Magie ohne Maggie – Omas kraft­spen­dende Kno­chen­brühe erlebt ein Comeback

Als Kind päp­pelte meine Mutter mich damit auf bei Erkäl­tungen oder nach über­stan­denen Magen-Darm-Infekten, bei meiner Groß­mutter war sie wohl­tu­ender Genuss an Fest­tagen: Eine kräftige Rinder- oder Hüh­ner­suppe mit Knochen, die stun­denlang aus­ge­kocht worden waren. Und ich erinnere mich an einen Wan­der­urlaub im Allgäu, zu der Zeit, als mich schon diverse Lebens­mittel-Unver­träg­lich­keiten plagten. Den Salat vom kalten Mittags-Buffet vertrug ich nicht, des­wegen ver­sorgte mich der Koch jeden Tag mit einer köst­lichen Rin­der­kraft­brühe. Sie bekam mir bestens und gab mir Energie.

Dann schwor ich dem Fleisch­genuss ab – aus ethi­schen Gründen–, das Leid der Tiere trieb mich zu sehr um. Alle paar Wochen erlaubte ich mir eine kleine Sünde: Eine köst­liche Thai-Hüh­ner­suppe in meiner Lieb­lings-Sup­pen­küche, ihre wohl­tuende Wirkung spülte das schlechte Gewissen kurz­fristig weg. Bei den Recherchen zu meinem Buch „Iss richtig oder stirb“ begegnete mir die gute alte Kraft­brühe wieder. Der Heil­prak­tiker Uwe Kar­städt the­ra­piert damit erfolg­reich Pati­enten mit dem Leaky-Gut-Syndrom (Sicker-Darm). Und in New York hat bei Gesund­heits­be­wussten der „bone broth“ to go inzwi­schen dem Coffee to go den Rang abgelaufen.

Was also ist dran an der magi­schen Brühe? In Zeiten von exo­ti­schem Superfood und bunten Nah­rungs­er­gän­zungs­pillen besinnt man sich einer uralten Tra­dition, die so manche künst­liche Nah­rungs­er­gänzung über­flüssig machen könnte. Die chi­ne­sische Heil­kunde beschreibt das lange Köcheln der Zutaten einer Kraft­brühe – min­destens 10 Stunden – als Trans­for­mation der Sub­stanzen in Energie: Materie wandelt sich in Qi (Lebens­en­ergie) um, welches dem Körper durch den Genuss der Kraft­brühe zuge­führt werden kann. Auch hier­zu­lande wurden früher „Wöch­ne­rin­nen­suppen“ oder „Geburts­suppen“ zum Teil tagelang gekocht, so kamen Frauen nach der Geburt wieder zu Kräften.

Wenn die Zutaten – Knochen, Knorpel, Sehnen und Gelenke von Tieren – stun­denlang aus­ge­kocht werden, gelangen wir an Sub­stanzen, die in keinem anderen Lebens­mittel ent­halten sind oder wenn, dann nur in geringen Mengen: Fette, Ami­no­säuren, Hyaluron, Gelatine. Die Ami­no­säuren unter­stützen den Stoff­wechsel. Kno­chen­brühe ist die per­fekte Darm­pflege und daher auch immun­stärkend, denn fast das gesamte Immun­system befindet sich im Dickdarm. (470.000 Men­schen in Deutschland leiden unter ent­zünd­lichen Darm­er­kran­kungen) Das in der Kno­chen­brühe ent­haltene L‑Glutamin legt sich wie ein Schmierfilm auf die Darm­schleimhaut und hält sie ver­siegelt. Um eine ver­letzte Darm­schleimhaut zu heilen, emp­fiehlt der Heil­prak­tiker Kar­städt, in der Anfangs­phase völlig auf Bal­last­stoffe zu ver­zichten und aus­schließlich Kno­chen­brühe zu sich zu nehmen.

„Bal­last­stoffe reiben und reizen die Darmwand, die bei den meisten Men­schen mit einem Sicker-Darm-Syndrom ent­zündet ist. … Solange eine Darmwand wund und sen­sibel ist, kann sie nicht heilen. Es ist wie ein Woll­pullover, der auf einem Son­nen­brand reibt.“ Bei Kar­städts Anti-Sicker-Darm-Diät fügt man später Gemüse hinzu und nimmt dann langsam auch Eier, Joghurt, Kefir, Fer­men­tiertes in den Spei­seplan auf.

Kno­chen­brühe enthält außerdem Kol­lagen und Elastin. Diese sind wichtig für Haut, Gelenk­schmiere und Bin­de­gewebe. „Bone beats botox“ (Bone schlägt Botox) lautet daher der Slogan eines Ber­liner Anbieters, der Bio-Kno­chen­brühen online im Sixpack ver­kauft. Die in der Kno­chen­suppe ent­hal­tenen Ami­no­säuren sind der Auf­bau­stoff für Kol­lagen. Hat der Körper genug davon gesammelt, stellt er selbst Kol­lagen her, und das polstert bekanntlich Falten auf. Weil dieser Vorgang direkt in den Zellen abläuft, könnten die Stoffe durch eine Suppe einen viel direk­teren Ein­fluss nehmen als etwa eine Creme. Wis­sen­schaftlich ist das bisher nicht bewiesen, doch Models schwören laut einem Bericht der Zeit­schrift Elle auf Kraft­brühe als Schön­heits-Elixier. Außerdem ist die Brühe reich an Mineralstoffen.

Ein wahres Gesund­heits­wunder also? Bei als Trendfood ver­mark­teten Life­style-Pro­dukten ist eher Skepsis angesagt, doch in diesem Fall haben die Mar­keting-Experten nur ein tra­di­tio­nelles Rezept aus der Mot­ten­kiste geholt und sein Image auf­po­liert. Dafür gebührt ihnen Dank, denn bei der Kno­chen­brühe handelt es sich um ein alt­be­währtes, wir­kungs­volles Stär­kungs­mittel, das dank Vege­ta­rismus und Vega­nismus in Ver­ges­senheit geraten war. Die Kraft­suppe – aus Bio-Zutaten und mit Muse zube­reitet – ist eine gehalt­volle Mahlzeit und ein köst­liches Gesund­heits-Elixier. Um in ihren Genuss zu kommen, habe ich mich sogar vom Vege­ta­rismus abge­wendet, und siehe da, es tut mir gut! 

www.weihrauchplus.de

Quellen:

Kar­städt, Uwe. Die Säure des Lebens. TAS-Verlag, London

https://www.daskochrezept.de/magazin/ernaehrung/warenkunde/knochenbruehe-bonebroth.html

https://heilkunde-ayurveda.de/knochensuppe-balsam-fuer-die-knochen-gelenke-haut-und-darm/

https://www.elle.de/bruehe-fuer-glow-botox-alternative