SOS-Kin­derdorf: Corona-Maß­nahmen ver­schärfen Folgen von Kinderarmut

Anlässlich des Welttags zur Besei­tigung der Armut am 17. Oktober machte u.a. der Verein SOS-Kin­derdorf darauf auf­merksam, dass die Corona-Krise die ohnehin bereits immer weiter auch in Deutschland zuneh­mende Kin­der­armut enorm ver­stärkt. Aber auch in anderen Bereichen sind die Kol­la­te­ral­schäden der unver­hält­nis­mä­ßigen Corona-Maß­nahmen über­haupt nicht absehbar.

Einer Ber­telsmann-Studie zufolge sind von kon­kreter Armut im Alltag mehr als ein Fünftel (21,3 % ; 2,8 Mio) aller unter 18-Jäh­rigen in Deutschland betroffen. Die Corona-Krise und die damit ein­her­ge­henden Maß­nahmen ver­schärften die Lage zusätzlich:

„Geldnöte ent­stehen durch den plötz­lichen Verlust von Arbeits­plätzen und Kon­flikte in Familien eska­lieren auf engem Wohnraum schneller.“

Hat Corona die Lage ver­schärft und wenn ja, wie genau ist das spürbar?

Hier bestellen!

Anne Luther, die u.a. als Schul­so­zi­al­ar­bei­terin beim SOS-Kin­der­dorf­verein in Berlin tätig ist, sagt im Interview auf die Frage „Hat Corona die Lage ver­schärft und wenn ja, wie genau ist das spürbar?“ dazu:

„Viele der Jugend­lichen, mit denen ich arbeite, leben in pre­kären sozio-öko­no­mi­schen Ver­hält­nissen. Ihre Eltern arbeiten häu­figer im Nied­rig­lohn­sektor und sind auf zusätz­liche Unter­stüt­zungs­an­gebote ange­wiesen. Von Hilfen wie dem Kurz­ar­bei­tergeld pro­fi­tierten die meisten in der Pan­demie nicht, und viele Ein­rich­tungen wie Tafeln oder Klei­der­kammern blieben geschlossen.

Berlin bietet in „nor­malen Zeiten“ unzählige Mög­lich­keiten, Frei­zeit­an­gebote für sehr wenig Geld oder voll­kommen kos­tenlos zu nutzen: Bogen­schießen im Jugendklub statt Tennis im Verein oder Beat­boxing-Workshop in der Schule statt Gei­gen­un­ter­richt beim Pri­vat­lehrer. Der Zugang ist aller­dings schon ohne Corona-Krise nicht ganz leicht: Anträge stellen, Nach­weise erbringen, das sind durchaus Hindernisse.

In der Pan­demie fallen viele dieser Angebote nun gänzlich weg und somit ein Großteil der außer­häus­lichen Unter­stützung. Während der Schul­schlie­ßungen waren viele der Jugend­lichen erneut stärker benach­teiligt: Zu Hause fehlt die not­wendige tech­nische Aus­stattung, und Unter­stützung durch Lern­för­derung gibt es nicht. Viele Eltern sind über­fordert, wenn sie plötzlich für fünf Kinder unter­schied­lichen Alters die Lehr­kraft sein sollen – in einer Sprache, die oft nicht ihre Mut­ter­sprache ist.

Und in teils beengten Wohn­ver­hält­nissen finden diese Kinder und Jugend­lichen keinen ruhigen Ort, um kon­zen­triert zu lernen. Auch die Kon­flikte nehmen häufig zu, wenn Familien über viele Wochen hinweg auf engstem Raum zusammen sind. So kam es während des Lock­downs ver­mehrt zu Ver­nach­läs­sigung und Gewalt.“

Welt­un­ter­gangs­stimmung im Kulturbereich

Auch in zahl­reichen anderen Bereichen herrscht derzeit eine Art Welt­un­ter­gangs­stimmung. Besonders hat es dabei den Kul­tur­sektor getroffen, der nun voller Sorge auf den dro­henden zweiten Lockdown blickt.

Vor drei Tagen haben sich daher bekannte Kölner Künstler (Gerd Buurmann, Schau­spieler, „Kunst gegen Bares”, Christian Bechmann, „Escht Kabarett“, Torsten Schlosser, Kaba­rettist, Atelier Theater, Bernd Rehse, Schau­spieler, ARTheater) in einem flam­menden Appell mit dem Titel „Aktuelle Kölner Corona-Schutz­maß­nahmen bringen freie Kul­tur­szene zum Absturz!“ an die Öffent­lichkeit gewendet.

„Kul­tur­ver­an­stal­tungen sind keine Superspreader-Ereignisse!“

Darin heißt es: „Kul­tur­ver­an­stal­tungen sind keine Super­spreader-Ereig­nisse! Deshalb halten wir die neuen, per Lan­des­erlass ver­ord­neten Ver­schär­fungen für Kul­tur­ver­an­stal­tungen, für falsch. Wir sehen das Gebot der Ver­hält­nis­mä­ßigkeit verletzt.“

Auch in den Kölner Szene- und Kul­tur­kneipen herrscht die pure Über­le­bens­angst. Obwohl diese seit Jahr­zehnten ganz ent­scheidend mit zu dem ganz beson­deren Flair Kölns bei­tragen, droht hier – auch ohne einen radi­kalen erneuten Lockdown, sondern schon auf­grund der am Mittwoch beschlos­senen Maß­nahmen – das große Sterben.

Noch schlimmer sieht die Lage in Berlin aus, das sich seit 1989 weltweit zu der Metropole für „Par­ty­machen“, „Feiern“ und tage­lange „Club-Events“ in einer ein­ma­ligen Vielfalt ent­wi­ckelt hat („Sexy, dadurch reich“). Ein für den Berlin-Tou­rismus ganz ent­schei­dender wirt­schaft­licher Faktor droht nun in großen Teilen wegzubrechen.

Bestat­tungs­un­ter­nehmen und Kran­ken­häusern geht es nicht besser

Da bleibt eigentlich nur noch zu erwähnen, dass es den Arzt­praxen, Kran­ken­häusern und den Bestat­tungs­un­ter­nehmen nicht besser geht. In der FAZ ist zu lesen: „Einige Bestat­tungs­un­ter­nehmen haben gerade so wenig Auf­träge, dass sie staat­liche Hilfe in Anspruch nehmen. Geht die Zahl der Todes­fälle in Deutschland während der Corona-Pan­demie sogar zurück?“

Mehr muss man eigentlich zur Ein­schätzung der Corona-Maß­nahmen und des dro­henden zweiten Lock­downs nicht wissen…

Außer viel­leicht noch die aktu­ellen, wirklich aus­sa­ge­kräf­tigen Zahlen zum Infektionsgeschehen:


Erst­ver­öf­fent­li­chung auf dem Blog von David Berger www.philosophia-perennis.com