Deutscher Personalausweis im ab 2021 vorgesehenen Design, Quelle: WIkipedia, gemeinfrei

Der „Große Bruder“ sieht und weiß alles: Perso und Füh­rer­schein auf dem nächsten Schritt zum total glä­sernen Bürger

Der RFID-Chip stieß schon auf wenig Begeis­terung beim Bürger und wurde kaum genutzt. Jetzt sollen auch noch ver­pflichtend Fin­ger­ab­drücke auf jeden Perso kommen. Im Juni 2021 haben wir alle auf unserem Smart­phone eine Per­so­nal­ausweis-App, um sich zu iden­ti­fi­zieren, und auch der Füh­rer­schein wird zukünftig per Smart­phone vor­ge­zeigt werden. Schöne neue Welt. Natürlich kann das alles auch aus der Ferne ver­folgt und getrackt werden. Zeit, sich eine Han­dy­hülle zu besorgen, die das unmöglich macht. Bis genau das viel­leicht dann irgendwann unter Strafe gestellt wird? 

Der RFID-Chip wurde ja schon 2010 auf die Per­so­nal­aus­weis­karten auf­ge­bracht. Damit, so die Sprach­re­gelung, erleichtere man dem Bürger das Leben deutlich. Mit diesem RFID-Chip kann man sich „sicher im Netz oder an Auto­maten aus­weisen“, steht auf der ent­spre­chenden Seite  des Bun­des­mi­nis­te­riums des Inneren. „Sie erle­digen Ihre Behör­den­gänge oder geschäft­lichen Ange­le­gen­heiten einfach elek­tro­nisch“. Und es ist ja alles so sicher, beruhigt man das miss­trauische Volk, dass zwar die DSGVO als völlig über­zo­genen Krampf sieht, aber dennoch sich nicht wohl­fühlt, wenn alle per­sön­lichen Daten auf dem Chip dieser Perso-Plas­tik­karte gespei­chert sind und von außen aus­ge­lesen werden können.

Die Bun­des­re­gierung ver­si­chert zwar: „Ihre per­sön­lichen Daten sind dabei immer zuver­lässig vor Dieb­stahl und Miss­brauch geschützt. Das ist gerade im Internet wichtig, da hier Iden­ti­täts­dieb­stahl leichter als in der ana­logen Welt umge­setzt werden kann: Jemand ver­schafft sich Ihre Iden­ti­fi­zie­rungs­daten, also z. B. Ihre Nut­zer­namen und Pass­wörter, nimmt Ihre Iden­tität an und handelt in Ihrem Namen“, und zählt die ganzen Sicher­heits­fea­tures auf. Aber Experten wissen, dass man das durchaus knacken kann. Einen Per­so­nal­ausweis in die Finger zu bekommen, die nötigen  Kennt­nisse, den Chip aus­zu­lesen und man hat die kom­plette Iden­tität des Inhabers des Aus­weises über­nommen und kann sie aus­nutzen. Denn mit der eID des Aus­weises kann man eine rechts­ver­bind­liche Unter­schrift leisten, man kann sich damit in alle mög­lichen Konten ein­loggen, von Online Shopping bis zu Behörden und Ver­si­che­rungen. Alles, was Iden­ti­täts­diebe wirklich brauchen, ist etwas Zeit. Die Chancen, dass der Bestohlene den Dieb­stahl ein paar Tage oder mehr als eine Woche nicht bemerkt, stehen gut.

Dabei benutzen die Bürger diese wun­der­vollen Funk­tionen kaum, obwohl es seit 2017 keinen Perso mehr ohne diesen Chip gibt. Bei 25 Mil­lionen Aus­weisen ist die eID-Funktion auch akti­viert. Das Pro­zedere der Nutzung ist aber so umständlich, dass auch die­je­nigen, die es nutzen wollen, meist daran scheitern. Das Equipment, was pro­fes­sio­nelle Digital-Betrüger haben, hat kaum ein nor­maler Bürger: Neben der PIN braucht man nämlich eine spe­zielle APP oder ein Lese­gerät für solche Transaktionen.

Jetzt sollen auch noch die Fin­ger­ab­drücke ver­pflichtend auf den Perso gespei­chert werden. Das dafür nötige Gesetz hat der Groko-Bun­destag bereits am 5. November ver­ab­schiedet. Die AfD übte sich in Stimm­ent­haltung, Linke, Grüne und FDP stimmten dagegen. Die Fin­ger­ab­drücke der beiden Zei­ge­finger werden natürlich auch auf dem RFID-Chip gespei­chert, damit even­tuelle Diebe diese auch noch haben. Das wäre ja noch ein fataler Zufall und würde nur wenige treffen – schlimm genug. Aber Geheim­dienste und Polizei haben natürlich eben­falls unge­hin­derten Zugriff auf alle Daten. Und wenn die deut­schen Geheim­dienste das haben, sind die Daten auch sehr schnell bei CIA und Mossad.

Die, die dagegen stimmten, lassen aber noch nicht locker. “Die geplante Pflicht kommt einem Gene­ral­ver­dacht gegen Bür­ge­rinnen und Bürger gleich” und sei unver­hält­nis­mäßig, wendet die Bür­ger­rechts­or­ga­ni­sation „Digi­tal­courage” gegen das Vor­haben in einem Gut­achten für den Bun­destag ein. Dort soll der Gesetz­entwurf dem­nächst erneut dis­ku­tiert werden. Außerdem können die neuen, auto­ma­ti­siert les­baren Fotos (denn man kann jetzt nicht mehr mit Foto­grafen oder Passbild-Auto­ma­ten­fotos ankommen, außer der Fotograf hat eine gesi­cherte Daten­leitung zur Mel­de­be­hörde) von ver­schie­denen Gesichts­er­ken­nungs-Pro­grammen iden­ti­fi­ziert werden und ohne, dass man es ahnt, wird man iden­ti­fi­ziert und irgend­welchen Vor­gängen zuge­ordnet, wovon man nicht die lei­seste Ahnung hat. Genau das moniert auch der ehe­malige Lan­des­da­ten­schutz­be­auf­tragte Thilo Wei­chert in seinem Gut­achten. Er bewertet die Ver­pflichtung, die Fin­ger­ab­drücke auf dem Ausweis spei­chern zu lassen, als einen unver­hält­nis­mä­ßigen Ein­griff in die Grundrechte.

Das alles hat nichts genützt, der von der Bun­des­re­gierung vor­ge­legte Geset­zes­entwurf wurde am 6. November vom Bun­destag ver­ab­schiedet, egal, was das für die Bürger bedeutet.

Einen sehr ähn­lichen Weg geht zurzeit der Füh­rer­schein. Auch hier wird Jubel über diesen groß­ar­tigen Fort­schritt ver­breitet, Bun­des­ver­kehrs­mi­nister Andreas Scheuer kann sich vor Freude gar nicht beruhigen:

„Die EU-Kom­mission hat sich gestern auf der infor­mellen Tagung der euro­päi­schen Ver­kehrs­mi­nister klar zum digi­talen Füh­rer­schein bekannt. Nor­wegen hat ihn schon. Auch Deutschland wird mit­machen. Über diesen prak­ti­schen Fort­schritt freue ich mich sehr, denn er führt den Men­schen die Vor­teile der Digi­ta­li­sierung klar vor Augen. Wir haben das Thema dis­ku­tiert. Die Zukunft sollte papierlos sein.“ Seine Begeis­terung, wie sollte es auch anders sein, teilen die anderen Appa­rat­schiks der EU auch. „Digitale EU“ ist klasse. Die EU-Ver­kehrs­mi­nister trafen sich Corona- und digi­tal­ge­recht, wie die Zukunft nun mal wird, per Video­schalte und berieten sich „informell“. Die Ergeb­nisse kann man in der „Pas­sauer Erklärung“ nach­lesen. In ange­sagter Digi-Society-Wer­be­sprache steht darüber:

- Smart Deal for Mobility -

mit Digi­ta­li­sierung die Mobi­lität der Zukunft gestalten –

nach­haltig, sicher und effizient

Und dann im schönsten Orwell-Sprech:

„In unserer Vision der Mobi­lität für Europa stehen der Mensch und seine Bedürf­nisse im Mit­tel­punkt. Unsere Mobi­lität sollte die Umwelt, das Klima, die mensch­liche Gesundheit und das Wohl­be­finden sowie die natür­lichen Res­sourcen respek­tieren. Das bedeutet, die Not­wen­digkeit von Reisen und Güter­trans­porten zu redu­zieren, indem mehr digital unter­stützte Akti­vi­täten und das Arbeiten von zu Hause aus gefördert und die digi­talen Poten­ziale der Mobi­lität voll aus­ge­schöpft werden.

  • Für die Mobi­lität der Men­schen bedeutet dies, dass ihre Pri­vat­sphäre gewahrt und geschützt und durch den inte­gra­tiven Zugang niemand zurück­ge­lassen wird.
  • Für die Mobi­lität von Gütern und Men­schen brauchen wir Lösungen, um sicher­zu­stellen, dass keine länd­lichen Gebiete oder Rand­re­gionen unter­ver­sorgt sind.
  • Für die Mobi­lität von Daten muss der freie Infor­ma­ti­ons­fluss, der eine nahtlose Inter­ope­ra­bi­lität als Grundlage inno­va­tiver Anwen­dungen ermög­licht, gewähr­leistet werden, ohne die Werte und Inter­essen der brei­teren Gesell­schaft zu gefährden, da private Akteure eine zen­trale Rolle bei der Nutzung der Wert­schöp­fungs­kette von Daten spielen werden.

Im oberen Absatz steht es schon: Reisen und Güter­trans­porte werden redu­ziert. Nix mehr mit Frei­zü­gigkeit und jeder darf fahren und reisen, wann und wohin er will. Auch nicht liefern und abholen. Wegen des Klimas. Auch in Zukunft soll das Home­office die Nor­ma­lität sein. Und wer noch her­um­fahren darf, das kann man pro­blemlos mit dem Aus­lesen der digi­talen Daten überprüfen.

Erster Punkt bedeutet, wenn man das Schön­sprech weg­lässt und nur her­aus­filtert, was „inte­gra­tiver Zugang“ heißt: Jeder muss das mit­machen, ansonsten ist er nicht „inte­griert“, also ein Außen­seiter, der an vielem nicht teil­nehmen darf. Angeblich kann kein Fremder an die Daten, aber die Behörden wissen jederzeit, wer da her­um­fährt, von wo nach wo und warum.

Zweiter Punkt: Man ist sich darüber im Klaren, dass das für die länd­lichen Gebiete ein Problem werden wird. Wenn jeder fahren darf, wann und wohin er will, wäre das nämlich kein Problem. Ich wohne auf dem tiefsten Land und bisher haben wir kein Problem. Es wird also eins kommen, weil man mit den Fahr­mög­lich­keiten und ‑berech­ti­gungen restrik­tiver umgehen wird. Und weil die alten Leute oder die­je­nigen, die keinen Füh­rer­schein haben, keine Digi­ta­li­sierung wollen oder kein Smart­phone haben, kaum noch Mög­lich­keiten haben, ihre Besor­gungen zu machen.

Dritter Punkt: Inter­es­san­ter­weise werden „private Akteure“ die zen­trale Rolle bei der Nutzung der Wert­schöp­fungs­kette von Daten spielen. Guten Morgen, lieber deut­scher Michel und ita­lie­ni­scher Luigi und wer noch alles in Europa lebt. Die großen Kon­zerne werden unsere Daten bekommen. Alles. Und sie werden die Macht darüber haben, was man wann wo kaufen darf. Wie bezahlt werden kann. Wer über­haupt wieviel der knapper wer­denden Güter zuge­teilt bekommt. Und sie werden direkt von Deinem Konto abbuchen.

Und wie wird die „schöne, neue Welt“ im Orwell­sprech aussehen?

„In unserer Vision der Mobi­lität für Europa wird es eine deut­liche Ver­rin­gerung der durch Lärm, Schad­stoffe, Treib­haus­gas­emis­sionen oder Staus ver­ur­sachten Schäden geben – ins­be­sondere in städ­ti­schen Gebieten. Digitale Inter­aktion und ver­läss­li­chere Rei­se­zeiten durch Navi­ga­ti­ons­dienste werden die Ver­ein­barkeit von Berufs‑, Privat-und Fami­li­en­leben erleichtern – ins­be­sondere in länd­lichen Gebieten.“

Heißt „ver­läss­li­chere Rei­se­zeiten durch Navi­ga­ti­ons­dienste“, dass man fast aus­schließlich öffent­liche Ver­kehrs­mittel nutzen muss? Oder wenn man auf seinem mora­lisch ver­werf­lichen Indi­vi­du­al­verkehr besteht, eine Fahrt vorher bean­tragen oder anmelden muss und eine Fahrtzeit genehmigt oder zuge­wiesen bekommt? Also alles in allem wirklich ein dau­er­hafter „Lockdown light“, wie es aus­sieht. Geht ganz ohne Corona. Aber wir haben es dann schon mal geübt, wie es ist, sich seiner Frei­heits­be­raubung zu unter­werfen. Gelernt ist gelernt.

Zurzeit wertet die EU-Kom­mission die „EU-Füh­rer­schein­richt­linie“ aus und wird Ände­rungen ein­bringen, sofern sie nach ihrer Sicht not­wendig sind. Am Ende soll es ein rein digi­taler Füh­rer­schein sein.

Also immer schön das Smart­phone voll­ge­laden dabei haben und ein Lade­gerät samt Kabel im Auto. Ein Handy mit leerem Akku bedeutet „kein Füh­rer­schein“ und daher ist dann wahr­scheinlich ein leeres Akku bald eine mit Geld­strafe bewehrte Ord­nungs­wid­rigkeit. Immerhin werden viele Tech­nik­be­geis­terte auch ein­sehen, dass die Nach­teile der Digi­ta­li­sierung auch nicht von der Hand zu weisen sind. Für alte Men­schen, die noch völlig analog leben, wird es eng.