E‑Autos schaden der Umwelt mehr als Diesel, sagen Wissenschaftler

In Hamburg und Stuttgart gibt es bereits Fahr­verbote für bestimmte Die­sel­mo­delle, in anderen Städten könnten sie noch folgen. Der Diesel scheint als Antriebsart in Deutschland aus­ge­dient zu haben: Waren laut Kraft­fahrt­bun­desamt im August 2015 mit 46,5 Prozent noch fast die Hälfte aller Neu­zu­las­sungen hier­zu­lande Die­sel­fahr­zeuge, betrug der Anteil im März 2019 nur 32,4 Prozent.

Aus­gehend vom Mani­pu­la­ti­ons­skandal von Volks­wagen geriet der Diesel in Verruf, heute steht er in erster Linie für hohe Emis­sionen von älteren Modellen. E‑Autos sollen nun die Lösung sein: Kein CO2-Ausstoß und ein güns­tiger Unterhalt sprechen für alter­native Antriebe.

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Doch eine Studie zeigt, dass die Vor­teile von E‑Autos gegenüber Die­sel­fahr­zeugen bei Betrachtung der gesamten Pro­duk­ti­ons­kette so gut wie nicht vor­handen sind. Zu dem Ergebnis kommt eine Unter­su­chung von Christoph Buchal, Phy­sik­pro­fessor an der Uni­ver­sität zu Köln, dem lang­jäh­rigen ifo-Ener­gie­ex­perten Hans-Dieter Karl und dem frü­heren ifo-Prä­sident Hans-Werner Sinn.

Studie: In der Gesamt­be­trachtung weniger CO2-Ausstoß beim Diesel als beim E‑Auto

Dass der Die­sel­motor dennoch den hef­tigen Attacken aus­ge­setzt ist, hängt indirekt mit den Betrü­ge­rerien der Auto­kon­zerne zusammen, bestätigt Hans-Werner Sinn im Gespräch mit Business Insider. „Es ist an der Zeit, den berech­tigten Ärger darüber den Gerichten zu über­lassen und zu einer ratio­nalen Beur­teilung des Die­sel­motors zurück­zu­kommen“, fordert er. „Dieser Motor ist beim heu­tigen deut­schen Ener­giemix mit deutlich weniger CO2-Ausstoß ver­bunden als ein Elek­tro­motor“, sagt Sinn.

Für ihre Studie haben die Autoren die offi­zi­ellen Mess­daten zweier Mit­tel­klas­se­autos mit­ein­ander ver­glichen: die vom Mer­cedes C 220 d und vom neuen Tesla Model 3. Man müsse die auf­ge­wendete Energie für die Bat­te­rie­pro­duktion, sowie den deut­schen Ener­giemix in der Berechnung des Ver­brauchs berück­sich­tigen, heißt es in der Unter­su­chung. Mit 22,7 Prozent sei der größte Anteil des Strommix im Jahr 2018 aus der Braun­kohle gekommen, die alles andere als umwelt­freundlich sei. Unterm Strich komme ein E‑Auto mit Bat­terien heute mit dem Ener­giemix des Jahres 2018 auf einen CO2-Ausstoß von 83 Gramm pro Kilometer.

Für die Pro­duktion des E‑Autos müssten laut den Studien-Autoren 73 bis 98 Gramm hin­zu­be­rechnet werden, wordurch der Gesamtwert 156 bis 181 Gramm pro Kilo­meter beträgt. Rechnet man für die Bat­terien die erwähnten Zusatz­mengen von 73 Gramm bis 98 Gramm hinzu, kommt man auf Werte von 156 Gramm bis 181 Gramm. Zum Ver­gleich: Bei einem Die­sel­motor sind es laut der Unter­su­chung nur 141 Gramm und damit selbst im güns­tigsten Fall weniger als bei einem bat­te­rie­be­trie­benem Auto.

E‑Auto-Bat­terien werden unter hohem Ener­gie­einsatz produziert

Im theo­re­ti­schen, opti­malen Fall würde die Energie für das Betreiben eines E‑Autos aus­schließlich über rege­ne­rative Ener­gie­quellen erzeugt. Doch dieses Sze­nario ist laut Hans-Werner Sinn in Deutschland noch weit ent­fernt. „Die Akkus können die sai­so­nalen Schwan­kungen des Wind- und Son­nen­stroms nicht abpuffern. Dazu sind sie viel zu klein und zu teuer“, sagt er zu Business Insider.

Die Studie kri­ti­siert zudem die Argu­men­tation, dass man für den Betrieb der E‑Autos den vor­han­denen rege­ne­rativ gewon­nenen Strom ver­wenden könne. Daher sei der CO2-Ausstoß der E‑Autos schon heute null. „So darf man aber nicht rechnen, denn dann ent­ziehen diese Autos den Öko­strom den anderen Sek­toren der Wirt­schaft und erzwingen dort mehr CO2 ‑Ausstoß, den man ihnen zurechnen müsste“, hießt es in der Unter­su­chung. Auch die end­liche Lebens­dauer der Bat­terien müsse ein­be­rechnet werden. „In den Akkus stecken unter anderem Lithium, Kobalt und Mangan, die jeweils mit hohem Ener­gie­einsatz gewonnen und ver­ar­beitet werden“, schreiben die Autoren.

Zudem habe die Politik Fehl­ent­schei­dungen in der Kli­ma­po­litik getroffen. „Den Dop­pel­aus­stieg aus der Kern­kraft und der Kohle kann Deutschland nicht schaffen — das ist zu ambi­tio­niert. Früher oder später, wenn die berau­schende Wirkung der Ideo­logien nach­lässt, wird sich unser Land ent­scheiden müssen“, sagt Sinn zu Business Insider. Gerade wegen des Abschieds von der Atom­kraft werde auch in Zukunft der Die­sel­motor ins­gesamt weniger CO2 aus­stoßen als ein E‑Auto. Kern­kraft­werke erzeugen emis­si­onsfrei Strom, gleich­zeitig besteht aber die Gefahr eines ato­maren Unfalls.

Sinn: „ Erdgas ist eine gute Alternative“

Die Studie hat auch andere Antriebs­arten unter­sucht, wie bei­spiels­weise die Brenn­stoff­zelle. Zwar ist der Wir­kungsgrad der Brenn­stoff­zelle deutlich geringer als bei einer Bat­terie, für die Autoren hat sie aber auch einige Vor­teile gegenüber bat­te­rie­be­trie­benen E‑Autos: Was­ser­stoff lässt sich schneller tanken und leichter spei­chern als Bat­te­rie­strom. „Für eine rasche Umsetzung der Was­ser­stoff­tech­no­logie ist es indes noch zu früh, und die Vor­gaben der EU ver­langen sofortige Ent­schei­dungen“, sagt Sinn.

Diese Vor­gaben für die CO2-Emis­sionen gelten ab 2021. Dann darf die Flotte der neu ver­kauften Autos eines Her­stellers durch­schnittlich nur noch 95 Gramm CO2 je Kilo­meter aus­stoßen, was einem Ben­zin­ver­brauch von 4,1, bezie­hungs­weise einem Die­sel­ver­brauch von 3,6 Litern auf 100 Kilo­metern ent­spricht. Erdgas sei eine gute Alter­native, so Hans-Werner Sinn, die von der Auto­in­dustrie aber nicht aus­rei­chend ver­folgt werde. „Mit Erdgas betriebene Ver­bren­nungs­mo­toren könnten die Her­steller aus dem Stand in den Markt bringen. Der Ent­wick­lungs­aufwand ist minimal im Ver­gleich zu den Elek­tro­autos, die Infra­struktur ist schon da und der CO2-Ausstoß schon heute wesentlich nied­riger als bei Elektro- oder Die­sel­autos“, so Sinn. In der Studie sprechen die Autoren von 99 Gramm CO2-Ausstoß pro 100 Kilometer.

Experten: E‑Auto ist kein Allheilmittel

Die erwähnten Vor­gaben der EU kri­ti­siert Sinn eben­falls. Es gehe nicht allen Poli­tikern in Brüssel darum, das Klima zu retten. „Vielen ist es genauso wichtig, dafür zu sorgen, dass die deutsche Auto­mo­bil­in­dustrie sich wieder hinten anstellen muss. Leider haben die Betrü­ge­reien der Kon­zerne dafür das emo­tionale Umfeld geschaffen“, sagt er.

Laut den Berech­nungen der Experten ist das E‑Auto kein All­heil­mittel für den Kli­ma­wandel. Ver­braucher, die mit ihrem Auto die Umwelt so wenig wie möglich belasten wollen, können das erreichen „mit einem Ver­bren­nungs­motor, der zunächst mit Erdgas und später mit ‚grünem‘ Methan betrieben wird“, rät Hans-Werner Sinn.


Quelle: businessinsider.de