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China: Die Eroberung von Hollywood

Im Oktober über­holte China zum ersten Mal Nord­amerika als größten Film­markt der Welt. “Die Kino­kar­ten­ver­käufe in China für das Jahr 2020 klet­terten am Sonntag auf 1,988 Mil­li­arden Dollar und über­trafen damit Nord­ame­rikas Gesamtwert von 1,937 Mil­li­arden Dollar, so die Daten von Artisan Gateway. Es wird erwartet, dass sich die Lücke bis zum Jah­resende noch deutlich ver­größern wird”, schrieb The Hol­lywood Reporter am 18. Oktober. “Ana­lysten haben lange vor­her­gesagt, dass das bevöl­ke­rungs­reichste Land der Welt eines Tages die glo­balen Charts anführen würde. Aber die Ergeb­nisse stellen dennoch eine his­to­rische Wende dar”.

(von Judith Bergman)

“Der Tag ist endlich gekommen, an dem China der welt­weite Film­markt Nr. 1 ist und das Ein­spiel­ergebnis von Nord­amerika für 2020 über­trifft”, sagte die auto­ri­sierte Regie­rungs­por­tal­seite über China, die unter der Schirm­herr­schaft des Infor­ma­ti­ons­büros des chi­ne­si­schen Staatsrats, auch bekannt als das Aus­lands­pro­pa­gan­dabüro der KPCh, china.org.cn, ver­öf­fent­licht wurde, in einem selbst­ge­fäl­ligen Artikel, “China offi­ziell der größte Film­markt der Welt.” In dem Artikel, der am 20. Oktober ver­öf­fent­licht wurde, wurde der chi­ne­sische Block­buster The Eight Hundred erwähnt, ein Film aus dem Zweiten Welt­krieg über eine Gruppe chi­ne­si­scher Sol­daten, die von der japa­ni­schen Armee belagert werden, der 2020 der Film mit den höchsten Ein­spiel­ergeb­nissen weltweit war, sowie eine Handvoll anderer chi­ne­si­scher Filme, die im letzten Quartal 2020 ver­öf­fent­licht werden sollen.

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Darauf hat die KPCh seit min­destens einem Jahr­zehnt hin­ge­ar­beitet; in einem Com­mu­niqué, das sie im Oktober 2011 ver­öf­fent­lichte, war von der “Dring­lichkeit” die Rede, Chinas “sanfte Macht und den inter­na­tio­nalen Ein­fluss der eigenen Kultur” zu stärken und dem Wunsch, “unser Land zu einer sozia­lis­ti­schen kul­tu­rellen Super­macht aufzubauen”.

Die Ent­wicklung ist eine schlechte Nach­richt für Hol­lywood, das sich seit Jahren um mehr Zugang zu Chinas rie­sigem und lukra­tivem Markt bemüht. China ist nicht mehr auf ame­ri­ka­nische Block­buster ange­wiesen, um seine Kinosäle zu füllen. Hol­lywood hin­gegen braucht den chi­ne­si­schen Markt, um seine Filme zu einem finan­zi­ellen Erfolg zu machen.

Seit 2012 erlaubt die Kom­mu­nis­tische Partei Chinas (KPCh) eine Quote von nur 34 aus­län­di­schen Filmen – vor 2012 waren es noch weniger. Nur Filme, die den strengen Anfor­de­rungen der Zen­soren der Zen­tralen Pro­pa­gan­da­ab­teilung der KPCh ent­sprechen, kommen über­haupt für den rie­sigen und lukra­tiven chi­ne­si­schen Markt in Frage. Die Zen­trale Pro­pa­gan­da­ab­teilung ist ver­ant­wortlich für “die Über­wa­chung der natio­nalen Film­pro­duktion, des Ver­leihs und der Vor­führung, die Orga­ni­sation der Über­prüfung von Filminhalten…den Import und Export aller Filme, Medien, Publi­ka­tionen und anderer Inhalte…einschließlich jeg­licher Zusam­men­arbeit mit aus­län­di­schen Orga­ni­sa­tionen”. Die Zen­trale Pro­pa­gan­da­ab­teilung arbeitet an der “Umsetzung der Pro­pa­ganda-Richt­linien der Partei”.

“Chinas Vor­schriften und Ver­fahren zur Geneh­migung aus­län­di­scher Filme spiegeln die Position der Kom­mu­nis­ti­schen Partei Chinas wider, dass Kunst, ein­schließlich Film, eine Methode der sozialen Kon­trolle ist”, heißt es in einem For­schungs­papier von 2015 für die US-China Eco­nomic and Security Review Com­mission, “Pro­du­ziert in Hol­lywood, redi­giert in China: Wie Chinas Zensur und Ein­fluss Filme weltweit beein­flusst.

“Auf­grund dieser Vor­schriften müssen Fil­me­macher aus Hol­lywood alle Szenen, Dialoge und Themen her­aus­schneiden, die als Belei­digung der chi­ne­si­schen Regierung emp­funden werden könnten. Mit Blick auf den Ver­trieb in China schneiden ame­ri­ka­nische Fil­me­macher ihre Filme zunehmend in Erwartung der vielen poten­zi­ellen Emp­find­lich­keiten der chi­ne­si­schen Zensoren.”

“Hol­ly­woods Ent­schei­dungs­träger”, so heißt es in einem im August vom ame­ri­ka­ni­schen PEN ver­öf­fent­lichten Bericht “Made in Hol­lywood, Cen­sored by Beijing”, “ori­en­tieren sich bei der Ent­scheidung, welche Film­pro­jekte grünes Licht bekommen, zunehmend an den Wün­schen der Zen­sur­be­hörde CCP.”

“Die Kom­mu­nis­tische Partei Chinas … hat großen Ein­fluss darauf, ob ein Hol­lywood-Film pro­fi­tabel sein wird oder nicht – und die Stu­dio­ma­nager wissen das. Das Ergebnis ist ein System, in dem Pekinger Büro­kraten Ände­rungen an Hol­lywood-Filmen ver­langen können – oder von Hol­lywood-Insidern erwarten können, dass sie diese Ände­rungen unauf­ge­fordert vor­weg­nehmen und vor­nehmen – ohne dass es zu einem nen­nens­werten Auf­schrei über eine solche Zensur kommt.”

“Peking nutzt die sub­stan­tielle Hebel­wirkung, die es auf Hol­lywood hat, für poli­tische Zwecke”, so der ame­ri­ka­nische PEN.

“Die Ent­schei­dungs­träger in Hol­lywood werden dazu gedrängt, ein geschöntes und posi­tives Bild von China und seiner herr­schenden Partei zu prä­sen­tieren, und Hol­lywood-Filme werden ermutigt, Bot­schaften zu ver­breiten, die mit seinen poli­ti­schen Inter­essen über­ein­stimmen. Pekings Ziel ist es, nicht nur zu ver­hindern, dass die eigene Bevöl­kerung Bot­schaften erhält, die die Partei als für ihre Inter­essen feindlich ansieht, obwohl das ein wich­tiges Element ihrer Zen­sur­struktur ist. Statt­dessen will die KPCh Hol­lywood pro­aktiv dahin­gehend beein­flussen, dass es Geschichten erzählt, die ihr schmei­cheln und die ihren poli­ti­schen Inter­essen entsprechen.”

Die Zensur nimmt ver­schiedene Formen an. Es gibt Filme, die Hol­lywood nicht mehr macht, weil sie die KPCh ver­ärgern und sofort alle Geschäfte mit China beenden würden. Das können Filme mit poli­ti­schen Themen sein, wie Kundun und Sieben Jahre in Tibet, über Chinas Invasion und Besetzung Tibets, oder Red Corner, über die Men­schen­rechts­ver­let­zungen in Chinas Rechts­system. Nachdem diese Filme 1997 gedreht wurden, ordnete China einen Geschäfts­stopp mit den drei Hol­lywood-Studios an, die diese Filme ver­trieben, und statt­dessen wurden Ent­schul­di­gungen ver­teilt. “Wir haben einen dummen Fehler gemacht. Die schlechte Nach­richt ist, dass der Film gemacht wurde; die gute Nach­richt ist, dass ihn niemand gesehen hat”, sagte Disney Chief Exe­cutive Officer Michael Eisner 1998 dem chi­ne­si­schen Premier Zhu Rongji über Kundun. “Ich möchte mich an dieser Stelle ent­schul­digen, und wir sollten in Zukunft ver­hindern, dass so etwas, das unsere Freunde beleidigt, passiert.”

Nicht nur die hei­kelsten poli­ti­schen Themen sind ein No-Go. Selbst fiktive Dar­stel­lungen chi­ne­si­scher Böse­wichte werden aus Hol­lywood-Filmen ent­fernt, bevor sie von einem ein­zigen chi­ne­si­schen Zensor gesichtet werden. Red Dawn, ein Remake eines älteren Films über eine sowje­tische Invasion in Amerika, wurde digital ver­ändert, indem die chi­ne­si­schen Inva­si­ons­sol­daten durch nord­ko­rea­nische ersetzt wurden, um die Chi­nesen nicht schlecht aus­sehen zu lassen. Damals sagte Dan Mintz, ein Pro­duzent und Ver­leiher von Filmen in China, von DMG Enter­tainment, dass, wenn der Film ohne die Ver­än­derung der chi­ne­si­schen Inva­soren ver­öf­fent­licht worden wäre, “es eine echte Gegen­re­aktion gegeben hätte. Es ist, als wäre man zu einer Din­ner­party ein­ge­laden und würde den Gast­geber den ganzen Abend lang belei­digen. Es gibt keine Mög­lichkeit, in dieser Situation gut aus­zu­sehen… Der Film selbst war kein kluger Schachzug.”

Manchmal werden Fakten auch mani­pu­liert, um eine Geschichte zu erzählen, die China gefallen wird. Im Film “Gravity” von 2013, in dem Sandra Bullock eine ame­ri­ka­nische Astro­nautin spielte, beschä­digten rus­sische Satel­li­ten­trümmer ihre Raum­fähre und Bullock konnte sich nur retten, indem sie zu einer chi­ne­si­schen Raum­station ging. In der Rea­lität jedoch “haben die Russen nie eine Rakete in einen ihrer eigenen Satel­liten geschickt, wie es im Film dar­ge­stellt wird. Doch die Chi­nesen haben genau das im Jahr 2007 getan”, schrieb Michael Pillsbury in The Hundred Year Marathon.

“Die US-Geheim­dienste wurden von den Chi­nesen nicht vor ihrem Rake­ten­start gewarnt, und tat­sächlich wurde ihnen wie­derholt ver­si­chert, dass die chi­ne­sische Regierung kein Anti­sa­tel­li­ten­pro­gramm habe. Die Chi­nesen haben rück­sichtslos das mit Abstand größte und gefähr­lichste Welt­raum­müllfeld der Geschichte geschaffen, doch die Russen bekommen in dem Film die Schuld. Der Effekt dieser fal­schen Dar­stel­lungen ist, dass die Chi­nesen in Gravity wie Helden aus­sehen… die Autoren haben sich große Mühe gegeben, die Geschichte dessen, was im Weltraum pas­siert ist, zu verzerren.…”

Ein Hol­lywood-Pro­duzent sagte, dass Vor­schläge für chi­na­kri­tische Pro­jekte die Befürchtung weckten, dass “Sie oder Ihre Firma aktiv auf eine schwarze Liste gesetzt werden, und sie werden Ihr aktu­elles oder zukünf­tiges Projekt behindern. Also werden nicht nur Sie die Hauptlast [Ihrer Ent­scheidung] tragen, sondern auch Ihre Firma und zukünftige Firmen, für die Sie arbeiten. Und das ist absolut in unserem Hinterkopf.”

Ein anderer Hol­lywood-Pro­duzent sagte: “Es ist schwierig, her­aus­zu­finden, wie man sich selbst zen­siert… Man weiß einfach nicht, was richtig und was falsch ist.” China macht absichtlich die Frage, was die Zensur pas­sieren wird und was nicht, intrans­parent. Diese Unklarheit sorgt dafür, dass Hol­lywood-Pro­du­zenten lieber mehr selbst zen­sieren, als zu ris­kieren, von den Zen­soren abge­lehnt zu werden.

Eine Mög­lichkeit für Hol­lywood-Studios, die Quote von 34 aus­län­di­schen Filmen pro Jahr zu umgehen, ist die Kopro­duktion von Filmen mit chi­ne­si­schen Pro­duk­ti­ons­firmen, wodurch die KPCh effektiv die kreative Kon­trolle über das Projekt erhält. Solche Part­ner­schaften scheinen auch, wenig über­ra­schend, oft China zu schmei­cheln. In der umsatz­stärksten ame­ri­ka­nisch-chi­ne­si­schen Kopro­duktion, The Meg — von einigen als “mit­tel­mä­ßiges Jaws-Update” bezeichnet — zum Bei­spiel, durch­schauten die chi­ne­si­schen Kino­be­sucher die Anbie­derung. “In diesem Film wurden Westler ent­weder ganz ver­schluckt oder in Stücke gerissen. Aber alle öst­lichen Cha­raktere starben einen anmu­tigen Tod, mit unver­sehrten Gesichtern…”, kom­men­tierte ein Zuschauer. Ein anderer sagte: “Dieser Mega­lodon, der nur Aus­länder frisst und einen Strand voller Chi­nesen unver­sehrt lässt, ist so rücksichtsvoll.”

China hat “erstaun­lichen Ein­fluss auf Hol­lywood”, so Chris Fenton, ein lang­jäh­riger Hol­lywood-Manager und Autor von Feeding the Dragon: Inside the Billion Dollar Dilemma Facing Hol­lywood, the NBA, and Ame­rican Business.

“Selbst wenn ein bestimmter Film oder eine Fern­seh­serie nicht für den chi­ne­sichen Markt bestimmt ist und nicht dort mone­ta­ri­siert werden soll. Viel­leicht gehen sie hin und sagen: ‘Das Budget für diesen Film braucht den chi­ne­si­schen Markt nicht, um Ein­nahmen zu schaffen. Wir werden daran arbeiten, frei mit dem Inhalt sein und ihn für Amerika und andere demo­kra­tische Länder machen.’ Nun, auch in diesem Fall erfährt China von diesen Filmen und weiß davon, und selbst wenn dieser bestimmte Film nicht nach China kommt, wird China das Studio oder die Fil­me­macher, die mit diesem bestimmten Film zu tun haben, bestrafen, so dass sie keine anderen Filme nach China bringen können.”

Die meisten Kino­be­sucher sind sich wahr­scheinlich nicht bewusst, dass die CCP ein Mit­spra­che­recht bei dem Film hatte, den sie sehen: zen­sierte Hol­lywood-Filme werden nicht mit einem Etikett ver­sehen, das auf diese Tat­sache hin­weist. Auch ist die CCP-Zensur kein Thema, über das Hol­lywood bereit ist, offen zu dis­ku­tieren. “Eines der auf­fäl­ligsten Dinge bei den Nach­for­schungen von PEN America war, wie zurück­haltend Hol­lywood-Profis waren, um ent­weder spe­zi­fisch oder öffentlich über dieses Thema zu sprechen”, fand Made in Hol­lywood, Zen­siert von Peking heraus.

“Die Gründe für diese Zurück­haltung waren viel­fältig, aber sie drehten sich alle um die Angst vor einer nega­tiven Reaktion – von Peking, von ihrem Arbeit­geber oder aus Hol­lywood im All­ge­meinen. Wie ein Hol­lywood-Pro­duzent gegenüber PEN America sagte: ‘Wir alle haben Angst, in einem Artikel genannt zu werden, der China in Hol­lywood auch nur all­gemein diskutiert.’ ”

Es ist unver­einbar, um es freundlich aus­zu­drücken, dass Hol­lywood sich der Zensur und der Anbie­derung an die KPCh um des finan­zi­ellen Gewinns willen unter­wirft, während es sich gleich­zeitig als fort­schritt­liche Industrie ver­kauft, die behauptet, den Mäch­tigen die Wahrheit ins Gesicht zu sagen und für soziale Gerech­tigkeit und Chan­cen­gleichheit für alle ein­zu­stehen, unab­hängig von Geschlecht, Haut­farbe, eth­ni­scher Zuge­hö­rigkeit, Religion oder sexu­eller Ori­en­tierung. Diese Behauptung passt nicht zu der Tat­sache, dass Tibeter und uigu­rische Muslime, um nur zwei Gruppen zu nennen, im Hol­lywood-Uni­versum nicht mehr exis­tieren, nur weil die KPCh das so gesagt hat. Sicherlich ist das etwas, das häufig hin­ter­fragt und laut­stark debat­tiert werden sollte – es sei denn, es gibt jetzt einen all­ge­meinen Konsens, dass die KPCh für immer ent­scheiden soll, welche Filme in den USA, Europa und darüber hinaus gemacht werden. Wenn das in den großen Studios kampflos geschieht, welche Hoffnung gibt es dann für kleinere Studios, unab­hängige Fil­me­macher und andere?

Das Problem ist viel größer als nur das Filmgeschäft.

“Es ist nicht nur das Hol­lywood-Problem, es ist nicht nur das Tech-Problem, es ist nicht nur das Bas­ketball- oder Sport-Problem, oder ver­schiedene andere Branchen.…” sagte Chris Fenton.

“Es ist alles durchs Band weg über­greifend. Um Pro­dukte und Dienst­leis­tungen auf den Markt zu bringen, gibt es bestimmte Regeln, die man ein­halten muss… damit sie einem den Zugang zu den Ver­brau­chern ermög­lichen. Aber diese Pro­zesse… sind schlimmer und schlimmer geworden… und haben sich im Laufe der Zeit ver­stärkt… [Es] ist an dem Punkt ange­kommen, an dem wir es ent­weder jetzt stoppen und zurück­schlagen müssen, oder wir werden einfach verlieren…”

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Judith Bergman, Kolum­nistin, Juristin und Poli­to­login, ist Distin­gu­ished Senior Fellow am Gatestone Institute.


Quelle: gatestoneinstitute.org