Die ver­ges­senen Men­schen von Haiti – nach scho­ckie­renden Berichten über Hilfs­or­ga­ni­sa­tionen „Sex für Hilfe“ nach Erd­beben 2010 – erschüttert erneut ein schweres Erd­beben Haiti (+Videos)

Ein schweres Erd­beben hat den Süden des Kari­bik­staats Haitis erschüttert. Die US-Behörde USGS gab die Stärke mit 7,2 an. Elf Jahre nach einem ver­hee­renden Erd­beben, das am 12. Januar 2010 den Insel­staat Haiti erschüt­terte. Etwa 400 000 Men­schen kamen damals ums Leben, min­destens ebenso viele wurden ver­letzt. Rund 1,5 Mil­lionen Ein­wohner in einem der ärmsten Länder der Welt ver­loren ihr Zuhause. In den 11 Jahren erfuhren wir, dass die dortige Regierung sich zwar um den Wie­der­aufbau ihrer Häuser von Port-au-Prince küm­merte, aber seine Bewohner vernachlässigte.

Es folgten die vielen Skandale der Hilfs­or­ga­ni­sa­tionen, die Sex für ihre Hilfe for­derten. Eigentlich waren sie gekommen, um den armen Men­schen zu helfen, doch die auf­ge­deckten Sex-Skandale bei der Hilfs­or­ga­ni­sation Oxfam erschüt­terten 2018 die Welt. Aber Oxfam war nur der Anfang, von den schweren Miss­brauchs­vor­würfen waren 23 huma­nitäre Orga­ni­sa­tionen, Friedens- und Sicher­heits­or­ga­ni­sa­tionen während ihrer Ope­ra­tionen in Haiti, betroffen. Es betraf „jede Form sexu­ellen Kin­des­miss­brauchs, die man sich vor­stellen kann“, ein­schließlich Ver­ge­wal­tigung, Pro­sti­tution, Por­no­graphie, sexu­eller Skla­verei und Men­schen­handel. „Die Leute, die uns ver­ge­wal­tigen, und die Leute im Büro sind die gleichen“, bezeugte ein Mädchen in Haiti. Auch die UN-Frie­dens­truppen haben eben­falls auf Haiti sexu­ellen Miss­brauch begangen, sogar an Kindern. Recherchen zufolge sollen UN-Frie­dens­sol­daten in Haiti Kinder mit Frauen und Mädchen gezeugt haben, bevor sie sie im Stich ließen. Solche Skandale ver­schwinden relativ schnell aus den Medien, doch jetzt erschüttert erneut  ein schweres Erd­beben Haiti, Häuser wurden zer­stört und Men­schen starben. „Ich habe gesehen, wie Leichen aus den Trümmern gezogen wurden, ver­letzte und tote Men­schen“, sagte ein Bewohner von Les Cayes. „Überall, wo ich hinkam, hörte ich Schmer­zens­schreie.“ Nur kurze Zeit, nachdem bekannt wurde, dass Haiti von einem Erd­beben erschüttert wurde, gingen bereits die ersten Spen­den­aufrufe über den Ticker. Ob diese Gelder diesmal die armen Men­schen erreichen werden? Wir erinnern uns, noch Jahre nach dem Erd­beben leben die armen Men­schen auf Haiti in Trümmern und haben die Hoffnung verloren.

Viele Tote und Ver­letzte nach Erd­beben der Stärke 7,2 in Haiti

 

Das Erd­beben der Stärke 7,2 ist poten­ziell stärker als das ver­hee­rende Beben, das Haiti in 2010 zer­stört hat.

Min­destens 304 Men­schen wurden getötet, nachdem ein Erd­beben der Stärke 7,2 den Süd­westen Haitis erschüt­terte, Gebäude in Schutt und Asche legte und Bewohner in Angst und Schrecken aus ihren Häusern flüch­teten, viele werden noch ver­misst. In einer Pres­se­kon­ferenz am Sams­tag­abend, den 14.August 2021, sagte der Leiter der Kata­stro­phen­schutz­be­hörde des Landes, Jerry Chandler, dass der Tod von 304 Men­schen bestätigt wurden – gegenüber einer anfäng­lichen Zahl von 29 –, während min­destens 1.800 weitere ver­letzt wurden.

BREAKING sea 🌊 water begins to enter Haiti 🇭🇹 , after been hit by a 7.2 magnitude ear­th­quake . tsunami warning has been issued. #pray­for­haiti 🙏🏽 pic.twitter.com/GnDBpNzxbn

— 🏝CARIBBEAN CULTURE ⓦ🏝〽️ (@westindimade) August 14, 2021

Das Erd­beben ereignete sich am Sams­tag­morgen 12 km (7,4 Meilen) nord­östlich von Saint-Louis du Sud auf Haitis süd­licher Tiburon-Halb­insel in einer geringen Tiefe von 10 km (6,2 Meilen), berichtete der United States Geo­lo­gical Survey (USGS).

Es ist die jüngste Krise, die der kari­bi­schen Nation wider­fährt, die nach der Ermordung von Prä­sident Jovenel Moise im ver­gan­genen Monat inmitten weit ver­brei­teter Banden­gewalt und anhal­tender poli­ti­scher Insta­bi­lität zu kämpfen hat .

Haitis neuer Pre­mier­mi­nister Ariel Henry rief nach einem schreck­lichen Beben, den ein­mo­na­tigen Aus­nah­me­zu­stand aus und sagte, er werde alle ver­füg­baren Regie­rungs­res­sourcen mobi­li­sieren, um den Opfern zu helfen.

„Wir werden die not­wen­digen Vor­keh­rungen treffen, um den vom Erd­beben betrof­fenen Men­schen zu helfen“, twit­terte Henry . „Die Regierung wird den Not­stand aus­rufen. Wir werden schnell handeln.“

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Das Seis­mo­lo­gische Zentrum Europa-Mit­telmeer (EMSC) meldete ein Beben in der Region mit einer Stärke von 7,6, während Kubas seis­mo­lo­gi­sches Zentrum eine Stärke von 7,4 regis­trierte. In ganz Haiti und in den benach­barten kari­bi­schen Ländern war das Beben  zu spüren.

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„Viele Häuser sind zer­stört, Men­schen sind tot und einige liegen im Kran­kenhaus“, sagte Christella Saint Hilaire, die in der Nähe des Epi­zen­trums lebt, der Nach­rich­ten­agentur AFP.

Nach dem Erd­beben in Haiti 2010 sam­melten ver­schiedene Orga­ni­sa­tionen Mil­li­arden Dollar, um den Hai­tianern beim Wie­der­aufbau zu helfen. Aber niemand weiß, wohin das Geld tat­sächlich geflossen ist.

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2014 berich­teten wir in unserem Beitrag: Die ver­ges­senen Men­schen von Haiti -, dass die Men­schen nach dem Erd­beben 2010 von Port-au-Prince immer noch in Trümmern lebten, teils ohne Nahrung und Wasser. Die Hälfte von ihnen sind Kinder. Wo sind die vielen Mil­li­arden  Euro geblieben, die für die Men­schen aus aller Welt gespendet wurden?

Sex für Hilfe – Oxfam war nur der Anfang – fast alle großen Hilfs­or­ga­ni­sa­tionen betroffen!

Es war 2018, nachdem die Skandale um die Hilfs­or­ga­ni­sa­tionen auf­ge­deckt wurden. Mehrere Länder stellten darauf hin sofort die Hilfs­gelder für diese Orga­ni­sa­tionen ein.

Es war nach dem Erd­beben von 2010 eine der wenigen sicheren freien Plätze in Haiti – dorthin zog sich die NGO zurück. Eine Kolonial-Villa  in der wohl­ha­benden Gegend von Port-au-Prince, wo die NGO Oxfam Groß­bri­tannien (Oxfam GB) Dut­zende ihrer Helfer unter­ge­bracht hatte. Von Zeit zu Zeit öffnete das Haus sein Hoch­si­cher­heitstor, um Gruppen von lokalen Pro­sti­tu­ierten her­ein­zu­lassen, von denen einige noch min­der­jährig waren. Im Jahr 2011 wurden ihre Räume zum Schau­platz von Orgien, die mit Mitteln der Orga­ni­sation bezahlt wurden. Sieben Jahre später, als das, was pas­siert war, ans Licht kam – und die NGO sich ent­schul­digte  – ent­hüllen einige ihrer Mit­ar­beiter, dass diese Akti­vi­täten im huma­ni­tären Bereich häufig sind.

„Ich bin nicht über­rascht, dass die Helfer Pro­sti­tu­ierte bezahlten. Das ist sehr häufig der Fall, wo Hilfs­or­ga­ni­sa­tionen arbeiten, wie Haiti, Somalia, Sudan und Zen­tral­afri­ka­nische Republik, und es war eine Orgie“, sagt eine Quelle aus einer NGO der elpais.com. 

Nur damit Sie sehen, um wie viel Steu­er­gelder es ging. Oxfam Novib hatte zwar keine Mit­ar­beiter auf Haiti, hat aber 15 Mil­lionen Euro für die Hilfs­or­ga­ni­sa­tionen „Haiti“ erhalten. Davon gingen 8,3 Mil­lionen Euro an den bri­ti­schen Zweig der Hilfs­or­ga­ni­sation, die 2018 unter Beschuss geriet, nachdem der Welt­skandal, von der Sunday Times auf­ge­deckt wurde.  Siehe auch Sex für Hilfe – Oxfam war nur der Anfang – fast alle großen Hilfs­or­ga­ni­sa­tionen betroffen!

Eine Umfrage der Thomson Reuters Foun­dation ergab, dass 2017 mehr als 120 Mit­ar­beiter von etwa 20 füh­renden glo­balen Wohl­tä­tig­keits­or­ga­ni­sa­tionen ent­lassen wurden oder ihre Stelle wegen sexu­eller Ver­feh­lungen ver­loren. Siehe: ZEIT FÜR ECHTES HANDELN! Scho­ckie­rende neue Berichte über sexu­ellen Miss­brauch durch Hilfs­or­ga­ni­sa­tionen – The dark side of huma­ni­tarian aid workers

Die For­schungs­er­gebnisse von Corinna Csaky ent­hüllten den Miss­brauch von 23 huma­ni­tären Orga­ni­sa­tionen, Frie­dens­si­che­rungs- und Sicher­heits­or­ga­ni­sa­tionen, die in Haiti, der Elfen­bein­küste und dem dama­ligen Süd­sudan tätig waren. „Unsere eigene For­schung legt nahe, dass das Ausmaß des Miss­brauchs erheblich ist“, heißt es in dem Bericht. „Jede Agentur ist von diesem Problem bedroht … bestehende Bemü­hungen, Kinder vor sexu­eller Aus­beutung und Miss­brauch zu schützen, sind unzureichend.“

Scho­ckie­render Bericht über UN-Frie­dens­sol­daten, sie zeugten Hun­derte Kinder mit Kindern in Haiti

2019 folgte dann ein scho­ckie­render Bericht, dass UN-Frie­dens­sol­daten Hun­derte Kinder in Haiti zeugten.

 

Einem Bericht zufolge sollen UN-Frie­dens­sol­daten in Haiti Kinder mit Frauen und Mädchen gezeugt haben. Er basiert auf frü­heren Anschul­di­gungen sexu­ellen Fehl­ver­haltens gegenüber den ver­letz­lichen Teilen der Bevöl­kerung (die sie eigentlich hatten beschützen sollen), die gegen die Frie­dens­truppen erhoben wurden.

Als Teil des Berichts, der in Con­ver­sation ver­öf­fent­licht wurde, befragten die For­scher 2.500 Hai­tia­ne­rinnen und Hai­tianer über die Erfah­rungen der ört­lichen Frauen und Mädchen in den Gebieten, die Gast­geber der 13-jäh­rigen Sta­bi­li­sie­rungs­mission der Ver­einten Nationen in Haiti gewesen waren, auch bekannt als Minustah. Von dieser Gruppe berich­teten etwa 265 Per­sonen von Kindern, die von UN-Per­sonal gezeugt wurden – und die einen beun­ru­hi­genden Zustand von Zwang und Miss­brauch schufen, der Mädchen im Alter von 11 Jahren dazu brachte, ihre Kinder unter Bedin­gungen extremer Armut selbst aufzuziehen.

Einige Teil­neh­me­rinnen sprachen Fälle von Ver­ge­wal­tigung oder sexu­eller Gewalt an, aber häu­figer erzählten die befragten Hai­tia­ne­rinnen Geschichten, die ein „gän­giges Muster“ beschreiben, im Zuge dessen Frauen kleine Mengen Geld oder Lebens­mittel im Aus­tausch für Sex erhielten.

Vor 11 Jahren erschüt­terte ein gewal­tiges Erd­beben Haiti und ver­wan­delte die Haupt­stadt Port-au-Prince in Sekun­den­schnelle in einen Albtraum

The Port-au-Prince Cathedral, des­troyed by the 2010 ear­th­quake, still hasn’t been rebuilt 10 years later. CNN

Zehn Jahre nach einem ver­hee­renden Erd­beben sagen einige Hai­tianer, dass sie die Hoffnung ver­lieren, so ein Bericht der CNN, den wir für Sie über­setzt haben. 

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Etwa 70.000 Men­schen würden innerhalb einer Woche begraben werden. Hun­dert­tau­sende weitere würden ihnen ins Grab folgen.

Die ver­hee­rende Kraft des Bebens der Stärke 7,0 am 12. Januar 2010 teilte die Geschichte des Landes in ein Vorher und ein Nachher. Das Vorher war eine lange, ver­worrene Geschichte von Dik­tatur, Besatzung und Wider­stand, durch­setzt mit dem Stolz einer Skla­ven­re­vo­lution, die Napoleon Bona­partes Armee besiegte. Das Danach war unvor­stellbar – ein unbe­schrie­benes Blatt.

„Ich glaube, sie haben gerade eine Bombe auf Port-au-Prince geworfen“, sagte Fran­coise Chandler, eine lokale UNICEF-Kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­auf­tragte, zu ihrer Tochter, nachdem das erste Beben ein­ge­setzt hatte. Sie hatte sie gerade von der Schule abgeholt.

„Alles bebte, und es war sehr laut. Ich dachte, es sei wie der 11. Sep­tember in New York, weil ich zu dieser Zeit in New York gewesen war“, sagt Chandler. Dichter Staub stieg in der Luft um ihr Auto auf.

„Werden wir sterben?“, erinnert sie sich, dass ihre Tochter fragte. Chandler ant­wortete: „Darauf habe ich keine Antwort, aber wenn wir sterben werden, dann sterben wir zusammen.“

Ihre Tochter habe dann auf­gehört, Fragen zu stellen, sagt sie.

Hoffnung und Hoffnungslosigkeit

Nach Angaben des US Geo­lo­gical Survey dauerte das Erd­beben selbst weniger als 30 Sekunden. Die unmit­telbare Zeit danach war ent­setzlich. Aber ein Aus­bruch von Soli­da­rität innerhalb des Landes und zwi­schen Haiti und dem Rest der Welt gab vielen Hai­tianern Hoffnung.

„Die Welt hat sich wirklich um Haiti ver­sammelt“, sagt Sanjay Gutpa von CNN, der aus­führlich über die Nach­wir­kungen berichtete und sogar Ver­letzte vor Ort behan­delte. „Nicht in jedem Teil der Welt, aber ich denke, wenn Sie Ihre Fern­seher ein­schalten, wenn Sie die Zeitung lesen, wenn Sie mit Ihren Freunden und Arbeits­kol­legen sprechen, gab es diesen kol­lek­tiven Erguss an Unter­stützung und Mit­gefühl für Haiti.“

 

Foto: Men­schen gehen an der ein­ge­stürzten Kirche Sacre Coeur in Port-au-Prince vorbei, zwei Tage nach dem Erd­beben, das Haiti am 12. Januar 2010 verwüstete.

Die Welt schickte Feu­er­wehr­leute aus New York City, Ret­tungs­kräfte aus Island, Kran­ken­haus­zelte aus Israel, Spür­hunde aus China, Öl aus Vene­zuela. NGOs, die bereits im Land waren, sprangen in die Bresche. Chandler erinnert sich, dass er in den Tagen nach dem Beben in einem Zelt unter freiem Himmel arbeitete, weil die Büros der Orga­ni­sation zusam­men­ge­brochen waren.

Inter­na­tionale Geber sagten Mil­lionen zu, die sich schließlich auf mehr als 10 Mil­li­arden Dollar für den Wie­der­aufbau sum­mierten. Das Erd­beben war besonders tödlich gewesen, weil die Gebäude in Haiti so brüchig waren, dass sie auf ihre Bewohner stürzten.

„Direkt nach dem Erd­beben ver­spürte ich viel Hoffnung, denn ich dachte, aus der Kata­strophe würde jeder ein bes­serer Mensch im Dienste dieses Landes werden“, sagt Harold Prévil, ein Geburts­helfer und Leiter des Sacre Coeur Kran­ken­hauses in Haitis nörd­licher Stadt Milot.

Aber ein Jahr­zehnt später erzählen er und viele andere CNN, dass sie jetzt des­il­lu­sio­niert sind und weit weniger Hoffnung für ihr Land haben als in den blu­tigen Nach­wehen des Erdbebens.

 

„Nach dem Erd­beben wurde viel Geld aus­ge­geben, aber die Ergeb­nisse sind mager“, sagte der hai­tia­nische Prä­sident Jovenel Moise am 13.Januar 2020  in einem Interview mit CNN. Moise hat öffentlich ein­ge­räumt, wie wenig sich Haiti in den letzten zehn Jahren wei­ter­ent­wi­ckelt hat. „Trotz unserer besten Bemü­hungen, nach dem Erd­beben wieder auf­zu­bauen, bleiben die Narben dieses tra­gi­schen Ereig­nisses“, sagte er am Samstag in einer Erklärung. „Zehn Jahre danach fehlt es uns immer noch an der grund­le­genden Infra­struktur und an Dienst­leis­tungen, um die Men­schen in unserem Land zu unterstützen.“

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In der Nacht des 7. Juli 2021 um circa 1 Uhr wurde Jovenel Moïse von bislang unbe­kannten Angreifern in seinem Pri­vathaus über­fallen und erschossen.

Hai­tianer leben mit Dauerstress

Teile von Haiti, die 2010 zer­stört wurden, sind immer noch nicht wieder auf­gebaut worden, ein­schließlich des Regie­rungs­sitzes, des Natio­nal­pa­lastes. Und es gibt kaum Anzeichen dafür, dass die Gebäude, die wieder auf­gebaut wurden, struk­turell stabil genug sind, um die Bewohner vor dem nächsten Erd­beben zu schützen.

Viele Hai­tianer, die in den letzten zehn Jahren von Natur­ka­ta­strophen und poli­ti­schen Ereig­nissen gebeutelt wurden, hatten keine Chance, sich mental oder emo­tional wieder auf­zu­bauen, sagt Marline Naromie Joseph, eine hai­tia­nische Psy­cho­login, die seit zwölf Jahren für Ärzte ohne Grenzen arbeitet. Sie war nach dem Beben an vor­derster Front in der Not­fall­me­dizin tätig, arbeitete mit Pati­enten, die Glied­maßen ver­loren hatten, mit Kindern, die ihre Eltern ver­loren hatten, und mit Kol­legen, die die Schrecken des Bebens mit­erlebt hatten.

Joseph erinnert sich daran, wie am Tag nach dem Beben die ersten Leichen in einer Straße der Stadt ein­ge­sammelt wurden.

„Das Geräusch, das die Leichen machten, als sie in den Last­wagen fielen, war ekel­er­regend“, sagt sie. Ein Stück weiter auf der­selben Straße trennten Arbeiter die Toten in Haufen von Kindern und Erwach­senen, erinnert sie sich – ein Bild, das sie jah­relang jedes Mal wieder vor Augen hatte, wenn sie diese Straße ent­langging, und das sie schließlich als Beweis für ihr eigenes Trauma erkannte.

„Obwohl die Kinder nicht mehr da waren, die Toten nicht mehr, war es, als wäre es der erste Tag, an dem ich sie sah“, sagt sie. „Mein Gehirn hatte dieses Bild gespei­chert und blieb daran hängen.“

Manche Pati­enten haben immer noch Flash­backs zu dem Gefühl, dass sich die Erde unter ihren Füßen bewegt, wenn sie bestimmte Orte wieder besuchen – wie den Ope­ra­ti­onssaal des Kran­ken­hauses, sagt sie.

Nach Josephs Dia­gnose haben die Unglücke des Landes im letzten Jahr­zehnt Stress auf ein Trauma gehäuft. In den Jahren seit dem Erd­beben wurde das Land von Wir­bel­stürmen, Über­schwem­mungen und Dürre heim­ge­sucht. Es wurde auch durch mensch­liches Ver­sagen betrogen – zum Bei­spiel in Ver­bindung mit einer ver­hee­renden Cholera-Epi­demie – und durch die Kor­ruption der Regierung, die Haitis aktuelle poli­tische Unruhen aus­gelöst hat.

„Wir können mit Stress leben, aber ein Leben mit Dau­er­stress bleibt nicht ohne Folgen für den Körper. Schließlich fällt man direkt in die Erschöpfung“, sagt Joseph, die bemerkt, dass sie mehr psy­chisch kranke Men­schen beob­achtet hat, die auf der Straße leben als vor dem Erdbeben.

Das Land ist durch Hunger, Inflation und Treib­stoff­mangel gelähmt

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Eine besonders bittere Frus­tration am zehnten Jah­restag des Erd­bebens ist, wie geschwächt die Wirt­schaft und Infra­struktur des Landes zu sein scheinen.

„Zehn Jahre danach bin ich ein Arzt, ich bin der Geschäfts­führer einer 210-Betten-Ein­richtung, aber glauben Sie mir, ich bin hoff­nungslos“, sagt der Arzt Prévil. „Die Hai­tianer haben nicht die Mög­lichkeit gehabt, die Dinge anders und besser zu machen.“

Einige Dinge sind besser geworden. Haitis medi­zi­ni­sches System hat sich seit dem Beben ver­breitert, und UNICEF berichtet, dass seit Februar letzten Jahres keine neuen Cho­le­ra­fälle mehr dia­gnos­ti­ziert wurden.

Aber Prévil und Joseph sagen beide, dass die medi­zi­ni­schen und psy­cho­lo­gi­schen Res­sourcen des Landes dennoch für eine weitere Kata­strophe vom Ausmaß des Erd­bebens 2010 nicht aus­reichen würden.

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„Ich würde nicht sagen, dass wir eine Insti­tution haben, die in der Lage ist, mit dem psy­cho­lo­gi­schen Trauma einer wei­teren Kata­strophe wie dieser umzu­gehen“, sagt Joseph.

Das Land wird derzeit von einer explo­die­renden Inflation geplagt, während die Treib­stoff­knappheit den Gang von Industrie und Regierung ver­langsamt. Einem neuen Bericht des UN-Kata­stro­phen­hilfs­werks OCHA zufolge bedeuten stei­gende Preise, dass selbst Grund­ver­sor­gungs­güter für die Armen uner­reichbar geworden sind.

Auch in Haiti droht nun der Hunger. Vierzig Prozent der Hai­tianer werden bis März von Nah­rungs­mit­tel­knappheit betroffen sein, pro­gnos­ti­ziert die Agentur. Für min­destens 1 von 10 wird die Ernäh­rungs­un­si­cherheit ein „Not­fall­niveau“ erreichen.

In seiner Erklärung vom Samstag tadelte Moise den Rest der Welt dafür, dass sie ihre Ver­sprechen nicht ein­ge­halten habe.

„Die anfäng­liche Auf­regung der inter­na­tio­nalen Gemein­schaft ist schnell abge­flaut, viele der finan­zi­ellen Zusagen wurden nicht ein­ge­halten – mit ver­hee­renden Folgen für unsere Erholung“, sagte er.

„Wenig von der erhal­tenen Hilfe landete in hai­tia­ni­schen Händen und viel von dem Geld, das so groß­zügig gegeben wurde, wurde nicht für die rich­tigen Pro­jekte und Orte aus­ge­geben“, fügte Moise hinzu und griff damit eine häufige Kritik auf, dass sich die Hilfs­gelder auf kurz­fristige Erleich­te­rungen kon­zen­trierten und nicht auf nach­haltige, lang­fristige Systeme.

Bis 2012 wurden laut einem Bericht von Paul Farmer, einem medi­zi­ni­schen Anthro­po­logen aus Harvard, der als stell­ver­tre­tender UN-Son­der­be­auf­tragter für Haiti tätig war, 6,4 Mil­li­arden Dollar der mehr als 10 Mil­li­arden Dollar zuge­sagten Hilfs­gelder ausgezahlt.

Und obwohl es wenig Konsens darüber gibt, wie viel mehr von dem Geld aus­ge­geben wurde, unter­stützt der Bericht über die ersten zwei Jahre der Aus­gaben Moises Stand­punkt. Er stellt fest, dass „weniger als 10 Prozent direkt an die [Regierung von Haiti] unter Ver­wendung ihrer Systeme aus­ge­zahlt wurden; weniger als 0,6 Prozent wurden direkt an hai­tia­nische Orga­ni­sa­tionen und Unter­nehmen als Pro­gramm­zu­schüsse ausgezahlt.“

Kor­rup­ti­ons­vor­würfe haben das Miss­trauen geschürt

Was die hai­tia­nische Regierung mit den ihr zur Ver­fügung ste­henden Mitteln gemacht hat, ist für viele Bürger eben­falls ein Grund zur Klage.

Seit fast drei Jahren befindet sich Haiti in einer poli­ti­schen Krise – manchmal unter­brochen von lan­des­weiten Abrie­ge­lungen – wegen der Unzu­frie­denheit mit der Regierung und deren Umgang mit Vor­würfen außer­ge­wöhn­licher Korruption.

Die Pro­teste wurden durch eine Erhöhung der Treib­stoff­preise und einen offi­zi­ellen Bericht aus­gelöst, in dem behauptet wird, dass frühere Regie­rungen Mil­lionen von Dollars ver­schwendet haben, die für wichtige Infra­struk­tur­pro­jekte gedacht waren, und dass sie Wucher­preise für Ver­träge für neue Straßen und Gebäude bezahlt haben, die in einigen Fällen nicht gebaut wurden. Dieses Geld, das aus einem vor dem Erd­beben abge­schlos­senen Abkommen mit Vene­zuela stammt, das als Petro­Caribe bekannt ist, muss schließlich von Haitis nächster Gene­ration zurück­ge­zahlt werden.

„Was mich sehr frus­triert hat und mich wirklich traurig und krank gemacht hat, war, dass ich dachte, dass das hai­tia­nische Volk und die Hai­tianer, die für das Land ver­ant­wortlich waren, [das Erd­beben] als eine Gele­genheit genutzt hätten, das Land besser zu machen“, sagt Prévil.

„Aber das ist nicht geschehen. Die Führer sind ego­is­ti­scher geworden, sie haben mehr geraubt. Anstatt die Chance zu nutzen, das Land zu ver­ändern, haben sie es schlimmer gemacht.“

Haiti ist nie aus der Dun­kelheit des Erd­bebens von 2010 her­aus­ge­kommen, sagt Etzer Emile, ein hai­tia­ni­scher Wirt­schafts­for­scher und Unter­nehmer in Port-au-Prince, der sich als einer der Akti­visten iden­ti­fi­ziert, die einen Wandel fordern. Er schreibt dem Petro­Caribe-Skandal zu, dass er die lokale Kor­ruption in den Fokus gerückt und eine Bewegung für Ver­än­derung geschaffen hat, so störend sie auch sein mag.

„Wissen Sie, das kann uns das Gefühl geben (wie) … es gibt etwas, das wir eigentlich hatten, und wir haben es nicht wirklich genutzt.“

Jetzt, wo die Regierung die ver­lo­renen oder ver­schwun­denen Gelder öffentlich doku­men­tiert hat, sagt Emile, dass die Zahlen auf eine Weise zugänglich sind, wie sie es vorher nicht waren. Sie können auch dank der sozialen Medien leicht geteilt werden, was die Empörung und den Ruf nach Ver­än­derung ange­facht hat – ein­schließlich des Rück­tritts von Moise – da Anti-Kor­rup­tions-Akti­visten den Prä­si­denten beschul­digen, bei den Petro­Caribe-Vor­würfen ein Auge zuzudrücken.

Moise sagte CNN, dass der Kampf gegen die Kor­ruption immer noch eine Prio­rität seiner Regierung sei und sagte, dass die ver­gan­genen Monate poli­ti­scher Unruhen die wirt­schaft­lichen Pro­bleme Haitis ver­schlimmert hätten.

„Wir brauchen die gleiche Soli­da­rität, die wir nach dem Erd­beben hatten“, sagte er und betonte, dass er dieses Mal die Soli­da­rität mit „den Akteuren meint, die das Land auf einen Weg des Wandels, des wirt­schaft­lichen Wachstums und der Ent­wicklung bringen.“

Was als nächstes pas­sieren wird

Haiti gilt als eines der durch den Kli­ma­wandel am stärksten gefähr­deten Länder und liegt mit seiner Lage in der Karibik mitten im Hur­rik­an­gürtel. Mit Blick auf die Zukunft ist die Frage, wie sich Haiti auf die nächste große Kata­strophe vor­be­reiten kann – und welche Art von Hilfe es erhalten könnte – eine drin­gende Frage.

Emile ist der Meinung, dass Haiti nicht mehr das gleiche Interesse und Mit­gefühl wie im Jahr 2010 genießt.

„Wenn der Wie­der­aufbau Haitis ein Erfolg gewesen wäre, wären wir viel­leicht als Fall­studie für die Men­schen inter­essant gewesen. Aber es war ein Miss­erfolg, also haben die Leute die Nase voll … sie wollen gar nicht mehr so viel darüber reden“, sagt er. „Je weiter wir uns vom Erd­beben ent­fernen, desto weniger sind die Leute an Haiti interessiert.“

Der Rückgang des Inter­esses ist in der Tat messbar: Ein UN-Plan für huma­nitäre Hilfe für Haiti aus dem Jahr 2019 schaffte es nur, ein Drittel der benö­tigten Mittel aufzubringen.

Vania André, Her­aus­ge­berin der Haitian Times, einer Zeitung für die hai­tia­nische Dia­spora, sagt, dass das Erd­beben die Loya­lität – und einen gewissen Trotz – von Gene­ra­tionen hai­tia­ni­scher Ame­ri­kaner geweckt hat.

 

(Foto: Ein Junge flieht vor Trä­nengas während Zusam­men­stößen mit der hai­tia­ni­schen Polizei in Port-au-Prince am 15. Februar 2019.)

Es wurde normal, Geschichten von hai­tia­ni­schen Ame­ri­kanern zu hören, „die ihre Fir­menjobs in DC oder Florida ver­ließen und nach Haiti zogen, um eine gemein­nützige Orga­ni­sation zu gründen“, sagt sie. „Sie wollten, dass die Men­schen sehen, dass Haiti viel mehr ist als die Ver­wüstung, die mit dem Erd­beben pas­siert ist, dass Haiti viel mehr ist als diese Republik der NGOs.“

Aber sie merkt auch an, dass viele dieser im Ausland gebo­renen Idea­listen nicht lange blieben, ent­mutigt durch die Skepsis, der sie begeg­neten, und die Schwie­rig­keiten, Geschäfte zu machen.

Während der Fluss aus­län­di­scher Hilfs­gelder abebbt und die Hai­tianer das Ver­trauen in ihre Regierung ver­lieren, sagen einige, dass sie sich nur auf ihre eigenen Erfah­rungen ver­lassen können.

Prévil, der Geburts­helfer, sagt, dass ein wei­teres Erd­beben Haitis schlimmster Alb­traum“ wäre und dass er immer noch Flash­backs von dem Gefühl bekommt, wie sich der Boden unter seinen Füßen bewegt. Aber zumindest weiß er jetzt, wie er reagieren muss.

„Wenn es ein wei­teres Erd­beben gibt, habe ich einen guten, starken Schreib­tisch. Ich werde unter den Schreib­tisch gehen“, sagt er. „Und dann rufe ich meinen Not­fallplan auf und fange sofort an, mich um so viele Men­schen wie möglich zu kümmern. Denn ich weiß jetzt, was zu tun ist.“ – So der Bericht von CNN zum 10 jäh­rigen Jah­restag des Erd­bebens auf Haiti.

Haiti wurde erneut von einem ver­hee­renden Erd­beben heimgesucht

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„Der heutige Tag bringt das Trauma des Erd­bebens von 2010 zurück, das Haiti zerriss. Dieses töd­liche Beben hat in einigen der am stärksten gefähr­deten und mar­gi­na­li­sierten Gemeinden Haitis Häuser und Infra­struktur zer­stört“, sagte Angeline Annesteus, Lan­des­di­rek­torin von ActionAid Haiti, in einer Erklärung.

„Frauen und Mädchen tragen bereits die Hauptlast der zahl­reichen Krisen, denen Haiti aus­ge­setzt ist, dar­unter stei­gender Hunger, poli­tische Insta­bi­lität und Banden­gewalt . Die ver­hee­renden Folgen dieses Erd­bebens könnten viele weitere Familien in Armut und Hunger treiben“, sagte Annesteus.

Netz­frauen Lisa Nat­terer und Doro Schreier


Quelle: netzfrauen.org