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Türkei: Erdogan schürt Feind­schaft gegen den Westen

Am 13. Sep­tember pro­tes­tierte eine Gruppe von Isla­misten auf dem Beyazit-Platz in Istanbul gegen den fran­zö­si­schen Prä­si­denten Emmanuel Macron. Sie hielten Plakate mit der Warnung, dass Macron und die Sati­re­zeit­schrift Charlie Hebdo “einen hohen Preis zahlen werden”.

(von Uzay Bulut)

Die Demons­tranten ver­ur­teilten Macron für seine Haltung, mit der er Charlie Hebdos Ent­scheidung unter­stützte, Kari­ka­turen des isla­mi­schen Pro­pheten Mohammed erneut zu ver­öf­fent­lichen und Frank­reichs Bekenntnis zur Mei­nungs­freiheit. Aus­serdem ver­ur­teilten sie Macrons Unter­stützung für Grie­chenland im Hin­blick auf die eska­lie­rende tür­kische Aggression im öst­lichen Mit­tel­meer­raum­während der anhal­tenden Krise zwi­schen Grie­chenland, der Türkei und Zypern.

Charlie Hebdo war zusammen mit einem koscheren Super­markt in Paris das Ziel eines Mas­sakers isla­mis­ti­scher Atten­täter im Januar 2015. Die Zeit­schrift hat kürzlich die Bilder nach­ge­druckt, um den Beginn des Pro­zesses Anfang dieses Monats gegen mut­mass­liche Kom­plizen am Mas­senmord zu unterstreichen.

“Es steht dem Prä­si­denten der Republik niemals zu, über die redak­tio­nelle Wahl eines Jour­na­listen oder einer Nach­rich­ten­re­daktion zu urteilen, niemals”, sagte Macron. “Weil wir Pres­se­freiheit haben”, sagte Macron.

Macron gedachte auch derer, die bei dem Ter­ror­an­schlag 2015 ermordet wurden. “Wir alle denken an die Männer und Frauen, die auf diese feige Art und Weise getötet wurden”, sagte er, “weil sie zeich­neten, schrieben, weil sie kor­ri­gierten, weil sie da waren um zu helfen, um zu befreien, weil sie Poli­zisten waren.”

Tür­kische Isla­misten waren jedoch empört. So berichten tür­kische Medien:

“Der Protest [in Istanbul], der mit der Rezi­tation des Koran begann, setzte sich mit den Äus­se­rungen ver­schie­dener Redner zu diesem Thema fort. Die Demons­tranten riefen Parolen wie “Nieder mit den Ver­ei­nigten Staaten”, “Nieder mit Israel”, “Nieder mit Frank­reich”, “Nieder mit den Briten”, “Nieder mit den kol­la­bo­rie­renden Ver­rätern”, “die kol­la­bo­rie­renden Ver­räter werden zur Rechen­schaft gezogen”, “die tyran­ni­schen Saudis werden zur Rechen­schaft gezogen” und “die Hände [bei dem Versuch] dem Koran zu schaden, sollen zer­schlagen werden”, um nur einige zu nennen.

Auf ihren Pla­katen ist eben­falls zu lesen: “Makron wird einen hohen Preis zahlen”, “Charlie Hebdo wird einen hohen Preis zahlen”, “das Mit­telmeer wird ein Grab Frank­reichs sein”, “Jeru­salem ist unsere Seele; wir sind bereit, unser Blut dafür zu opfern”, “ara­bische Zio­nisten, die Palästina ver­kauft haben, werden zur Rechen­schaft gezogen” und “wir sind bereit, unser Leben für dich, den Gesandten Allahs [Mohammeds], zu opfern”.”

Viele Redner äus­serten sich besonders feind­selig gegenüber dem Westen und Israel. “Der Westen”, so Imam Cemal Çınar, “hat sich nie zivi­li­siert ver­halten – weder gestern noch heute.”

Ekrem Ekşi, einer der Redner bei der Demons­tration, nannte Macron “den gehörnten Teufel”.

“Der west­liche Impe­ria­lismus und der Zio­nismus, deren ganze Ver­gan­genheit voller Angriffe gegen die Hei­ligkeit des Islam ist, zeigten erneut ihre schmut­zigen Hände, indem sie die Arroganz zeigten, den Pro­pheten des Islam und den hei­ligen Koran anzu­greifen. Zusätzlich zu der Ver­brennung und Belei­digung des Korans in Schweden hatte die berüch­tigte Zeit­schrift Charlie Hebdo in Frank­reich die Unver­fro­renheit, erneut die teuf­li­schen Kari­ka­turen zu ver­öf­fent­lichen, die die Per­sön­lichkeit unseres hei­ligen Pro­pheten angriffen. Auch der fran­zö­sische Prä­sident Macron unter­stützte diese abscheu­lichen Angriffe und Belei­di­gungen, indem er sie als “Mei­nungs­freiheit” bezeichnete. Die Ver­derbtheit, die dieser gehörnte Teufel namens Macron in letzter Zeit gezeigt hat, ins­be­sondere die Spiele, die er gegen unser Land über dem öst­lichen Mit­telmeer zu spielen ver­sucht, offenbart ihre impe­ria­lis­ti­schen, kolo­nialen und Kreuzfahrergesichter.”

Während sich tür­kische Erkun­dungs- und Bohr­schiffe in den Hoheits­ge­wässern Grie­chen­lands und Zyperns auf der Suche nach Gas befinden, hat Frank­reich seine Marine zur Unter­stützung Grie­chen­lands ent­sandt. Am 10. Sep­tember empfing Macron auf Korsika die Staats- und Regie­rungs­chefs von sechs Mit­tel­meer­an­rai­ner­staaten der Euro­päi­schen Union, um die jüngsten Ent­wick­lungen zu erörtern.

“Die Türkei ist nicht länger ein Partner in dieser Region”, zitierte die Asso­ciated Press Macron. Die Europäer müssen “klar und standhaft sein, nicht mit der Türkei als Nation und Volk, sondern mit der Regierung von Prä­sident Erdoğan, die inak­zep­table Mass­nahmen ergriffen hat.”

Macron erklärte, die sieben EU-Staats- und Regie­rungs­chefs wollten “eine Eska­lation ver­meiden, aber das bedeutet nicht, dass wir passiv sein sollten”. Er fügte hinzu:

“Wir müssen mit der tür­ki­schen Regierung hart sein und nicht mit dem tür­ki­schen Volk, das Bes­seres ver­dient als die Regierung Erdogan. Alle ein­sei­tigen Aktionen der Türkei, wie das tür­kisch-libysche Memo­randum, ohne die Rechte Grie­chen­lands zu respek­tieren, sind inakzeptabel.

Wir sprechen über die Achtung des Völ­ker­rechts. Wir wollen eine weitere Eska­lation ver­meiden, das Ziel ist ein Abkommen, aber unter bestimmten Bedin­gungen, und die Türkei muss ihre Absichten klären. Wir Europäer müssen auf die roten Linien schauen, um einen frucht­baren Dialog mit der Türkei wieder auf­zu­nehmen, denn es gibt keine andere Wahl. Europa muss daher eine kohä­rentere Stimme und eine ein­heit­li­chere Haltung einnehmen.”

Die Staats- und Regie­rungs­chefs der EU for­derten die Türkei auf dem Gipfel nach­drücklich auf, “ein­seitige und illegale Akti­vi­täten” im öst­lichen Mit­telmeer zu beenden und den Dialog wieder auf­zu­nehmen, um die Span­nungen in der Region abzu­bauen. In der Schluss­erklärung der Staats- und Regie­rungs­chefs hiess es:

“Wir bedauern, dass die Türkei nicht auf die wie­der­holten Auf­for­de­rungen der Euro­päi­schen Union reagiert hat, ihre uni­la­te­ralen und ille­galen Akti­vi­täten im öst­lichen Mit­telmeer und in der Ägäis zu beenden. Wir bekräf­tigen unsere Ent­schlos­senheit, alle ange­mes­senen Mittel, die der Euro­päi­schen Union zur Ver­fügung stehen, als Reaktion auf diese kon­fron­ta­tiven Aktionen einzusetzen. ”

Erdogans Regierung ant­wortete in meh­reren Erklä­rungen, die sich gegen Macron rich­teten. Das tür­kische Aus­sen­mi­nis­terium schrieb in einer Pres­se­mit­teilung:

Der fran­zö­sische Prä­sident Macron gab wieder einmal eine arro­gante Erklärung mit seinen alten kolo­nialen Reflexen ab, als wolle er mit einer hoch­mü­tigen Haltung Unter­richt erteilen. Tat­sächlich sind Macrons Äus­se­rungen eine Mani­fes­tation seiner eigenen Inkom­petenz und Verzweiflung.”

Erdogan selbst reagierte am 12. Sep­tember auf die Kritik Macrons:

“Ich möchte seinen Namen nicht nennen, aber ich muss es tun, weil er mich sehr ver­wirrt. Er sagt: ‘Wir haben kein Problem mit der tür­ki­schen Nation, sondern mit Erdogan. Herr Macron, Sie werden noch viel mehr Pro­bleme mit mir haben. Ich habe es Ihnen schon oft gesagt, aber Sie hören nicht zu. Ich habe Ihnen gesagt, dass Sie keine Geschichts­kennt­nisse haben. Sie kennen nicht einmal die Geschichte Frank­reichs. Legen Sie sich nicht mit der tür­ki­schen Nation an. Legen Sie sich nicht mit der Türkei an. Die Geschichte Afrikas ist im Grunde die Geschichte Frank­reichs. Sie haben in Algerien eine Million Men­schen getötet. Sie haben 800.000 Ruander getötet. Sie können uns keine Lektion in Sachen Mensch­lichkeit erteilen. Lernen Sie zuerst dies. Ich habe ihm diese Dinge auch per­sönlich gesagt. Ich habe ihm gesagt: “Du kennst die Geschichte nicht”. Wir [die Türken] haben nicht das Nasen­bluten einer ein­zigen Person ver­ur­sacht. Wir haben ihnen dort [in Afrika] nur huma­nitäre Unter­stützung und Hilfe geleistet.”

Erdogans Worte sind bes­ten­falls ein Bei­spiel für Geschichts­re­vi­sio­nismus. Die Osmanen fielen in der Tat mit Kriegen und Mas­sakern in Nord­afrika ein – auf die­selbe Weise, wie sie in Teile Europas ein­ge­drungen sind. Auf seinem Höhe­punkt in den 1500er Jahren besetzte das Osma­nische Reich ein Gebiet, das nicht nur seine Basis in Klein­asien, sondern auch einen Grossteil des Nahen Ostens, Nord­afrika, Süd­ost­europa ein­schliesslich Grie­chenland und des Balkans umfasste. Die Osmanen eroberten diese Länder nicht mit Blumen in ihren Händen. Die Erobe­rungen waren das Ergebnis blu­tiger Mili­tär­kam­pagnen. Christ­liche und jüdische Ein­ge­borene in den eroberten Ländern wurden dann zu “Dhimmis”, zweit­klas­sigen, “tole­rierten” und unter­drückten Unter­tanen des Reiches gemacht. Skla­verei war auch im osma­nisch besetzten Afrika eine gängige Praxis. Wie die Jour­na­listin Niki Gamm in ihrem Artikel “Afri­ka­nische Sklaven im Osma­ni­schen Reich” für die tür­kische Zeitung Hur­riyet im Jahr 2014 schrieb, war die Skla­verei auch im osma­ni­schen Reich weit verbreitet:

“Sklaven konnten im Krieg, durch Kauf, Schenkung oder Erb­schaft erworben werden. Afri­ka­nische Sklaven galten als recht wertvoll und kamen in der Regel aus Zen­tral­afrika. Ab dem 16. Jahr­hundert standen Ägypten und der grösste Teil der Ara­bi­schen Halb­insel unter osma­ni­scher Kon­trolle, und im 17. Jahr­hundert über­nahmen die Osmanen die Region Fezzan, wodurch sie bes­seren Zugang zu afri­ka­ni­schen Sklaven erhielten.”

Die Ver­folgung der Osmanen gegen ihre eroberten Völker hin­ter­liess ein Erbe, das nicht nur in Europa, sondern auch in den ara­bi­schen und afri­ka­ni­schen Ländern breite Kritik her­vorruft. Die Gemeinde Riad in Saudi-Arabien bei­spiels­weise ent­fernte im Juni das Stras­sen­schild mit dem Namen des osma­ni­schen Sultans “Suleiman der Prächtige” von einer ihrer Strassen. Die Arab Weekly berichtete darüber:

“Diese Ent­wicklung war zum grossen Teil eine Reaktion auf die tür­kische Inter­vention in Syrien und Libyen und den pro­ji­zierten Wunsch des tür­ki­schen Prä­si­denten Recep Tayyip Erdogan, den Ein­fluss seines Landes wie zu Zeiten des Osma­ni­schen Reiches in der Region durchzusetzen…

“Genauso wie die Armenier eine Ent­schä­digung für die osma­ni­schen Ver­brechen ver­langten, haben ara­bische Ver­treter begonnen, gegen den osma­ni­schen Kolo­nia­lismus vor­zu­gehen und eine tür­kische Ent­schul­digung für die von den Osmanen in den Ländern der Levante und des Maghreb [Nord­afrika] ver­übten Mas­saker zu fordern und diesen Kolo­nia­lismus für die Rück­stän­digkeit ver­ant­wortlich zu machen, die die Region seit Jahr­hun­derten blo­ckiert hat.

Die Regierung Erdogan scheint jedoch fälsch­li­cher­weise zu glauben, dass das osma­nische Erbe, in den ehemals vom Osma­ni­schen Reich besetzten Gebieten geachtet wird. Im Ein­klang mit diesem Irr­glauben sagte Erdogan am 12. September:

“Macron, Du bist im Begriff zu gehen. Du wirst [nach den kom­menden fran­zö­si­schen Wahlen] gehen. Was habe ich dir vor einigen Jahren gesagt? In einem Tele­fon­ge­spräch sagte ich dir… …dass du zuerst Geschichte lernen musst… Wir Osmanen haben als Osmanen den Frieden an diese Orte [in Afrika] gebracht. Wir brachten die Mensch­lichkeit dorthin. Zuerst muss man diese Dinge lernen. Natürlich kann er das nicht ver­dauen. Deshalb dreht er durch.”

Als eine Gruppe fran­zö­si­scher Intel­lek­tu­eller 2018 ein “Manifest gegen den neuen Anti­se­mi­tismus” ver­öf­fent­lichte, wet­terte Erdogan gegen das Dokument und seine Unterzeichner:

“Je mehr wir die west­lichen Länder vor Islam­feind­lichkeit, Tür­ken­feind­lichkeit, Frem­den­feind­lichkeit und Ras­sismus warnen, desto mehr bekommen wir einen schlechten Ruf. He, Westen! Schau! …wer bist du, dass du unsere hei­ligen [Werte] angreifst? Wir wissen, wie ver­ab­scheu­ungs­würdig ihr seid…”

Das aktuelle Problem ist grösser als die Ver­stösse der tür­ki­schen Regierung gegen die Hoheits­ge­wässer und den Luftraum Grie­chen­lands oder die fort­ge­setzte Besetzung Nord­zy­perns oder die Androhung der mas­sen­haften mus­li­mi­schen Ein­wan­derung oder isla­mis­ti­scher Ter­ro­risten nach Europa, neben anderen feind­lichen Aktionen. Das Problem besteht unter anderem darin, dass Erdogan in der Gesell­schaft Hass und Feind­se­ligkeit gegen Europa und den Rest des Westens schürt. Diese Haltung ist weder für die Kan­di­datur der Türkei für die Euro­päische Union noch für ihre NATO-Mit­glied­schaft geeignet.

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Uzay Bulut, ist eine tür­kische Jour­na­listin. Sie ist Distin­gu­ished Senior Fellow des Gatestone Institute


Quelle: gatestoneinstitute.org