Vorbeimarsch des spanischen Heeres. Bild: Wikimedia Commons via Flickr, Oscar en el medio, Bildlizenz: CC BY-SA 2.0 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Legion.Desfile_de_las_Fuerzas_Armadas.jpg

„26 Mil­lionen Huren­söhne erschießen“ – rechter Putsch aus dem spa­ni­schen Militär?

Gar seltsame Nach­richten erreichen uns aus Spanien. Plötzlich und über Nacht, so scheint es von hier aus, wollen ein paar pen­sio­nierte, spa­nische Militärs die Regierung weg­put­schen. Eine Gruppe von 73 hoch­ran­gigen Offi­zieren – meist im Ruhe­stand – postet Aufrufe, die linke Regierung zu stürzen und mas­senhaft „Linke“ zu erschießen. Der König schweigt, die Medien drehen im roten Hoch­tou­ren­be­reich. Die zen­trale Regierung scheint tat­sächlich Angst zu haben und die Ver­tei­di­gungs­mi­nis­terin Mar­garita Robles erstattete Straf­an­zeige gegen die Aufrührer.

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Ein bisschen seltsam ist es schon, dass ca. 73 pen­sio­nierte, alte Hau­degen mit knackig-rechten Parolen eine solche Staats­krise bewirken können. Welche Gefahr für den Staat oder die Regierung kann denn tat­sächlich von ihnen aus­gehen? Diese Senio­ren­truppe von der „dunklen Seite“ hat zwar einen Brief an den spa­ni­schen König Felipe geschrieben, in denen sie seiner Majestät nahe­bringen, dass die linke, spa­nische Regierung von „Ter­ro­risten und Sepa­ra­tisten“ unter­stützt werde und die nationale Einheit Spa­niens auf dem Spiel stehe. Doch König Felipe VI. schweigt, und gerät damit in die Kritik der linken Regierung. Sie fordern eine öffent­liche Stel­lung­nahme des Monarchen.

Wie groß die tat­säch­liche Macht der 73 Senior-Put­schisten ist, hängt maß­geblich davon ab, wieviel Rückhalt sie im aktiven Militär haben. Das dürfte wahr­scheinlich recht aus­ge­prägt sein. Und man darf auch nicht ver­gessen, dass das spa­nische Königshaus dem rechten Dik­tator Franco ver­dankt, dass es noch bzw. wieder auf dem spa­ni­schen Königs­thron sitzt. Er restau­rierte die spa­nische Bour­bonen-Mon­archie und ver­fügte, dass der spa­nische König sein Nach­folger und damit Chef des Militärs wird. Das spa­nische Königshaus hat den rechten Königs­treuen seine Regent­schaft zu ver­danken. Es sind die Männer des Königs. Auch König Felipe ist Luft­waf­fen­of­fizier. Seine Majestät Felipe wird sich zweimal über­legen, seine Königs­treuen in der Armee vor den Kopf zu schlagen. Unter den Linken wird er wenig Unter­stützung finden, wenn es drauf ankommt.

Die Uni­for­mierten Spa­niens sind bekann­ter­maßen zum größten Teil auch nicht gerade linksgrün-divers. Es kamen schon mehrfach interne Chats der spa­ni­schen Polizei an die Öffent­lichkeit, die eine starke Bindung nach rechts­außen belegen. Da kommen in einer polizei-internen WhatsApp Gruppe schon mal For­mu­lie­rungen vor á la, dass „Hitler ein guter Mann“ war und dass „die Schorn­steine wieder rauchen sollten“. Die linke Madrider Bür­ger­meis­terin Manuela Carmena wird als “Tochter der großen roten Hündin der schlecht gebo­renen Scheiße” titu­liert. Es wird auch durchaus klar gemacht, dass man seine Ziele auch bereit ist, mit Gewalt zu erringen.

Auch die 73 alt­ge­dienten, hoch­ran­gigen Militärs dis­ku­tieren ihre Pläne rück­haltlos auf WhatsApp aus. Der ehe­malige Gene­ral­major Fran­cisco Beca, Mit­un­ter­zeichner des Briefes an den König, schreibt im Chat: „Es bleibt keine andere Wahl, als 26 Mil­lionen Huren­söhne zu erschießen.“ Und er bezweifelt, dass das aus­reichen würde: „Ich glaube, mit den 26 Mil­lionen habe ich noch zu kurz gegriffen!“. Und: Es sei die einzige Mög­lichkeit, den „Krebs her­aus­zu­schneiden“. Mit dem „Krebs“ meint er die Linken und Sozi­al­de­mo­kraten in Spanien und er stellt klar, dass er ein treuer Anhänger des „Ein­zig­ar­tigen“ Franco ist. Damit steht er aber nicht allein da. Der pen­sio­nierte Hauptmann José Molina postet zurück. Er will, dass „sie alle und ihre Sipp­schaft sterben“. (Quiero que se mueran todos y toda su estirpe). Dar­aufhin gibt es eine Antwort: „Aber Curro (der freund­schaft­liche Spitzname für Molina), damit sie sterben, müssen sie erschossen werden und dazu brauchen wir 26 Mil­lionen Kugeln!!!!!!!!!!“. („Pero Curro [apodo amistoso para Molina] para que mueran hay que fusi­larlos y hacen falta 26 mil­lones de balas!!!!!!!!!!“).

Offenbar hat niemand in dem Chat diesen Aus­füh­rungen widersprochen.

Das ist wahr­scheinlich der Grund für die aus­ge­prägte Ner­vo­sität in Regie­rungs­kreisen. Man weiß, dass im Militär und in der Polizei ein hoher Anteil von Männern mehr oder weniger mit diesen Äuße­rungen konform geht. Auch in den Chat-Gruppen der rechts­na­tio­nalen spa­ni­schen VOX-Partei findet man solche Töne. Und man erinnert sich in Spanien noch gut an die Gescheh­nisse des 1981-Put­sches. Damals war der spa­nische Bour­bonen-König Juan Carlos de Borbón eine trei­bende Kraft und das Zentrum der Gescheh­nisse des 23. Februar 1981. Damals stürmte der para­mi­li­tä­rische Arm der Polizei, die Guardia Civil das Par­lament, während das Militär mit Panzern die Hafen­stadt Valencia unter Kon­trolle brachte. Lesenswert der Bericht des Spiegels dazu aus 2012 im Rück­blick.

Der deutsche Bot­schafter in Madrid, Lothar Lahn, ver­fasste einen Bericht im Anschluss an sein Treffen mit König Juan Carlos.

Darin hieß es:

‘Der König ließ weder Abscheu noch Empörung gegenüber den Akteuren erkennen, sondern zeigte vielmehr Ver­ständnis, wenn nicht gar Sym­pathie‘”. Laut Lahn erklärte Juan Carlos, dass ‚die Auf­rührer lediglich nur das gewollt hätten, was wir alle erstrebten, nämlich Wie­der­her­stellung von Dis­ziplin, Ordnung, Sicherheit und Ruhe‘. Er wolle auf Regierung und Mili­tär­ge­richte ein­wirken, damit den Put­schisten ‚nicht allzu viel geschehe, die ja doch nur das Beste gewollt hätten‘. Den Putsch­versuch solle man ‚mög­lichst bald wieder ver­gessen‘.“

Die unver­blümten Dro­hungen und Putsch-Aufrufe sind also kein fol­gen­loses Säbel­rasseln post­po­tenter Space-Cowboys. Man kann wahr­scheinlich davon aus­gehen, dass sich da in Spanien etwas durchaus Ernst­haftes zusam­men­braut und dass der König sehr wahr­scheinlich nicht ein­schreiten wird.