Bildtext: American Truck Circus, Peter Mooney, Wikimedia Commons via Flickr, Bildlizenz CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:American_Trucks_Circus_Vegas_Visits_Navan_Co._Meath_-_During_May_2011_(7326275952).jpg

Prä­sident Bidens Bil­lionen-Hilfs­paket: Die große Rettung oder Auftakt für Jahr­hun­dert­in­flation? (+Video)

In den USA geht es in erster Linie immer um die Wirt­schaft. Und die hat unter Corona gelitten. Ein Sti­mulus- und Ret­tungsplan von 1,9 Bil­lionen Dollar – das sind 10 Prozent der Jah­res­wirt­schafts­leistung der USA — ist unter­zeichnet. Joe Biden als neuer Prä­sident lässt es krachen. Er selbst nennt es ein „his­to­ri­sches Gesetz“, dass der Mit­tel­schicht und den Familien und der arbei­tenden Bevöl­kerung wieder auf die Beine helfe. In den USA macht sich Hoffnung breit. Top-Öko­nomen wie Olivier Blan­chard warnen aber vor dem Gespenst einer kräf­tigen Inflation.

Am 11. März unter­zeichnete der neue Prä­sident der USA den vom Kon­gress ver­ab­schie­deten Ame­rican Rescue Plan, der die Dellen und Ein­schläge durch die Corona-Ein­däm­mungs­maß­nahmen und Lock­downs wieder aus­bügeln soll: Es winken Direkt­zah­lungen von 1400 $ an prak­tisch jeden. Familien mit Kindern dürfen sich auf noch weitere Direkt­zah­lungen freuen, und ihnen werden zusätzlich noch Steu­er­erleich­te­rungen gewährt. Dazu kommen noch Extra-Direkt­zah­lungen für Arbeitslose. Überdies wird die Arbeits­lo­sen­hilfe bis zum Sep­tember auch noch um 300 Dollar pro Woche erhöht. Das Füllhorn wird weit aufgemacht.

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Diese Zuwen­dungen sind der größte Posten im Gesamt­paket mit 450 Mil­li­arden $. Die Auf­sto­ckung des Arbeits­lo­sen­geldes schlägt mit 300 Mil­li­arden $ zu Buche.

Dann gibt es noch Corona-Tests kos­tenlos für jeden, für die sichere Öffnung von Schulen und Kin­der­gärten werden den Kom­munen Gelder bereit­ge­stellt (350 Mil­li­arden $ für die Bun­des­staaten und Kom­munen) – und natürlich für’s Impfen. Die Corona-Impf­kam­pagne wird mit 180 Mil­li­arden $ finan­ziert, 15 Mil­li­arden Dollar bleiben für Bildung und Verkehr.

Und ganz anders als in Deutschland, wo ja alles soooo unbü­ro­kra­tisch laufen sollte und noch immer nicht die Novem­ber­hilfe aus­be­zahlt ist, dafür aber mit voll­kommen unüber­legten Brutal-Lock­downs mal eben so ein Mil­li­ar­den­schaden ver­ur­sacht wird, treffen die US-Direkt­hilfen bereits auf den Konten der Bürger ein — und das ohne Prüfung der Bedürf­tigkeit oder Ein­schrän­kungen. Bis Mitte April sollen die Aus­zah­lungen abge­wi­ckelt sein.

Eigentlich sollte, wie von Prä­sident Biden ver­sprochen, der Min­destlohn von 15 $ pro Stunde auch mit im Paket ent­halten sein. Doch dann hätte das Gesamt­paket des neuen Haus­halts­ge­setzes eine ganze Weile später erst ver­ab­schiedet werden können, denn dieser Min­destlohn ist ein hef­tiger Zank­apfel zwi­schen Repu­bli­kanern und Demo­kraten. Dennoch ist dieser Min­destlohn noch nicht vom Tisch.

Die noch aus dem letzten Jahr stam­menden Kon­junk­tur­hilfen von sechs Bil­lionen Dollar für 2020 und 2021 sind ja schon teil­weise aus­ge­zahlt, die neue Finanz­spritze von 1,9 Bil­lionen Dollar kommt ja noch dazu. BlackRock hat sich dar­an­ge­macht, diesen Ele­fanten im Por­zel­lan­laden der Welt­fi­nanzen zu unter­suchen und zu bewerten. Denn das Gleich­ge­wicht zwi­schen immens hohen Schulden, immens nied­rigen Zinsen und Sti­mulus für die Wirt­schaft ist nicht so einfach Pi-mal-Daumen zu beurteilen.

Das sind unglaub­liche Summen. Und so gibt es auch sehr unter­schied­liche Bewer­tungen der Öko­nomen zu den Folgen eines derart mäch­tigen Corona-Hilfs- und Sti­mu­lus­pakets. Die neue Finanz­mi­nis­terin und alte FED-Chefin Janet Yellen ist eine der trei­benden Kräfte hinter diesen bei­spiel­losen Summen. „Go big!“ feuert sie das Duo Biden und Harris an. Jetzt dürfe man nicht mit halb­her­zigen „Klein-klein-Lösungen“ kommen. Jetzt heiße es „All in“.

Sebastian Dullien, Direktor des Instituts für Makro­öko­nomie, sieht das Ganze als Hilfs­paket. Die US-Bürger haben kaum solche Ein­rich­tungen, wie wir sie in Europa mit Kurz­ar­bei­tergeld, Lohn­fort­zahlung im Krank­heitsfall oder Aus­gleichs­zah­lungen nach dem Infek­ti­ons­schutz­gesetz.  Zum einen, sagt Dullien, wäre das Geld nicht zum „einfach aus­geben“, sondern werde von den Haus­halten dringend benötigt, um Ein­kom­mens­ver­luste aus­zu­gleichen. Zum anderen gebe es noch durchaus genügend Kapa­zi­täten auf dem US-Arbeitsmarkt:

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Der Ökonom Olivier Blan­chard ist ein geach­teter Experte. Er ist Senior Fellow am Peterson Institute for Inter­na­tional Eco­nomics in Washington und eme­ri­tierter Pro­fessor für Volks­wirt­schaft am renom­mierten Mas­sa­chu­setts Institute of Tech­nology, das so genannte „MIT“, wo er lange Jahre lehrte. Er war Chef­volkswirt des Inter­na­tio­nalen Wäh­rungs­fonds (IWF). Er sieht das Giga-Hilfs­paket Prä­sident Joe Bidens mit gemischten Gefühlen. Und er ist dabei nicht allein.

Sogar ein­ge­fleischten links­li­be­ralen Keyne­sianern ist eine solche Summe unheimlich.

Sie sehen, dass die bis­he­rigen Corona-Finanz­hilfen, die unter Prä­sident Trump geflossen sind, kaum aus­ge­geben worden sind. Die Ame­ri­kaner haben diese Zah­lungen meistens gespart nach dem Motto „wer weiß, was noch kommt“. Die per­sön­liche Spar­quote, die lang­fristig im Durch­schnitt in den USA bei unter zehn Prozent liegt, stieg zeit­weise auf 33 Prozent. Wenn jetzt noch einmal größere Summen aus­ge­schüttet werden und gleich­zeitig die Gefühlslage der Ame­ri­kaner in Richtung, „wir haben das Schlimmste hinter uns, jetzt geht’s auf­wärts“ dreht, dann könnte es durchaus zu grö­ßerem Geld­aus­geben kommen und die Kon­junktur über­hitzen. Das Geld würde viel zu schnell und zu viel in den Markt gedrückt.

Das Pro­duk­ti­ons­po­tenzial der US-Wirt­schaft ist nicht weit unter­fordert. Laut Berech­nungen des IWF soll es eine Pro­duk­ti­ons­lücke von nur 1,5% geben. Wenn der His­to­riker Niall Fer­guson der Stan­forder Uni­ver­sität recht hat, würde das bedeuten, dass eine riesige Menge auf­ge­sparten und von Staat zuge­schos­senes Geld in die Wirt­schaft fließt. „Es wird eine Ein­kaufstour gigan­ti­schen Aus­maßes geben“, pro­phezeit der Wirt­schafts­his­to­riker. Aber das Angebot wäre schnell ver­griffen, weil nicht genügend Pro­dukte da sind. Das bedeutet eine Preis­stei­gerung, die sogar noch den Nach­brenner ein­schalten könnte, wenn die Kon­su­menten dann das Hamstern beginnen – oder bestimmte Pro­dukte, die sich besonders schnell ver­teuern, zu „loh­nenden Inves­ti­tionen“ werden.

Auch Mark Zandi, der Chef­ökonom der Rating­agentur Moody’s fürchtet, dass Prä­sident Biden sich ver­hoben hat:

„Der ‚Output Gap‘, also die Lücke zwi­schen der tat­säch­lichen und der poten­ziell mög­lichen Wirt­schafts­leistung,  liegt in den USA im Moment zwi­schen vier und fünf Prozent. Bidens Vor­schlag hat ein Volumen, das doppelt so groß ist. Die Gefahr ist, dass der ame­ri­ka­nische Kon­junk­tur­motor über­hitzt und es zu stei­genden Zinsen und Infla­ti­ons­raten kommt.“ 

Oliver Blan­chard hat die­selben Sorgen:

„Die Schlüs­sel­frage ist: Wie groß ist die Nach­fra­ge­lücke, die sich durch die Krise auf­getan hat, weil die Haus­halte weniger Geld aus­ge­geben und die Unter­nehmen weniger inves­tiert haben? (…) Die Leute werden das Geld aus­geben, vor allem die­je­nigen, denen es schlecht geht. Hinzu kommt, dass die Haus­halte im ver­gan­genen Jahr deutlich mehr Geld ange­spart haben als nor­ma­ler­weise üblich. (…)  Wenn sich die wirt­schaft­liche Lage bessert, die Ein­schrän­kungen auf­ge­hoben und der Opti­mismus zunimmt – und Anzeichen dafür sehen wir bereits jetzt in den USA –, dann wird auch dieses Geld zumindest teil­weise aus­ge­geben werden. Diesen Betrag muss man dann zu den 3.000 Mil­li­arden hin­zu­ad­dieren.“ 

Auch er sieht, dass die Ame­ri­kaner sehr bald wieder zu ihrer tra­di­tio­nellen Kon­sum­freude zurück­kehren, sobald die Krise als über­wunden gilt. Was dann pas­siert, beschreibt er so:

„Meine Befürchtung ist, dass die Wirt­schaft zu heiß läuft: Die Arbeits­lo­sigkeit geht so stark zurück, dass es nicht mehr genug Arbeits­kräfte gibt, die bereit sind, eine Stelle anzu­nehmen. Dann steigen die Löhne, die Unter­nehmen müssen die Preise ihrer Waren anheben, um die höheren Lohn­kosten auf­zu­fangen, und im Ergebnis zieht die Inflation an. Dann muss die Notenbank Federal Reserve mit höheren Zinsen reagieren.“

Das aber würde wie­derum das Wachstum ein­bremsen, ins­be­sondere das schon lange schwä­rende, private Über­schul­dungs­problem in den Staaten virulent werden lassen.

Niall Fer­gusson for­mu­liert es dras­ti­scher:

„Die schnelle Ent­wicklung der Impf­stoffe wird dafür sorgen, dass die Pan­demie Ende nächsten Jahres in den meisten Orten der Welt Geschichte ist“, sagte Fer­guson, der in Stanford lehrt, im Interview mit dem Han­dels­blatt. ‚Und dann setzt die kol­lektive Amnesie ein, durch die wir auch frühere Pan­demien schnell ver­gessen haben.‘“

Auch dies­seits des großen Teiches reiben sich Unter­nehmen schon die Hände. Ein Teil dieses rie­sigen Kon­junk­tur­pro­gramms wird wahr­scheinlich in Deutschland landen. Die USA sind das wich­tigste Exportland zum Bei­spiel für Maschinen, denn die USA haben fast keine eigene Maschi­nen­bau­in­dustrie. Und genau das war immer eine der deut­schen Stärken und Qualifikationen.

Ulrich Ackermann, der beim Verband Deut­scher Maschinen- und Anla­genbau für die Beob­achtung der Außen­wirt­schaft zuständig ist sieht wieder bessere Zeiten für deutsche Zulie­ferer kommen: „Als wichtige Zulie­ferer werden deutsche Unter­nehmen indirekt von dem Corona-Hilfs­paket profitieren.“

Deutsche Firmen sehen in der mit Macht in den USA vor­an­ge­trie­benen Impf­kam­pagne eine Chance: Spe­zi­al­ma­schinen zur Her­stellung und Abfüllung von Impf­stoffen dürften ein deut­scher Export­schlager werden. Auch solche deut­schen Unter­nehmen, die in den USA Pro­duk­ti­ons­tandorte haben, werden auf diese Weise pro­fi­tieren. So hat die deutsche Siemens in den USA 40.000 Mitarbeiter.

Nach Berech­nungen von Jens Ulbrich, dem Chef­volkswirt der Bun­desbank, wird das Wirt­schafts­wachstum in Deutschland durch das Biden-Pro­gramm in diesem Jahr um 0,3 Pro­zent­punkte wachsen.