Das „sexy“ Berlin: 27% der Ber­liner Kinder müssen von Hartz IV leben

Der ehe­malige Ber­liner Bür­ger­meister Wowereit sagte einmal, Berlin sei arm, aber sexy. Viel­leicht. Viele Pro­fes­sio­nelle sind arm, aber sexy, haben sich ihr Schicksal aber nicht unbe­dingt aus­ge­sucht. So geht es den Kindern in der sexy Haupt­stadt. Nur sehen sie wenig von der ver­füh­re­ri­schen Seite der Stadt. Mehr als ein Viertel muss nämlich von Hartz IV exis­tieren. Die Ver­elendung Deutsch­lands schreitet voran und wird unter einer grünen Kanz­lerin noch zu grö­ßerer Blüte kommen.

Die Linken könnten einem richtig sym­pa­thisch werden. Immer wieder legen sie mit par­la­men­ta­ri­schen Anfragen den Finger in die Wunde. Diese erschre­ckenden Zahlen hätten wir sonst wohl kaum aus der Presse erfahren. Denn das Leid und den Weg der Deut­schen in die Ver­elendung ver­schweigt man regie­rungs­seitig immer recht gern.

Dank der Linken wissen wir nun, dass 27 Prozent der Ber­liner Kinder und min­der­jäh­rigen Jugend­lichen im Dezember 2020 in Haus­halten lebten, die Hartz IV beziehen. Es dürften sehr wahr­scheinlich dank der heroi­schen, aber wenig effek­tiven Lock­downs noch mehr geworden sein. Das offen­barte eine ver­öf­fent­lichte Antwort der Senats­ver­waltung für Bildung, Jugend und Familie auf die Par­la­men­ta­rische Anfrage der Linken.

Diese Pro­zent­zahlen sind schon schlimm. Aber es sind 162.412 Min­der­jährige, die dieses Leben führen müssen. Ein­hun­dert­zwei­und­sech­zig­tausend junge Men­schen in „Bedarfs­ge­mein­schaften“ nach dem Sozi­al­ge­setzbuch (SGB II), die schon jetzt kaum noch große Per­spek­tiven haben und schon jetzt größ­ten­teils mit einer ordent­lichen Ladung Frust und Wut oder Resi­gnation ins Leben starten. Manche werden kämpfen, viele werden resi­gnieren und einfach den­selben Weg gehen und „hartzen“. Ein­hun­dert­zwei­und­sech­zig­tausend Schicksale, die größ­ten­teils vor die Hunde gehen.

Die meisten armen Kinder leben In Neu­kölln und Berlin Mitte. Das lässt sich an den gemel­deten Hartz IV-Emp­fängern der jewei­ligen Job­center ablesen. In Berlin Mitte waren vor zwei Jahren 26.833 „Bedarfs­ge­mein­schaften“ mit Kindern gemeldet, in Neu­kölln 24.265, in Spandau 16.482 und in Rei­ni­ckendorf 15.914. Der Stadtteil Marzahn, über Berlin hinaus bekannt geworden durch die Comedian-Künst­lerin „Cindy aus Marzahn“, die in schrill pinken Outfits das Pro­le­tariat dort lie­bevoll per­si­flierte, ist mit 15.185 Hartz IV-Emp­fängern dabei, Tem­pelhof-Schö­neberg mit 15.061 Hartzern. 2018 berichtete die BZ (Ber­liner Zeitung) auch über die Alters­gruppen innerhalb der Bedarfs­ge­mein­schaften: 83.716 Kinder unter 8 Jahre, 56.5564 zwi­schen 8 und 14 Jahre alt und 32.141 zwi­schen 14 und 18 Jahre alt. Davon bezogen Ende des Jahres 2017 in Berlin 7.810 Kinder aus Haus­halten mit einem aus­län­di­schen Haus­halts­vor­stand Sozi­al­hilfe oder Bezüge als Asyl­be­werber. Eine ganze Stadt an Kindern, denen es oft am Nötigsten fehlt. Und die meisten davon haben nur einen Elternteil.

Und, man glaubt es kaum, der Ber­liner Senat sieht tat­sächlich „wei­terhin Hand­lungs­bedarf“. Nicht, dass man die Zustände ja bisher gar nicht kannte. Der Artikel der Ber­liner Zeitung mit Zahlen aus 2017, die kaum weniger erschre­ckend sind, beweist, dass diese Misere chro­nisch ist. Die Familien- und Kin­der­armut besteht schon lange, wie die Zeich­nungen von Heinrich Zille, dem Ber­liner Milieu­künstler ein­drucksvoll belegen. „Hand­lungs­bedarf“ in Berlin besteht seit jeher, nur ändern tut sich nichts. Berlins Kassen sind noto­risch leer, die Stadt hat immer Schulden.

Heinrich Zille: Hunger, Bild: gemeinfrei via WIkipedia

Rück­schlüsse auf die Aus­wir­kungen der Pan­demie auf Kinder- und Fami­li­en­armut könne man aus den Zahlen noch nicht ziehen, meint die Senats­ver­waltung Berlins. Doch erste „empi­rische Ana­lysen“ (vulgo: Erfah­rungs­werte und Beob­ach­tungen) weisen darauf hin, dass es gerade Kinder aus solchen Familien betrifft, die mit geringer Bildung, mit Arbeits­lo­sengeld II (Hartz IV), mit einem allein­er­zie­henden Elternteil oder Migra­ti­ons­hin­ter­grund belastet sind. Leider erschöpft sich Hand­lungs­bedarf meistens in Geld­zu­wei­sungen und Geld­ge­schenken oder schi­ka­nösen Sank­tionen, die sehr oft auch noch sehr unfair und unge­recht sind und die Familien erst so richtig in bittere Not bringen. Die Linke möchte nun 200 Euro „Pan­de­mie­zu­schlag“ für Hartz IV Emp­fänger, und man möchte eine Kin­der­grund­si­cherung ein­richten. Mal sehen, was aus den mild­tä­tigen Plänen wird.