Vera Lengsfeld: Macht­verfall – Merkels Politik am Ende

Eigentlich halte ich nichts von Kreml­as­tro­logie, aber Robin Alex­anders Ein­schätzung der zu Ende gehenden Ära Merkel hat mich doch inter­es­siert. Schließlich kenne ich sein Buch „Die Getrie­benen“ und seine Sicht auf eine poli­tische Kaste, die agiert, als wäre die reale Welt ein Video­spiel, in dem es, koste, was es wolle, nur darauf ankommt, am Ende von den Medien als Punkt­sieger betrachtet zu werden.

Das ist nicht Merkel allein, aber sie ist das Gesicht dieses Spek­takels, das den Namen Politik nicht ver­dient. Alex­anders Bücher wären eigentlich reiner Spreng­stoff. Wären sie in der Ära Kohl erschienen, hätte es die Regierung Kohl schon nach dem ersten am nächsten Tag nicht mehr gegeben. Inzwi­schen gibt es aber kei­nerlei Kon­se­quenzen mehr für die koor­di­nierte Ver­ant­wor­tungs­lo­sigkeit, die sich im Laufe von Merkels Regie­rungszeit wie Mehltau über unser Land gelegt hat.

Was bei Merkels so genannter Flücht­lings­po­litik vor­ex­er­ziert wurde – ein ein­ziges Gewebe aus Fehl­in­for­ma­tionen, Täu­schungen, Kanz­le­rinnen-Allein­gängen, Abwe­sen­heiten in ent­schei­denden Momenten, Trotz­re­ak­tionen, Ahnungs­lo­sigkeit, Inkom­petenz, wie­der­holte sich in der Corona-Krise. Es macht fas­sungslos, zu lesen, wie diese Gemengelage das Schicksal Deutsch­lands auf eine schiefe Ebene gebracht hat, von der man nicht weiß, wohin sie uns führt. Das in die Corona-Krise fast die ganze Welt ver­wi­ckelt ist, macht die Sache nicht besser, sondern gefähr­licher. Robin Alex­ander beschreibt das geradezu mons­tröse Ver­sagen der Politik Merkels seit Beginn der Pan­demie. Es ist äußerst auf­schluss­reich, im Zusam­menhag zu lesen, wie sich die Dinge ent­wi­ckelt haben. Allzu viel davon ist allzu schnell ver­gessen worden. Deshalb sei noch einmal daran erinnert, dass die Regierung Merkel anfangs die Krise ziemlich gelassen nahm. Ob das daran lag, dass Merkel, die China während ihrer Kanz­ler­schaft so häufig bereist hat, wie kein anders Land, im November 2019 in Wuhan war, auch das Kran­kenhaus, das nur wenige Wochen später zum Corona-Hotspot wurde, bleibt Spe­ku­lation. Inter­essant ist der Zusam­menhang allemal. Merkel, die in allen anderen Ländern kaum mehr als 48 Stunden weilt, nimmt sich in China immer Zeit, außer die Regie­rungs­kreise auch die Provinz zu besuchen. Als schon bald nach Ent­de­ckung des neuen Corona-Virus Kritik an China aufkam, hielt die Kanz­lerin sich auf­fällig zurück. Auch jetzt, wo in den USA die Frage, ob das Virus in einem Labor kon­struiert und unter unge­klärten Umständen frei­ge­setzt wurde, ist das in Deutschland kein Thema.

Nach über einem Jahr liegt für alle, die es wissen wollen, klar auf dem Tisch, dass die Corona-Maß­nahmen, die unser Land immer noch stran­gu­lieren, auf fal­schen Annahmen beruhen. Es gab zu keinem Zeit­punkt eine „epi­de­mische Lage von natio­naler Trag­weite“, obwohl die vom Bun­destag beschlossen und seither zweimal ver­längert wurde. Es gab zu keinem Zeit­punkt eine Inten­siv­bet­ten­krise, sagt die Sta­tistik. Die PCR-Tests, die angeb­liche „Neu­in­fek­tionen“ anzeigen, sind für dia­gnos­tische Zwecke nicht geeignet, da sie auch nicht­in­fek­tiöse Viren­trümmer einer frü­heren von Corona-Viren aus­ge­lösten Krankheit anzeigen. Die Masken, von denen Merkel anfangs richtig der Meinung war, dass sie „Viren­schleudern“ seien, schaden mehr, als dass sie nutzen. Das trifft besonders auf die FFP2-Maske zu, die eigentlich eine Arbeits­schutz­maske ist und nur unter ärzt­licher Kon­trolle für begrenzte Zeit getragen werden sollte. Sie ist poli­tisch ver­ordnet worden, obwohl sie das Atmen erschwert und die Gefahr birgt, dass man Plas­tik­par­tikel ein­atmet. Trotz rapide sin­kender Inzi­denzen wird die Mas­ken­pflicht nicht auf­ge­hoben, sondern die Regierung fordert jetzt sogar FFP2-Masken für Kinder. Ob die ver­hängten Lock­downs mehr bewirkt haben, als die Wirt­schaft zu schä­digen und die Gering­ver­diener zu belasten, ist nie unter­sucht worden. Die Regierung hat bis heute keine der von ihr ver­hängten Maß­nahmen auf ihre Wirk­samkeit über­prüft. Die Risi­ko­gruppen werden bis heute nicht aus­rei­chend geschützt.
Dafür hat sie die Steu­er­geld­ver­schwendung in unge­ahnte Höhen getrieben. Nicht nur wurden die so genannten Corona-Hilfen mit der Gieß­kanne ver­teilt, was geradezu als zum Sub­ven­ti­ons­betrug einlud, sie waren offenbar von Leuten verfügt worden, die Umsatz von Gewinn nicht unter­scheiden können und Gas­tro­nomen 75% ihres Umsatzes vom Vor­jah­res­monat gewährten, obwohl die weder Per­sonal- noch Beschaf­fungs­kosten hatten. Auch bei der „natio­nalen Test­stra­tegie“ wurde vor allem Steu­ergeld ver­schwendet, weil die nicht über­prüft wurde, ob die abge­rech­neten hoch bezahlten Tests auch durch­ge­führt wurden.

Die Pleiten, Pech und Pannen setzten sich bei der Impf­stoff­be­schaffung fort, die Merkel unbe­dingt an die EU abgeben wollte, die prompt ver­sagte. So kam die Impf­kam­pagne nur äußerst schlei­chend in Gang und blieb immer wieder stecken. Eigentlich sollten wir zu dem Zeit­punkt, an dem ich diese Rezension schreibe, schon alle ein „Impf­an­gebot“ erhalten haben. Tat­sächlich sind es nicht mal die Hälfte aller Deut­schen, die bereits geimpft sind. In diesem Zusam­menhang muss noch einmal darauf hin­ge­wiesen werden, dass kein ein­ziges Vakzin bisher eine reguläre Zulassung hat. Es handelt sich um vor­läufige Zulas­sungen für den „Notfall“. Über die Neben­wir­kungen wird die Bevöl­kerung nur äußerst sparsam infor­miert. Nicht einmal, ob diese Imp­fungen zuver­lässig vor Infek­tionen schützen, ist sicher. Fest steht nur, dass sich die Impf­her­steller aus­be­dungen haben, nicht für even­tuelle Neben­wir­kungen in Haftung genommen werden zu können. Was Kinder und Jugend­liche betrifft, die kaum infek­ti­ons­an­fällig sind und bei denen der Krank­heits­verlauf relativ leicht ist, so sollen die bis Sep­tember alle geimpft werden, obwohl die Staat­liche Impf­kom­mission und viele Kin­der­ärzte und Experten keine Emp­fehlung aus­sprechen wollen, oder sogar vor diesen Imp­fungen warnen, weil die Impf­schäden größer sein könnten als der ange­nommene Nutzen.

Kinder und Jugend­liche sind die Haupt­leid­tra­genden der Corona-Maß­nahmen. Will­kür­liche Schul­schlie­ßungen, Mas­ken­pflicht im Unter­richt und sogar auf dem Schulhof, das Verbot, sich mit Freunden zu treffen, haben Schäden ange­richtet, die nur noch nicht ins öffent­liche Bewusstsein gerückt sind, weil eine Art Omerta über unser Land ver­hängt wurde. Wer die Regierung und ihre Politik kri­ti­siert wird sofort als „Corona-Leugner“ oder gar Nazi abgestempelt.

Robin Alex­ander hat das ganze Elend dieser Willkür-Politik auf­ge­listet, es ist hier nur unvoll­ständig wie­der­ge­geben worden.

Der einzige Minis­ter­prä­sident, der Merkels Politik fast von Anfang an wider­sprochen hat, ist Armin Laschet. In einem Beitrag in der Welt am Sonntag fand er deut­liche Worte:
„Es gibt immer Alter­na­tiven. Keine Krise recht­fertigt es, im Vorfeld solcher mas­siven Ein­griffe nicht das für und Wider zu über­denken und abzu­wägen. Selbst in der größten Krise gilt unsere Ver­fassung. Rechts­staat­lichkeit und Demo­kratie gelten immer.“
Die fol­genden Sätze zielen nicht nur auf Merkel, sondern auf den Möch­tegern-Kanz­ler­kan­di­daten Markus Söder, der ver­sucht, sich als Merkel-Jünger zu pro­fi­lieren und in der Krise mit Ein­schrän­kungen immer wieder vor­ge­prescht ist.
„Nicht die schnellste Ent­scheidung ist die beste, sondern die­jenige, die wirksam ist und gleich­zeitig dem Ver­fas­sungs­prinzip der Ver­hält­nis­mä­ßigkeit ent­spricht. wir als Poli­tiker sind deshalb gut beraten, nicht dem Rausch des Aus­nah­me­zu­stands und der Tat­kraft zu ver­fallen, sondern auch in dieser Stunde der Exe­kutive Maß und Mitte zu wahren.“
Leider gingen Laschets Worte im Erschrecken über den Freitot des hes­si­schen Finanz­mi­nisters Thomas Schäfer unter, der sich vor den Zug geworfen hatte, als die WamS im Druck war.
Die Hal­tungs-Medien ließen aller­dings kaum etwas unver­sucht, Laschet als ver­ant­wor­tungs­losen Trottel hin­zu­stellen. Das am Ende Armin Laschet den Kampf um die Kanz­ler­kan­di­datur gewann, kann man als List der Ver­nunft ansehen. Sein Bun­des­tags­wahl­pro­gramm zeigt, dass er bereit ist, die Union aus dem Irrweg des Mer­ke­lia­nismus her­aus­zu­führen. Die wach­sende Zustimmung zur Union und zu Laschet können als Beleg gesehen werden, dass die Wähler seinen Kurs honorieren.

Abge­sehen vom Corona-Desaster kann man bei Alex­ander nach­lesen, wie sehr Merkel die CDU per­sonell rui­niert hat. Jedem, der nur im Ent­fern­testen so etwas wie Profil zeigte, wurden von der Kanz­lerin Steine in den Weg gelegt. Ein Bei­spiel ist Annegret Kramp-Kar­ren­bauer, die immer, auch erstaun­li­cher­weise bei Alex­ander, als Merkels Wunsch­kan­di­datin für den Par­tei­vorsitz bezeichnet wird. Gleich­zeitig beschreibt er, wie Merkel Kramp-Kar­ren­bauer immer wieder brüs­kiert hat und auf­laufen ließ. Als die Par­tei­vor­sit­zende ver­suchte, die Fehler der Flücht­lings­krise auf­zu­ar­beiten und die frus­trierten Teile der Partei zurück­zu­ge­winnen, ging Merkel demons­trativ mit Anette Schwan und Monika Grütters in einer Hotelbar Aperol Spritz trinken. „Du kannst mit gar nichts“ war das Signal an Kramp-Karrenbauer.

Wie wenig Rück­sicht Merkel auf die Partei nimmt, der sie alles ver­dankt, wird schlag­licht­artig klar beim Beschluss der so genannten Osterruhe. An diesem Tag gab es eine dieser Minis­ter­prä­si­den­ten­runden, erweitert um SPD-Poli­tiker wie Olaf Scholz und Fran­ziska Giffey. Merkel erbat sich 15 Minuten Pause, erschien aber nicht wieder. Statt dessen ver­schwanden auch die SPD-Minis­ter­prä­si­denten und Poli­tiker aus der Runde. Nach Mit­ter­nacht erhielt MP Rainer Haseloff einen Anruf seines SPD-Innen­mi­nisters mit der Frage, was er von diesem Beschluss halte. Haseloff erfuhr so, was andere CDU-Minis­ter­prä­si­denten und Armin Laschet als Par­teichef erst in den Nach­richten hörten, dass eine strenge Osterruhe ver­hängt werden sollte, mit einem Total-Lockdown ab Grün­don­nerstag. Am anderen Morgen wurde diese Schnapsidee von einem Pro­test­sturm hin­weg­gefegt, der so stark war, dass Merkel sich genötigt sah, um Ent­schul­digung zu bitten. Ihre Revanche ließ nicht lange auf sich warten. Sie heißt Bun­des­not­bremse, hängt seitdem wie ein Damo­kles­schwert über unserer Gesellschaft.

Die Ära Merkel geht in weniger als 100 Tagen zu Ende. Die Schluss­sätze aus Alex­anders Buch lauten:
„So erscheint Armin Laschets Kanz­ler­kan­di­datur … wie ein Pointe des langen Macht­ver­falls der einst stolzen Union, der mit der Flücht­lings­krise begonnen und mit dem Miss­ma­nagement der Corona-Krise seinen trau­rigen Höhe­punkt gefunden hat.“
Man solle Armin Laschet nicht unter­schätzen. Diesen Fehler hätten schon viele begangen.

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Robin Alex­ander: Macht­verfall


Vera Lengsfeld — Erst­ver­öf­fent­li­chung auf dem Blog der Autorin www.vera-lengsfeld.de