Wer einmal islamische Länder bereist hat, kennt die fremdartige Geräuschkulisse in einer Stadt. Aus allen Richtungen tönt der Gebetsruf gleichzeitig aus den Lautsprechern auf den Minaretten über der Stadt. Der Schall überlagert sich, wogt durch die Gassen und nach einigen Minuten ist es so abrupt vorbei, wie es eingesetzt hat. So faszinierend das auf Reisen in einem fremden Land mit anderen Sitten und Gebräuchen ist, so schwer tun sich viele in einem traditionell christlichen Land. In Köln findet nun ein Pilotprojekt statt, das den muslimischen Gemeinden den freitäglichen Gebetsruf erlaubt.
Die Berichterstattung erweckt – vielleicht nicht unabsichtlich — den Eindruck, es handle sich dabei um ein allererstes Mal, dass in Deutschland der Adhan, der muslimische Ruf zum Gebet, über den Dächern einer deutschen Stadt erschallt. Das ist nicht richtig. Es gibt viele muslimische Gemeinden, die das schon länger tun, ganz ohne großes Medienecho.
Der Kölner Oberbürgermeister, Frau Henriette Reker, ebnete dieser Neuerung den Weg. Sie ist die Dame, die sich den Beinamen „eine Armlänge Abstand“ eingehandelt hat, nachdem sie nach der berühmten Silvesternacht am Kölner Bahnhof, in der eine große Menge Zuwanderer massenhaft und in Gruppen Frauen und Mädchen aggressiv bedrängten, sie begrapschten, verletzten und vergewaltigten und Begleiter, die sie schützen wollten, zusammenschlugen — während die Polizei untätig blieb — die Sache herunterspielte und meinte, die Frauen hätten einfach eine Armlänge Abstand halten sollen.
Frau Oberbürgermeister Reker sieht sich als eine politisch hoch korrekte Person und pocht auf die Religionsfreiheit, die in der Verfassung steht. Damit hat sie Recht und daher ist es auch durchaus legitim, dass eine Religionsgemeinschaft auch das Recht hat, ihren Glauben zu leben, solange sich dessen Worte und Taten nicht gegen die deutschen Gesetze und unser Grundgesetz richten. So ist auch ein Muezzin-Ruf zulässig, wenn es nicht in Lärmbelästigung ausartet. Auch christliche Kirchen dürfen nicht zu Unzeiten und dauernd läuten und ein Muezzinruf bei Sonnenaufgang wäre gerade im Sommer eine untragbare Zumutung für die Bevölkerung. Wenn also in Köln einige Moscheen am Freitagnachmittag (und nur am Freitag ist es bis jetzt gestattet) in einer vertretbaren Lautstärke erklingen, ist dagegen wenig zu sagen.
Frau Oberbürgermeister Reker hätte das Ganze ja ruhig und gelassen abhandeln können. Aber nein, sie muss daraus einen Staatsakt machen. Um, wie sie das so gerne tut, ihre lupenreine Gesinnung gebührend zur Schau zu stellen. Im anglophonen Sprachgebrauch nennt man das „virtue signalling“, also das „Zurschaustellen von Tugend“.

Und so lässt sie sich nur zu gern bei ihrem Besuch in der Moschee fotografieren, wie sie da sitzt, weltoffen, tolerant, das lebende Idealbild, mit einer vorschriftsmäßigen medizinischen Maske und findet, sie hat alles richtig gemacht. Die Herren um sie herum sitzen natürlich korrekt da und sind zu höflich, um ihr zu sagen, dass sie auffallend „flegelhaft“ da hockt, die dicke Handtasche platschdich vor sich platziert, die Arme um die hochgezogenen Knie und die Füße in „Qiblah“ (Gebetsrichtung), sogar fast noch die Fußsohlen zeigend. Und wahrscheinlich hat sie die Moschee auch nicht mit dem rechten Fuß betreten und dem linken verlassen. Über sowas informiert man sich vorher. DAS wäre echter Respekt gewesen.
Kritiker watscht Frau Oberbürgermeister gleich mal ab. Die Entscheidungen eines Leuchtturms an moralischer Überlegenheit sind per se nicht kritikabel. So schreibt sie:
„Muslimische Mitbürgerinnen und Mitbürger seien ein fester Teil der Kölner Stadtgesellschaft. Wer das anzweifelt, stellt die Kölner Identität und unser friedliches Zusammenleben infrage. Wenn wir in unserer Stadt neben dem Kirchengeläut auch den Ruf des Muezzins hören, zeigt das, dass in Köln Vielfalt geschätzt und gelebt wird.“
Wie schön, dass die politisch korrekte Sprache einen so reichhaltigen Baukasten für Neusprech-Satzteile bietet, aus denen man sich als Politiker ratzfatz seine öffentlichen Verlautbarungen zusammenbasteln und Pauschal-Urteile fällen kann. Bald bereichern wir unseren diesbezüglichen Wortschatz um neue, hübsche Elemente wie „Muezzin-Leugner“, „Moschee-Intoleranz“, „Gebetsruf-Hassrede“ und „Adhan-Phobiker“.
Es gibt aber auch ein paar Kritiker, die Frau Reker nicht so einfach in diesen Topf werfen kann. Da wäre zum Beispiel die Kölner SPD-Politikerin Dr. Lale Akgün. Sie ist von Frau Oberbürgermeister Rekers Glanzparade nicht begeistert:
“Diese Symbolpolitik dient den Falschen”, schreibt Akgün auf Facebook und fragt: “Von welchen Moscheen in Köln kann man den Muezzinruf überhaupt rufen?” Die Entscheidung betreffe vor allem die “große DITIB-Moschee in Ehrenfeld”. Das sei ein “politisches Minenfeld”, behauptet Akgün. Sie sieht darin “ein Knicks vor dem politischen Treiben Erdogans”.
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.