Fach­kräf­te­mangel in Deutschland: Nachteil oder Chance für junge Menschen?

In den Nach­richten, im Radio und in Gesprächen mit Bekannten und Kol­legen: Überall ist der Fach­kräf­te­mangel in Deutschland präsent. Unter­nehmer klagen über den Mangel an qua­li­fi­zierten Arbeitern, obwohl es scheinbar viele junge Men­schen mit abge­schlos­senen Schul- und Aus­bil­dungen gibt und Hoch­schul­ab­sol­venten es immer schwerer haben in das Berufs­leben einzusteigen.

Vielen Berufs­zweige müssen Arbeiter aus dem Ausland anwerben, um wenigstens die nötigsten und sys­tem­re­le­vanten Bereiche so gut wie möglich abzu­decken. Dennoch kann vor allem in diesen Berufen ein Großteil der Stellen nicht besetzt werden.

In welchen Berufs­zweigen gibt es einen Fachkräftemangel?

Vor allem im Süden und Osten Deutsch­lands macht sich der Fach­kräf­te­mangel besonders bemerkbar. Im Gesund­heits- und Pfle­ge­be­reich ist die Lage jedoch in ganz Deutschland ver­heerend. Vor allem Berufe aus dem soge­nannten MINT-Sektor, welcher unter anderem die Bereiche Technik, Mathe­matik, Infor­matik und Natur­wis­sen­schaft, aber auch den Gesund­heits- und Pfle­ge­sektor umfasst, leiden vie­lerorts unter einem großen Mangel an qua­li­fi­zierten Arbeitskräften.

Wei­terhin leiden auch hand­werk­liche Berufs­be­reiche und der Soziale- und Päd­ago­gische Sektor unter einem Mangel an Fach­leuten. Hier sind vor allem eine Menge an Stellen für Lehrer und Erzieher unbe­setzt. Daneben macht sich der Rückgang an Arbeits­kräften auch in Dienst­leis­tungen wie dem öffent­lichen Per­so­nen­nah­verkehr, Bäcke­reien, der Gas­tro­nomie und dem Tou­rismus bemerkbar.

Was sind die Ursachen des Fachkräftemangels?

Die Ursachen für den Verlust der Fach­ar­beiter können nicht genau fest­gelegt werden. Es gibt jedoch besondere gesell­schaft­liche und struk­tu­relle Ent­wick­lungen, die als Gründe für die aktuelle Lage ange­nommen werden.

Demo­gra­phi­scher Wandel

Zu diesen zählt allen voran der demo­gra­phische Wandel. Da es bereits einen deutlich grö­ßeren Anteil an alternden als jungen und erwerbs­fä­higen Men­schen unter 65 Jahren gibt, sinkt auch die Anzahl der Arbeits­kräfte rapide. Auch in Zukunft ist es absehbar, dass die niedrige Gebur­tenrate in Deutschland die Zahl der alternden Bevöl­kerung nicht aus­gleichen kann.

Aka­de­mi­sierung

Ein wei­terer Grund für den Rückgang an Arbeits­kräften könnte in der Aka­de­mi­sierung liegen. Aus der Annahme heraus, dass Per­sonen mit einem höheren Schul­ab­schluss oder gar einer aka­de­mi­schen Bildung eine bessere Chance auf dem Arbeits­markt haben, gibt es heut­zutage immer mehr Abitu­ri­enten und Hoch­schul­ab­sol­venten. Im Gegenzug führt dies bei Arbeit­gebern oft zu einem erhöhten Anspruch an die Bewerber. Deshalb haben es Abgänger von Real- und Haupt­schulen immer schwerer eine Aus­bildung oder eine gut bezahlte Arbeits­stelle zu finden. Gleich­zeitig werden Berufe für Hoch­schul­ab­sol­venten und Aka­de­miker zunehmend geringer ver­gütet, was viele Arbeits­stellen weniger attraktiv macht.

Digi­ta­li­sierung und Automatisierung

Da die Bun­des­re­publik auf die rasche Ent­wicklung der Digi­ta­li­sierung und Technik nicht vor­be­reitet war, wurde dieser Bereich in den letzten Jahren ver­nach­lässigt. Obwohl die Digi­ta­li­sierung und Auto­ma­ti­sierung durch effi­ziente tech­nische Lösungen einen Arbei­ter­mangel aus­gleichen könnte, wird der Fort­schritt in diesem Bereich durch eben diesen Fach­kräf­te­mangel ausgebremst.

Weil es bisher nicht genügend qua­li­fi­zierte Arbeits­kräfte gibt, die die Digi­ta­li­sierung und Auto­ma­ti­sierung in Deutschland vor­an­treiben können, bleibt die Ent­wicklung in diesem Bereich leider immer noch auf der Strecke. Zudem wurde die Aus­bildung für die Arbeit mit eben diesen tech­ni­schen Inno­va­tionen nicht aus­gebaut oder moder­ni­siert, weshalb es kaum Per­sonen gibt, die spe­zi­fische Kennt­nisse im Umgang mit modernen Maschinen, in der Robotik oder dem IT-Bereich besitzen.

Was kann man gegen den Fach­kräf­te­mangel unternehmen?

Fach­kräfte aus dem Ausland anwerben

Da es nicht genügend erwerbs­fähige Per­sonen in Deutschland gibt, kann es sich lohnen, qua­li­fi­zierte Arbeits­kräfte aus dem Ausland anzu­werben. Das Problem ist dabei jedoch, dass die Berufs­ab­schlüsse, die in anderen Ländern erworben wurden, in Deutschland oft nicht berück­sichtigt werden. Vor allem Bil­dungswege und Arbeits­er­fah­rungen, die in nicht-euro­päi­schen Ländern erworben wurden, werden hier­zu­lande selten offi­ziell aner­kannt. Deshalb muss der Ein­stieg in das Berufs­leben oder die Umschulung und Wei­ter­bildung von aus­län­di­schen Fach­kräften in Zukunft leichter zugänglich gemacht und aka­de­mische Abschlüsse detail­lierter geprüft und aner­kannt werden.

Quer­ein­stieg erleichtern

Eine weitere Mög­lichkeit, um dem Fach­kräf­te­mangel ent­ge­gen­zu­wirken ist es, den Quer­ein­stieg in bestimmte Berufe zu erleichtern. Dabei müssen Arbeit­geber den Bewerbern die Mög­lichkeit geben, sich im Beruf wei­ter­zu­bilden oder berufs­be­gleitend umschulen zu lassen. Vor allem Per­sonen, die bereits eine Berufs­aus­bildung hinter sich und mög­li­cher­weise schon eine eigene Familie haben, können es sich nicht leisten ihren Lebens­un­terhalt von dem geringen Gehalt einer erneuten grund­stän­digen Aus­bildung zu finanzieren.

Ebenso müssen Erfah­rungen und Kennt­nisse berück­sichtigt werden, die unab­hängig von der Schul­bildung, der Berufs­aus­bildung oder dem Studium erworben wurden. Nach Angaben der Website metalecture.com können Arbeits­kräfte bereits durch den Erwerb zusätz­licher Fähig­keiten gut in einen neuen Arbeits­be­reich ein­steigen und auch als Quer­ein­steiger einen großen Mehrwert für Unter­nehmen bieten. Auf diese Weise könnten bei­spiels­weise einige der aktuell 86.000 offenen Stellen im IT-Bereich auch ohne die Vor­aus­setzung eines spe­zi­ellen Stu­diums besetzt werden.

Schluss­fol­gerung

Der Fach­kräf­te­mangel kann für junge Men­schen je nach der per­sön­lichen Aus­gangs­si­tuation ein Segen und ein Fluch zugleich sein. Zum einen sind eine große Anzahl an Arbeits­stellen unbe­setzt, was es in vielen Bereichen leichter macht einen Job zu bekommen. Zum anderen scheinen die Anfor­de­rungen an die Bewerber in anderen Berufs­zweigen zu steigen, während die Löhne und Arbeits­ver­hält­nisse auf­grund finan­zi­eller Unsi­cher­heiten und Geschäfts­ri­siken in den Unter­nehmen sinken. Zukünftig lässt sich dieses Problem ver­mutlich nur durch tief­grei­fende struk­tu­relle Ver­än­de­rungen lösen, denn ein Ende der aktu­ellen Ent­wicklung ist leider noch nicht in Sicht.