Als das Magnetfeld kippte: Die letzte Umpolung hatte dra­ma­tische Folgen für Klima und Lebenswelt

Kein Schutz­schirm mehr: Vor 42.000 Jahren verlor die Erde vor­über­gehend ihr schüt­zendes Magnetfeld – die Feld­stärken sanken bis auf null bis sechs Prozent des Nor­mal­werts ab, wie nun eine Studie enthüllt.

Dadurch fla­ckerten Polar­lichter über fast den gesamten Globus, die Ozon­schicht wurde stark aus­ge­dünnt und das Klima der mitt­leren Breiten ver­än­derte sich. Das könnte auch die Mensch­heits­ent­wicklung beein­flusst haben, wie die For­scher in „Science“ berichten.

Das Erd­ma­gnetfeld ist unser wich­tigster Schutz­schild gegen die harte kos­mische Strahlung. Aber seine Inten­sität schwankt im Laufe der Zeit – und Schwä­che­phasen können zu einer kom­pletten Pol­umkehr führen.

Die letzte anhal­tende Umpolung liegt zwar schon rund 780.000 Jahre zurück, seither ist es jedoch mehrfach zu kür­zeren Pol­sprüngen, den soge­nannten Exkur­sionen gekommen. Dabei springt das Magnetfeld nach wenigen hundert Jahren wieder in seine alte Polung zurück.

Ein Baum als Zeitzeuge

Doch was bedeutet eine solche Umpolung für die irdische Lebenswelt? Und wie schwer­wiegend sind die Magnet­feld­tur­bu­lenzen, die einer Pol­umkehr vor­aus­gehen? Bislang sind diese Fragen weit­gehend ungeklärt.

Umso span­nender sind nun die Ein­blicke, die ein For­scherteam über den Ablauf und die Folgen der letzten Pol-Exkursion vor rund 42.000 Jahren gewonnen hat. Bei diesem Las­champ-Ereignis sank die Feld­stärke des Magnet­felds auf 28 Prozent ab und Nord- und Südpol tauschten rund 800 Jahre lange ihre Plätze.

Was dabei und in der chao­ti­schen Phase vor der Pol­umkehr geschah, haben nun Alan Cooper vom South Aus­tralian Museum in Ade­laide und seine Kol­legen mit­hilfe beson­derer Zeit­zeugen ermittelt: In einem Sumpf in Neu­seeland sind Kauri-Bäume (Agathis aus­tralis) aus der Zeit des Las­champ-Ereig­nisses konserviert.

Für ihre Studie ana­ly­sierten die For­scher den Gehalt des Isotops Koh­len­stoff-14 (C14) in den Jah­res­ringen dieser lang­le­bigen Bäume. Dieses Isotop wird in der Erd­at­mo­sphäre ver­mehrt gebildet, wenn das Magnetfeld schwächer wird und die kos­mische Strahlung Stick­stoff­atome zu Koh­len­stoff zerschlägt.

(Dieser fossile Kauri-Baum stammt aus der Zeit der Pol­umkehr vor rund 42.000 Jahren)

„Unser Schutz­schirm war kom­plett weg“

„Zum ersten Mal können wir den Zeit­punkt und die Aus­wir­kungen der letzten Umpolung des Erd­ma­gnetfels präzise bestimmen“, sagt Koautor Chris Turney von der Uni­versity of New South Wales in Sydney.

Demnach ereignete sich diese Umpolung vor 41.500 Jahren. Aber schon ab der Zeit vor rund 42.350 Jahren zeigt sich eine starke Zunahme der C14-Werte in der Erdatmosphäre.

Das aber bedeutet: Schon in dieser Zeit muss die Inten­sität des Erd­ma­gnet­felds auf extrem niedrige Werte abge­sunken sein. „Während dieses Adams-Ereig­nisses fiel die Feld­stärke des Erd­ma­gnet­felds auf nur noch null bis sechs Prozent“, berichtet Turney. „Im Prinzip hatten wir zu dieser Zeit gar kein Magnetfeld mehr – unser Schutz­schirm gegen die kos­mische Strahlung war kom­plett weg.“

Ioni­sierte Atmo­sphäre und aus­ge­dünnte Ozonschicht

Welche Folgen diese neu ent­deckte Schwä­che­phase des Erd­ma­gnet­felds hatte, haben die Wis­sen­schaftler mit­hilfe der Kauri-Bäume, sowie ver­schie­denen geo­che­mi­schen Klima- und Umwelt­ar­chiven und Modell­si­mu­la­tionen untersucht.

„Diese Kauri-Bäume sind wie der Rosetta-Stein, sie helfen uns, Zeug­nisse von Umwelt­ver­än­de­rungen aus Höhlen, Eis­bohr­kernen und Torf­mooren rund um die Welt zusam­men­zu­bringen“, erklärt Cooper.

Die Aus­wer­tungen ergaben, dass das Adams-Ereignis vor rund 42.000 Jahren erheb­liche Aus­wir­kungen auf das Erd­klima und die Umwelt­be­din­gungen gehabt haben muss. Unter anderem ioni­sierte das ver­stärkte Bom­bar­dement mit kos­mi­scher Strahlung die Atmo­sphäre und dünnte die Ozon­schicht aus:

„Die unge­fil­terte Strahlung aus dem Weltraum riss die Sau­er­stoff­mo­leküle in der Erd­at­mo­sphäre aus­ein­ander, trennte Elek­tronen ab und ver­ur­sachte Licht­emis­sionen“, erläutert Turney.

Polar­lichter, Blitze und Klimawechsel

Als Folge nahm die UV-Ein­strahlung auf der Erd­ober­fläche zu, gleich­zeitig kam es zu Polar­lichtern, die bis in die Tropen reichten. „Die frühen Men­schen müssen eine unglaub­liche Aurora gesehen haben – leuch­tende Schleier und Schlieren am gesamten Himmel“, sagt Cooper.

Gleich­zeitig könnte die Atmo­sphäre zu diesen Zeiten stark elek­trisch auf­ge­laden gewesen sein – Leucht­phä­nomene wie Elms­feuer und Blitze waren die Folge. „Den Men­schen muss es vor­ge­kommen sein wie das Ende der Welt“, so Cooper.

Par­allel dazu kam es auch zu Ver­än­de­rungen der groß­räu­migen Luft­strö­mungen und des Klimas, wie die For­scher anhand von Modell­si­mu­la­tionen ermit­telten. In den gemä­ßigten Breiten der Süd­halb­kugel, dar­unter auch in Aus­tralien, wurde das Klima dadurch kühler und tro­ckener, auf der Nord­halb­kugel rückten die Glet­scher vor.

Beein­flusste das Ereignis unsere Vorfahren?

„Das Adams Ereignis scheint einen bedeu­tenden kli­ma­ti­schen, öko­lo­gi­schen und archäo­lo­gi­schen Umbruch zu reprä­sen­tieren, der bislang weit­gehend uner­kannt geblieben ist“, kon­sta­tieren Cooper und seine Kol­legen. Ihrer Ansicht nach könnte dieses Ereignis sogar die Ent­wicklung der Menschheit beein­flusst haben.

Denn zur gleichen Zeit begannen Men­schen plötzlich, ver­mehrt Höhlen auf­zu­suchen und deren Fels­wände zu bemalen. In Europa starb ungefähr zu dieser Zeit der Nean­der­taler aus.

„Ins­gesamt wecken diese Ergeb­nisse wichtige Fragen über die evo­lu­tio­nären Aus­wir­kungen von geo­ma­gne­ti­schen Umpo­lungen und Exkur­sionen im Laufe der Erd­ge­schichte“, schließen die Wissenschaftler.


Quelle: pravda-tv.com