Bild: Die DITIB-Zentralmoschee in Köln. Wikimedia Commons, Raimond Spekking, Bildlizenz: CC BY-SA 4.0

Köln: Wenn der Muezzin ruft — Pilot­projekt ermög­licht jetzt den Gebetsruf

Wer einmal isla­mische Länder bereist hat, kennt die fremd­artige Geräusch­ku­lisse in einer Stadt. Aus allen Rich­tungen tönt der Gebetsruf gleich­zeitig aus den Laut­spre­chern auf den Mina­retten über der Stadt. Der Schall über­lagert sich, wogt durch die Gassen und nach einigen Minuten ist es so abrupt vorbei, wie es ein­ge­setzt hat. So fas­zi­nierend das auf Reisen in einem fremden Land mit anderen Sitten und Gebräuchen ist, so schwer tun sich viele in einem tra­di­tionell christ­lichen Land. In Köln findet nun ein Pilot­projekt statt, das den mus­li­mi­schen Gemeinden den frei­täg­lichen Gebetsruf erlaubt.

Die Bericht­erstattung erweckt – viel­leicht nicht unab­sichtlich  —  den Ein­druck, es handle sich dabei um ein aller­erstes Mal, dass in Deutschland der Adhan, der mus­li­mische Ruf zum Gebet, über den Dächern einer deut­schen Stadt erschallt. Das ist nicht richtig. Es gibt viele mus­li­mische Gemeinden, die das schon länger tun, ganz ohne großes Medienecho.

Der Kölner Ober­bür­ger­meister, Frau Hen­riette Reker, ebnete dieser Neuerung den Weg. Sie ist die Dame, die sich den Bei­namen „eine Arm­länge Abstand“ ein­ge­handelt hat, nachdem sie nach der berühmten Sil­ves­ter­nacht am Kölner Bahnhof, in der eine große Menge Zuwan­derer mas­senhaft und in Gruppen Frauen und Mädchen aggressiv bedrängten, sie begrapschten, ver­letzten und ver­ge­wal­tigten und Begleiter, die sie schützen wollten, zusam­men­schlugen — während die Polizei untätig blieb —  die Sache her­un­ter­spielte und meinte, die Frauen hätten einfach eine Arm­länge Abstand halten sollen.

Frau Ober­bür­ger­meister Reker sieht sich als eine poli­tisch hoch kor­rekte Person und pocht auf die Reli­gi­ons­freiheit, die in der Ver­fassung steht. Damit hat sie Recht und daher ist es auch durchaus legitim, dass eine Reli­gi­ons­ge­mein­schaft auch das Recht hat, ihren Glauben zu leben, solange sich dessen Worte und Taten nicht gegen die deut­schen Gesetze und unser Grund­gesetz richten. So ist auch ein Muezzin-Ruf zulässig, wenn es nicht in Lärm­be­läs­tigung aus­artet. Auch christ­liche Kirchen dürfen nicht zu Unzeiten und dauernd läuten und ein Muez­zinruf bei Son­nen­aufgang wäre gerade im Sommer eine untragbare Zumutung für die Bevöl­kerung. Wenn also in Köln einige Moscheen am Frei­tag­nach­mittag (und nur am Freitag ist es bis jetzt gestattet) in einer ver­tret­baren Laut­stärke erklingen, ist dagegen wenig zu sagen.

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Frau Ober­bür­ger­meister Reker hätte das Ganze ja ruhig und gelassen abhandeln können. Aber nein, sie muss daraus einen Staatsakt machen. Um, wie sie das so gerne tut, ihre lupen­reine Gesinnung gebührend zur Schau zu stellen. Im anglo­phonen Sprach­ge­brauch nennt man das „virtue signalling“, also das „Zur­schau­stellen von Tugend“.

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Und so lässt sie sich nur zu gern bei ihrem Besuch in der Moschee foto­gra­fieren, wie sie da sitzt, welt­offen, tolerant, das lebende Ide­albild, mit einer vor­schrifts­mä­ßigen medi­zi­ni­schen Maske und findet, sie hat alles richtig gemacht. Die Herren um sie herum sitzen natürlich korrekt da und sind zu höflich, um ihr zu sagen, dass sie auf­fallend „fle­gelhaft“ da hockt, die dicke Hand­tasche platschdich vor sich plat­ziert, die Arme um die hoch­ge­zo­genen Knie und die Füße in „Qiblah“ (Gebets­richtung), sogar fast noch die Fuß­sohlen zeigend. Und wahr­scheinlich hat sie die Moschee auch nicht mit dem rechten Fuß betreten und dem linken ver­lassen. Über sowas infor­miert man sich vorher. DAS wäre echter Respekt gewesen.

Kri­tiker watscht Frau Ober­bür­ger­meister gleich mal ab. Die Ent­schei­dungen eines Leucht­turms an mora­li­scher Über­le­genheit sind per se nicht kri­ti­kabel. So schreibt sie:

„Mus­li­mische Mit­bür­ge­rinnen und Mit­bürger seien ein fester Teil der Kölner Stadt­ge­sell­schaft. Wer das anzweifelt, stellt die Kölner Iden­tität und unser fried­liches Zusam­men­leben infrage. Wenn wir in unserer Stadt neben dem Kir­chen­geläut auch den Ruf des Muezzins hören, zeigt das, dass in Köln Vielfalt geschätzt und gelebt wird.“

Wie schön, dass die poli­tisch kor­rekte Sprache einen so reich­hal­tigen Bau­kasten für Neu­sprech-Satz­teile bietet, aus denen man sich als Poli­tiker ratzfatz seine öffent­lichen Ver­laut­ba­rungen zusam­men­basteln und Pau­schal-Urteile fällen kann. Bald berei­chern wir unseren dies­be­züg­lichen Wort­schatz um neue, hübsche Ele­mente wie „Muezzin-Leugner“, „Moschee-Into­leranz“, „Gebetsruf-Hassrede“ und „Adhan-Pho­biker“.

Es gibt aber auch ein paar Kri­tiker, die Frau Reker nicht so einfach in diesen Topf werfen kann. Da wäre zum Bei­spiel die Kölner SPD-Poli­ti­kerin Dr. Lale Akgün. Sie ist von Frau Ober­bür­ger­meister Rekers Glanz­parade nicht begeistert:

“Diese Sym­bol­po­litik dient den Fal­schen”, schreibt Akgün auf Facebook und fragt: “Von welchen Moscheen in Köln kann man den Muez­zinruf über­haupt rufen?” Die Ent­scheidung betreffe vor allem die “große DITIB-Moschee in Ehrenfeld”. Das sei ein “poli­ti­sches Minenfeld”, behauptet Akgün. Sie sieht darin “ein Knicks vor dem poli­ti­schen Treiben Erdogans”.