Der Blog des IWF (Internationaler Währungsfonds) lässt – gut eingepackt in Schönsprech-Glitzerpapier – die Katze aus dem Sack: Kurz gesagt, die Kreditwürdigkeit wird in Zukunft auch danach bemessen, welche Seiten Sie im Internet besuchen, auf welchen Blogs und Foren Sie posten, was Sie so in den sozialen Medien von sich geben. Wenn das nicht politisch korrekt und regierungskonform ist, sind Sie nicht kreditwürdig. Kann nicht sein? Wir sind doch nicht in China? Oh doch.
Auf der IWF-Blogseite steht (Übersetzung aus dem Englischen von mir):
„Jüngste Untersuchungen von IWF- und EZB-Mitarbeitern unterscheiden zwei Bereiche der Finanzinnovation. Eine davon sind Informationen: Neue Tools zum Sammeln und Analysieren „von Kundendaten, beispielsweise zur Bestimmung der Kreditwürdigkeit. (…) Die transformativste Innovation bei den Informationen ist die zunehmende Verwendung neuer Datentypen, die aus dem digitalen Fußabdruck der verschiedenen Online-Aktivitäten der Kunden gewonnen werden — hauptsächlich zur Analyse der Kreditwürdigkeit.“
Natürlich kennen wir alle die bisher abgefragten und überprüften Daten, die sich darauf bezogen, welches Vermögen hat der Kreditnehmer? Gibt es nennenswerte Schulden? Welches Einkommen hat er? Wie lange wird er wohl noch berufstätig sein? — Schlicht eine Auskunft zu seiner Bonität.
Hier aber wird der ziemlich fadenscheinige Fall eines heimkehrenden, gutbezahlten Expat (also jemand der im Ausland lebt und arbeitet) angeführt. Ei, der Ärmste könnte, zurück im Heimatland, keine Kreditkarte bekommen, weil es keine Kreditauskunft über ihn gibt, alldieweil er keine Kreditkarte hatte. Also, dieses Problem könnte selbst ich lösen. Konto einrichten, Geld drauflegen, eine Kontokarte der eigenen Bank nutzen und nach einer Weile bekommt man sowieso von der Bank eine Kreditkarte angeboten. Und jetzt kommt‘s:
„Fintech löst das Dilemma, indem verschiedene nichtfinanzielle Daten abgerufen werden: die Art des Browsers und der Hardware, die für den Zugriff auf das Internet verwendet werden, die Geschichte der Online-Suche und ‑Käufe. Jüngste Forschungsdokumente belegen, dass diese alternativen Datenquellen, sobald sie auf künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen basieren, häufig besser sind als herkömmliche Kreditbewertungsmethoden und die finanzielle Inklusion fördern können, indem sie beispielsweise informellen Arbeitnehmern sowie Haushalten und Unternehmen in ländlichen Gebieten mehr Kredite ermöglichen.“
(Anmerkung: Fintech bedeutet „Finanztechnologie“ und beschreibt eine Branche, die daran arbeitet, Finanzdienstleistungen auf technologischem Weg zu optimieren, schneller, effizienter und einfacher zu machen. Fintechs sind Unternehmen, die das tun. Es geht dabei im Kern immer um innovative Lösungen, die die Abwicklung von Finanzgeschäften digitalisieren.)
Also, halten wir fest: Die Fintechs werden in Zusammenarbeit mit dem IWF und dem Bankensektor mittels künstlicher Intelligenz alle Ihre Bewegungen, Vorlieben, Meinungsäußerungen, welche Artikel Sie lesen, was Sie kaufen, welche Videos Sie sich ansehen, überall verfolgen und registrieren. Die KI wird lernen, was für ein Verhaltensmuster sie haben und entweder als unbedenklichen, gehorsamen Untertanen einstufen, der Kredit bekommt — oder unter „Coronaleugner, Systemfeind, Aluhut, Aufsässiger, Spinner, Impfgegner“ auf eine Liste derer setzen, die nicht kreditwürdig sind.
Damit können Sie kein Haus mehr kaufen oder bauen. Wenn Ihr Auto kaputt ist, können Sie kein Neues kaufen. Wie Sie zur Arbeit kommen? Ihr Problem. Aber vielleicht haben Sie schon gar keine mehr? Durch Lockdown usw. ist Ihr Geschäft kaputt? Sie haben keinen Cent mehr auf dem Konto und Ihr Kühlschrank ist leer? Nun ja, Pech.
Dass das alles nötig ist, um dem einen oder anderen „Expat“ aus der Klemme einer fehlenden Kreditkarte zu helfen, kann man jemandem erzählen, der die Hose mit der Kneifzange anzieht.
Nun würde das ganze Spiel aber gar nicht so effizient sein, wenn ein Großteil der Menschen gar keine Kredite will oder nicht einmal eine Bankverbindung haben. Etwa eine Milliarde Menschen hat kein Bankkonto, geschweige denn Kreditkarten oder Kredite. Die könnte man dummerweise weder mit Kreditverweigerung noch durch Zinsen zur Räson bringen. Auch diejenigen, die gar keine Schulden haben, sind da außen vor. Aber das hat der IWF bzw. seine Fintechs auch auf der Agenda:
„Das Potenzial von Fintech, mehr als eine Milliarde Menschen ohne Bankverbindung auf der ganzen Welt zu erreichen, und die damit verbundenen Veränderungen in der Finanzsystemstruktur können revolutionär sein. Die Regierungen sollten den technologischen Wandel im Finanzbereich verfolgen und sorgfältig unterstützen. Es ist wichtig, die Richtlinien entsprechend anzupassen und der Kurve immer einen Schritt voraus zu sein.“
Soso. Sollten die Regierungen das. Nun, es scheint, als müsse man die Regierungen gar nicht ermahnen, sich der Möglichkeiten der Finanztechnologie zu bedienen, um mehr Einblick und Kontrolle über die Untertanen zu haben. Ein Blick nach China genügt.
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