Und ab in die Karibik: Mieten aus dem Saarland fließen auf Konten in der Südsee – Häuser verkommen

Ein Stoff für einen Krimi: Ein inter­na­tio­naler Immo­bi­li­en­fonds ver­mietet Woh­nungen in Deutschland, die Mieten fließen über Umwege u.a. in eine Steu­eroase auf die Karibik; und eine uralte, schot­tische Adels­fa­milie ist auch beteiligt. Die deut­schen Mieter sitzen in Woh­nungen, die mehr und mehr her­un­ter­kommen. Repa­ra­turen werden nicht oder nur sehr schleppend gemacht. In den Woh­nungen macht sich der Schimmel breit, Hei­zungen sind defekt, Was­ser­lei­tungen tropfen. Doch bezahlbare Woh­nungen sind Man­gelware. Und so schimpfen zwar die Mieter, trauen sich aber nicht, recht­liche Schritte zu unter­nehmen, um nicht gekündigt zu werden. 

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40 Woh­nungen davon sind in der Stein­bacher Straße in Ott­weiler. Sie machen keinen guten Ein­druck. Die Mieter berichten von trop­fenden Was­ser­lei­tungen, Rissen in der Fassade, Hei­zungs­aus­fällen. Die Wär­me­dämmung ist schlecht, die Neben­kosten hoch. Der Eigen­tümer der Woh­nungen in Ott­weiler und ähn­lichen Objekten in Deutschland reagiert kaum oder gar nicht auf die Mängel und niemand weiß, wer das letzt­endlich ist. Der Immo­bi­li­en­fonds, der dahinter zu stehen scheint, heißt „Resi­dential Value West I“ und hat seinen Fir­mensitz in Luxemburg, zusammen mit vielen Hol­dings und mehr als 100 anderen, ähn­lichen Firmen, die alle in der Avenue Pasteur in einem ein­zigen Haus mit drei Etagen sitzen. Man ist auch nicht geneigt, irgend­welche Fragen dort zu beant­worten. Eine Haus­meis­terin kom­man­diert beim Erschienen des Recher­che­teams: „Machen Sie die Kameras aus!“

Eine echte Kon­takt­adresse haben die Mieter dieser Fir­men­netze nicht, und die steht auch nicht einmal im Miet­vertrag: Es gibt eine Haus­ver­waltung, die im Auftrag von Resi­dential Value West I arbeitet, aber irgendwo weit weg in Deutschland sitzt und dort ist auch kaum jemand zu bekommen. Dass da schon mal hin und wieder jemand vor­bei­schaut und nach den Häusern sieht, daran kann sich kein Mieter erinnern. „Die kümmern sich nicht“, sagt ein Mieter, der nicht genannt werden will.

Eigentlich ist die Haus­ver­waltung ja auch gar nicht ver­ant­wortlich und auch der Immo­bi­li­en­fonds nicht. Wie das Recher­chen­etzwerk correctiv.org her­aus­ge­funden hat, führt die Spur nach Schottland, in die High­lands, wo man gute Whiskys macht: Der Gordon-Clan aus Aber­deen­shire ist der letzt­end­liche Eigen­tümer, der sich kümmern müsste, schreibt Cor­rectiv. Ihm gehören viele Immo­bilien in Deutschland und Europa. Eine gemeinsame Recherche von Cor­retiv und dem Saar­län­di­schen Rundfunk führte durch einen Dschungel ver­schach­telter und undurch­sich­tiger Fir­men­ge­flechte. Bei tie­ferem Graben findet sich ein inter­na­tio­nales Netz von Brief­kas­ten­firmen. Die Woh­nungen werden ständig wieder neu an- und ver­kauft. Es handelt sich den Recherchen zufolge um min­destens 2.000 Woh­nungen, um die es in diesem Fir­men­ge­flecht geht und die Resi­dential Value West I ist nur eine von vielen. Und nicht nur Luxemburg ist Fir­mensitz, sondern zu einem guten Teil bieten auch die bri­ti­schen Jung­fern­inseln ein ver­lo­ckendes Steu­er­pa­radies für das Firmennetz.

Das Netz ist nicht leicht zu durch­leuchten, stellt die Recherche fest, es gibt Dut­zende von „Fir­men­hüllen“, also zwar ange­meldete und ein­ge­tragene Firmen, von denen aber nur der Name und die Ein­tragung exis­tiert und sonst nichts, dann noch anonyme Gesell­schaften in diversen Steu­er­pa­ra­diesen. Es gibt dazu begleitend noch Ver­mö­gens­ver­wal­tungs­firmen, die unter anderem auch in den berühmten „Panama-Papieren“ auf­tauchten. Wei­terhin ent­deckten die Recher­cheure noch einen Trust, der edlen, christ­lichen Zwecken dienen soll. Aber letzt­endlich, so stellt der Bericht fest, laufen die Fäden eben doch bei dem uralten schot­ti­schen Gordon-Clan zusammen. Die Herr­schaften führen nicht ganz preis­werte, eigene Häuser, nämlich die Burgen ihrer Ahnen: Das Gordon Castle in Moray, ein wei­teres Schloss in Aboyne und die Burg­ruine Huntly. Solche alten, großen Gemäuer trocken und instand zu halten und aus­rei­chend zu beheizen, ist teuer. Zurzeit werden daher einige Wohn­häuser aus dem Port­folio der Firmen wieder gewinn­bringend abge­stoßen, was man dann schön for­mu­liert den „Bestand opti­mieren“ nennt.

Die ein­ge­gan­genen Mieten und die Erlöse aus den Woh­nungs­ver­käufen landen letzt­endlich über einige Sta­tionen auf Konten von Limited-Firmen auf den bri­ti­schen Jung­fern­inseln. Dort wird das Geld noch ein bisschen her­um­ge­reicht und anony­mi­siert, bevor es an einen soge­nannten Galilee-Trust ver­schoben wird. Hier endet selbst die Recherche der Detektive, denn es ist nicht einmal nach­voll­ziehbar, in welchem Land dieser Trust über­haupt ansässig und ein­ge­tragen ist. Nur eins war zu ermitteln: Bei der wali­si­schen Wohl­tä­tig­keits­kom­mission im Ver­einten König­reich wurde der Galilee-Trust als wohl­tätige Orga­ni­sation geführt. Denn der Zweck besteht darin, das Chris­tentum zu fördern und das Evan­gelium zu ver­künden. Aus irgend­welchen Gründen wurde die Wohl­tä­tig­keits­be­schei­nigung aber 2004 aufgehoben.

Solche kom­plexen Fir­men­netze sind nicht selten. Man macht das, um Steuern zu ver­meiden. Mit allen mög­lichen Tricks wird das Geld ins Ausland ver­schoben, indem die betei­ligten Firmen unter­ein­ander Rin­gel­reihen mit Kre­diten spielen. Und dadurch, dass die Eigen­tümer eben nur Anteile an den Firmen halten und nie selbst Eigen­tümer von Immo­bilien werden, ver­meiden sie auch Grund­steuern. Dem deut­schen Staat gehen, so cor­rectiv und Saar­län­di­scher Rundfunk, bei solchen Share-Deal-Hüt­chen­spielen etwa eine Mil­liarde Steuern ver­loren. Das System ist noch nicht einmal wirklich illegal. Und auch nicht das einzige. So spielt auch die bri­tische Mil­li­ar­därs­fa­milie Pears mit Dut­zenden solcher Firmen Ver­stecken mit den Finanz­ämtern. Auch hier sind kari­bische Firmen und solche auf Zypern invol­viert, die aber letzt­endlich zu einem Trust gehören und Tau­sende Woh­nungen in Berlin besitzen. Solche Kon­struk­tionen sind zwar intrans­parent und für die Mieter Zumu­tungen, weil man nie irgendwen direkt belangen und ver­pflichten kann. Für die Eigen­tümer hinter den ganzen Geflechten geht es um die „Steu­er­op­ti­mierung“. Die Familie Pears und der Gordon-Clan zahlen fast gar keine Steuern in Deutschland, obwohl die Unter­nehmen Mil­lionen Euro an Mieten ein­nehmen und keine oder kaum Inves­ti­tionen oder Instand­hal­tungs­kosten aufwenden.

Für die Mieter ist es unmöglich her­aus­zu­finden, wer eigentlich wirklich der Ver­mieter ist, selbst Steu­er­fahnder tun sich dabei schwer. Auch das Recher­cheteam musste tief graben, um über­haupt einen Ein­blick in die Struk­turen zu bekommen. Die Recherche ist auch eigentlich fast schon wieder hin­fällig, schreibt cor­rectiv, weil kurz vor der Ver­öf­fent­li­chung der Recherche schon wieder die Eigen­tümer gewechselt wurden. Aber auch die neuen Eigen­tümer werden für die Mieter wohl kaum erreichbar sein.