Vor allem jetzt in der Corona-Zeit, in der der Lockdown die Menschen beschäftigt, wird die Frage nach den „Schuldigen“ für dieses Organisations-Desaster gesucht. Und das natürlich in der Politik.
Zwangsläufig kommen nicht nur „Verschwörungstheoretiker“ schnell auf die Regierungschefin; auf Bundeskanzlerin Angela Merkel. Und damit auch auf die alte, neue Frage, ob sie als „Kommunistin“ dies alles zu verantworten hätte. Damit wird ihre Vergangenheit im DDR-Regime gemeint. Doch was ist wahr, was Fake und was Fakt?
Versuch einer Spurensuche…
Am 1. Juni 2008 platzt die „Bombe“: Denn an diesem Tag erklärt der damalige Linken-Chef Oskar Lafontaine im ARD-Talk Anne Will zum Thema:„Alles auf Rot – warum nicht mit den Linken?“:
Sie haben eine überzeugte Jungkommunistin zur Kanzlerin gewählt. Ist Ihnen das überhaupt klar? Denn Frau Merkel war FDJ-Funktionärin für Propaganda und Agitation. Das konnte nur eine überzeugte Jungkommunistin. Und sie durfte in Moskau studieren. Das waren nur Linientreue. Also: Sie haben doch Integrationsleistungen vollbracht. Seien Sie doch stolz darauf!“
Quelle: https://www.bild.de/politik/2008/bei-anne-will-4717294.bild.html
Hier ab Min. 1:15:
Nach diesen Vorwürfen des Linken-Politikers läuft der Mainstream Sturm.
Da ist beispielsweise die Rede von „bösen Entgleisungen“ vom Linkspartei-Chef, von „Angriffen“ auf die Bundeskanzlerin, von „Beschimpfungen“ als „überzeugte Jungkommunistin“ …
Friedbert Pflüger, der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin forderte sogar den Rauswurf der Talkmasterin Anne Will, in dem er sagte: „Die Sendung ‚Anne Will‘ zeichnet sich immer mehr durch Un- und Halbwahrheiten und bewusste Verzerrung von Sachverhalten aus. Die Talkshow sollte durch Frank Plasbergs ‚Hart aber Fair‘ ersetzt werden. Der hat das Zeug zum harten, aber fairen Fragestellen, da kommt der Journalismus nicht missionarisch-ideologisch daher. Anne Will hat nicht gehalten, was sich viele – auch ich – von ihr versprochen haben.“
Und: Er wolle sich als Mitglied des Rundfunkrates des rbb Berlin für eine Ablösung von Frau Will einsetzen.
Quelle: https://www.bild.de/politik/2008/bei-anne-will-4717294.bild.html
Doch auch im September 2009 wiederholt Lafontaine öffentlich seine Vorwürfe. Dieses Mal in der Sonntags-Ausgabe des Hamburger Abendblatts:
„Die Kanzlerin war früher eine hervorgehobene FDJ-Funktionärin für Agitation und Propaganda. Sie gehörte zur Kampfreserve der SED. Frau Merkel hatte besondere Vorteile in der DDR, die andere nicht hatten. Sie war an einer Akademie, an der man nur studieren durfte, wenn man linientreu war. Sie durfte auch im Ausland studieren, konnte in die Bundesrepublik reisen.“
Daher kritisiere er, dass „die CDU mit dem Finger auf andere zeigt“, sagte Lafontaine. „Denn es zeigen viele Finger auf sie zurück.“ Die Debatte über die DDR-Vergangenheit verlaufe „heuchlerisch, weil sich CDU und FDP jeweils zwei SED-Blockparteien einverleibt haben und so tun, als wäre das alles nicht gewesen“.
Quelle: https://www.abendblatt.de/politik/article107560541/Lafontaine-Merkel-gehoerte-zur-Kampfreserve-der-SED.html
Im Mai 2013 fordert auch das damalige SPD-Vorstandsmitglied Ralf Stegner die Bundeskanzlerin auf, über ihre DDR-Vergangenheit eine öffentliche Erklärung abzugeben. Dabei geht es auch um Merkels Funktion in der Jugendorganisation FDJ in ihrer Zeit als Physikerin an der Akademie der Wissenschaften der DDR.
Stegner: „Frau Merkel muss erklären, welche politische Funktionen sie in der DDR innegehabt hat.“
Anlass der Kritik ist ein Buch von „Welt“-Redakteur Günther Lachmann und „Bild“-Redakteur Ralf Georg Reuth zu Merkels DDR-Zeit.
Die beiden Autoren fragen, ob Merkel damals etwa eine „Reformkommunistin“ gewesen sei?
Der Vize-Regierungssprecher Georg Streiter kontert mit einem anderen Buch, in dem sich die Kanzlerin „sehr ausführlich und sehr persönlich zur DDR-Zeit geäußert“ hätte. Die Behauptung, dass die Kanzlerin vor mehr als 30 Jahren an der Akademie für Wissenschaften der DDR FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda gewesen sei, begleite sie seit ungefähr 20 Jahren.
Merkel äußerte sich damals, dass das Thema FDJ Teil ihres Lebens sei. Das sei bekannt und sie hätte nichts zu verbergen. Sie sei Kulturbeauftragte der FDJ für ihre Gruppe an dem Institut gewesen.
Merkel: „Ich kann mich nicht erinnern, in irgendeiner Weise agitiert zu haben.“
Allerdings betonte sie auch, „keine“ Widerstandskämpferin oder Bürgerrechtlerin gewesen zu sein.
Quelle: https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/vorwuerfe-gegen-kanzlerin-spd-fordert-von-merkel-aufklaerung-ihrer-ddr-vergangenheit/8190016.html?ticket=ST-7603253-Wi26coubMauzjc2CjVAm-ap1
RP-Online listete die „DDR-Vergangenheit“ von Merkel wie folgt auf:
Hamburgerin mit DDR-Vergangenheit
Angela Merkel wird am 17. Juli 1954 als Angela Dorothea Kasner in Hamburg als Tochter des Theologiestudenten Horst Kasner und der Lehrerin Herlind Kasner geboren.
1957 zieht die Familie in die Nähe Templins. 1967 wird Angela Merkel konfirmiert; an der Jugendweihe nimmt sie nicht teil.
1977 bis 1982 ist sie mit dem Studenten Ulrich Merkel verheiratet, seit 1998 mit dem Naturwissenschaftler Joachim Sauer.
1990 wird Merkel Bundestagsabgeordnete.
Bereits 2005 hatte Merkel erklärt, dass sie „selbstverständlich und viele Jahre in der FDJ“ gewesen sei.
Quelle: https://rp-online.de/politik/deutschland/die-ddr-vergangenheit-der-kanzlerin_aid-15103669
Am 7. November 2019 wiederholt Oskar Lafontaine seine diesbezüglichen öffentlichen Vorwürfe. Dieses Mal im Talk bei Markus Lanz.
Der Linke erklärt, Merkel habe im Jugendverband der DDR (FDJ) eine „leitende Funktion“ innegehabt.
Merkel selbst behauptete, als „Kultursekretärin“ gearbeitet zu haben, die etwa Theaterkarten besorgt habe.
Der ZDF-Mann hingegen stellt sich hinter die Bundeskanzlerin. Für ihn sei das bei „Anblick der Geschichte der Bundeskanzlerin“ ein ziemlicher „harter Vorwurf“.
Quelle: https://www.merkur.de/politik/zdf-markus-lanz-angela-merkel-oskar-lafontaine-kritik-talkshow-verteidigung-zr-13204143.html///https://rp-online.de/politik/deutschland/die-ddr-vergangenheit-der-kanzlerin_aid-15103669
Fakt ist: Viele Unterlagen zu Merkels Vergangenheit sind verschollen.
Allerdings scheint sie zwischen 1968 und 1984 in der Staatsjugend der DDR aktiv gewesen zu sein. Dazu erläuterte sie einmal, sie habe „dazugehören“ wollen.
RP-Online: „Möglicherweise war sie aber auch für die politischen Schulungen der FDJ-Mitglieder mitverantwortlich. Jedenfalls räumte sie wiederholt ein: „Ich war keine Heldin. — Ich habe mich angepasst.‘
Mit dieser Zusammenfassung macht sie klar, dass sie sich nicht auf einer Stufe mit den Bürgerrechtlern sieht. Dabei hält ihre Stasi-Akte angeblich Anzeichen von Unzuverlässigkeit fest, von „politisch-ideologischer Diversion“. Sie stehe dem eigenen Staat kritisch und der polnischen „Solidarität“-Bewegung positiv gegenüber, soll darin stehen.
Die „DDR-Aktivistin“ Merkel soll nicht erst im Dezember 1989 in den Demokratischen Aufbruch (DA) eingetreten sein, sondern schon früher mitgewirkt haben. Zu der damaligen Zeit sollen noch viele an die „Reformierbarkeit eines demokratischen Sozialismus“ geglaubt haben.
Deshalb könne Merkel auch eine „Reform-Kommunistin“ gewesen sein. Allerdings: Tatsächlich wurde der DA offiziell erst im Dezember 1989 gegründet.
Quelle: https://rp-online.de/politik/deutschland/die-ddr-vergangenheit-der-kanzlerin_aid-15103669
Letztlich wird dieses „Merkel-Kapitel“ nie vollständig aufgeklärt werden können.
„Fehlende“ Unterlagen machen es wohl möglich.
Guido Grandt — Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Blog des Autors www.guidograndt.de
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.