprit aber ein exis­ten­zi­elles Problem geworden. Weder Schweröl noch Fahr­zeug­sprit wurden gebraucht, denn die Tanker fuhren lange nicht, weil die Länder wegen des Lock­downs keine Waren pro­du­zierten, die ver­schifft werden mussten, erst langsam geht die Pro­duktion wieder an den Start. Die Men­schen fuhren kaum mit dem Auto, weil sie durch den Lockdown zumeist daheim saßen. Auch erd­öl­ba­sierte Pro­dukte, wie z. B. Kunst­stoffe, wurden nicht her­ge­stellt. Die „Scheichs“ saßen auf ihrem Öl und durch den Lockdown im eigenen Land waren nicht nur die Öl-För­derung, sondern auch Ein­zel­handel und Dienst­leis­tungen aller Art auf Eis gelegt. Weder der Staat noch die arbei­tende Bevöl­kerung erzielten die üblichen Einkünfte.

„Durch die Ver­breitung des Coro­na­virus und die damit ein­her­ge­henden Ein­däm­mungs­maß­nahmen ging die welt­weite Nach­frage noch weiter zurück und sorgte nicht nur – wie zunächst ange­nommen – für eine kurz­fristige Tal­fahrt, sondern für einen mas­siven glo­balen Rückgang der Nach­frage nach Rohöl um 30%.“

Im Oman zum Bei­spiel ist die „Oman Strom- und Was­ser­be­schaf­fungs-Gesell­schaft“ (OPCW) für die Ver­sorgung des gesamten Staates zuständig und ein Mono­pol­ab­nehmer der Strom­pro­du­zenten und Was­ser­werke. Ange­sichts der man­gelnden Ein­künfte des Staates aus der ein­zigen Geld­quelle, dem Erdöl, kün­digte die OPCW an, die Zah­lungen an die pro­du­zie­renden Ver­sor­gungs­un­ter­nehmen „vor­über­gehend“ zu kürzen. Dar­unter ist auch die Was­ser­ent­sal­zungs­anlage SMN-Power, ohne die Süß­wasser knapp wird im Land. Man betont von­seiten der Unter­nehmen, dass diese Kürzung „kurz­fristig“ keine Aus­wir­kungen auf die Strom- und Was­ser­ver­sorgung haben werden. Das wider­spricht aller­dings dem ange­kün­digten Maß­nah­men­bündel des Finanz­mi­nis­te­riums des Oman. Eine Ent­spannung der Situation ist nämlich nicht in Sicht.

Denn das Haus­halts­de­fizit des Oman für 2020 wird nach Schätzung von Öko­nomen um die 17% des Brut­to­so­zi­al­pro­duktes (ca. 80 Mil­li­arden $) liegen. Und schon ver­lieren die Staats­an­leihen des Landes 14% ihres Wertes und die Zinsen steigen auf 7,8%. Der Oman war eigentlich davon aus­ge­gangen, den größten Teil seines Haus­halts­de­fizits von 2020 durch Kredite im Ausland finan­zieren zu können. Der Kollaps der Ölpreise macht indessen einen Strich durch die Rechnung. Die im „State General Reserve Fund“ (SGRF, den staat­liche Finanz­rück­lagen des Oman) lie­genden Reserven werden nun zum ersten Mal ange­zapft werden müssen, um den Strom- und Was­ser­ver­sorgern die weitere Pro­duktion zu ermöglichen.

„Durch die Covid-19-Pan­demie wird es schwie­riger werden, Kredite auf den inter­na­tio­nalen Finanz­märkten zu bekommen und zusätzlich ist da noch der neu­er­liche Ein­bruch der Ölpreise“, so Yesenn El Radhi, ein Finanz­ex­perte der »Capital Intel­li­gence Ratings« aus Frankfurt.

Die anderen Golf­staaten würden nor­ma­ler­weise aus­helfen, aber auch die sind durch die Ölpreis­krise und Covid-19 arg gerupft. Wie die Exper­ten­seite Germany Trade & Invest (GTAI) fest­stellt, hat der Ein­bruch der Ölein­nahmen in den Golf­staaten weit­rei­chende Aus­wir­kungen. Gerade die Anstren­gungen der Ölstaaten, von dieser ein­sei­tigen Ein­nah­me­quelle durch Diver­si­fi­zierung der Staats­ein­nahmen weg­zu­kommen, um nicht so stark vom Ölhandel abhängig zu sein, werden iro­ni­scher­weise genau durch den Ölpreis­ein­bruch tor­pe­diert und werden genau des­wegen immer dringender.

Aber auch immer schwie­riger: Die Golf­staaten stehen vor dem wirt­schaft­lichen Kollaps. Ins­be­sondere die größte Volks­wirt­schaft der Golf­staaten ist schwer vom Ölpreis­verfall betroffen. 80% des Haus­haltes von Saudi-Arabien werden durch Ölför­derung und ‑verkauf finan­ziert. Die Lage ist überdies durch den Ölpreis­kampf, den Saudi-Arabien – wahr­scheinlich auch im US-ame­ri­ka­ni­schen Interesse – gegen Russland geführt hat, besonders prekär. So schreiben die Deut­schen Wirtschaftsnachrichten:

„Anfang März begann der Kron­prinz einen unnö­tigen und zeitlich unpas­senden Preis­kampf mit Russland, wodurch die Preise sanken. Obwohl beide Seiten in der Lage waren, ihre Dif­fe­renzen aus­zu­gleichen und im April eine neue Pro­duk­ti­ons­kür­zungs­ver­ein­barung zu ver­ein­baren, war es schlichtweg zu spät: Die Aus­breitung des Coro­na­virus hatte das Wirt­schafts­wachstum auf der ganzen Welt ins Stocken gebracht. Die Pro­gnosen für die Ölnach­frage gingen kurz­fristig um 30 Prozent zurück, und die Inter­na­tionale Ener­gie­agentur (IEA) geht davon aus, dass die Nach­frage im aktu­ellen Jahr um 9,3 Mil­lionen Barrel pro Tag (Mbd) sinken wird.“ 

So kann Saudi Ara­biens Kron­prinz Mohammed bin Salman sein Groß­projekt einer 500-Mil­li­arden-Traum­stadt in der Wüste wohl nicht mehr rea­li­sieren. Die erwar­teten Ein­nahmen aus dem geplanten inter­na­tio­nalen Hotspot- Deluxe-Tou­rismus wird es wegen der Aus­wir­kungen von Covid-19 und aus­blei­benden Gästen auch nicht geben.

Aber auch dabei wird es mög­li­cher­weise nicht bleiben. Die heftig spru­delnden Ölein­nahmen sorgten im König­reich Saudi-Arabien für den inneren Frieden und Sicherheit. Das Königshaus hat sich die innere Sta­bi­lität im Prinzip damit erkauft. Ein üppiges Wohl­fahrts­pro­gramm nach dem anderen wurde damit finan­ziert und die ver­wöhnten, sau­di­schen Bürger waren‘s zufrieden.

Bau­ar­beiter und Inge­nieure in Riad, Saudi-Arabien bei der Montage.

Arbeiten mussten die wenigsten Bürger der Golf­staaten. Man beschäf­tigte unglaublich viele aus­län­dische Kräfte, von der Putzfrau bis zum Inge­nieur, die aber nur so lange im Land bleiben dürfen, wie sie auch arbeiten. „Der aus­län­dische Bevöl­ke­rungs­anteil, der vor allem aus Arbeits­mi­granten aus Asien und Afrika besteht, lag 2019 bei 38 Prozent. Im GCC-Raum ist dies die nied­rigste Aus­län­der­quote, in Oman sind es 42 Prozent, in Bahrain 53 Prozent, in Kuwait 70 Prozent, in den VAE 87 Prozent und in Katar 90 Prozent.“

Dieser Luxus und Reichtum sowie die fleißig arbei­tenden, impor­tierten Hein­zel­männchen haben Frieden und Sta­bi­lität erhalten und jeden Anreiz für Reformen und Ver­än­de­rungen erstickt. Der bequeme Lebensstil der zufrie­denen Bevöl­kerung ermög­lichte dem sau­di­schen Königshaus, das seit 1920 die Geschicke des Landes führt, eine abso­lu­tis­tische Macht aus­zuüben, ohne demo­kra­tische Struk­turen oder Wahlen. Das könnte sich aber ändern, wenn das poli­tische und wirt­schaft­liche Klima rauer wird und die Bevöl­ke­rungen der Golf­staaten plötzlich so etwas, wie einen Exis­tenz­kampf und harte Arbeit leisten müssen.

Es bleibt abzu­warten, was sich  in den nächsten Monaten in dieser Region ent­wi­ckeln wird und wie sich das auf Europa auswirkt.

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